Vor Kurzem beklagte ich mich noch darüber, dass mal wieder eine neue Comic- oder Mangareihe dazustoßen könnte. Jetzt war es soweit – gleich mit Zweien: „Mushishi“ und „Monster and the Beast“. Über den Anime „Mushishi“ habe ich viel Gutes gehört und wollte mir eigentlich den zu Gemüte führen. In Deutschland kann man derzeit aber nur die zweite Staffel auf Crunchyroll sehen. Da mir das als Erstkontakt nicht so sinnig erschien, landete ich dann erstmal beim Manga. Der andere Manga war eher ein Zufallsgriff. Ob ich bei beiden Reihen dran bleibe? Verrät der Beitrag. Außerdem gab es ein Wiedersehen mit WicDiv (Spoiler für Band 1 und 2 der Deluxe Edition).
„Mushishi“ Perfect Edition Bd. 1, Yuki Urushibara (Manga Cult)
Yuki Urushibaras Manga spielt in einem alternativen Japan so ungefähr zur Edo-Zeit und erzählt von den Fällen des „Mushishi“ Ginko. Ein Mushishi ist ein Gelehrter, der sich mit „Mushi“ auskennt. Das sind Lebewesen, die weder Tier noch Pflanze sind. Man könnte sie als „rudimentäre“ Lebensformen sehen, die absolut naturverbunden sind. Die Mushi sind vollkommen unterschiedlich. Manche erscheinen wie ganz andere Lebewesen oder Elemente, manche gehen symbiotische oder parasitäre Beziehungen mit anderen Lebensformen ein. Ginko wandert umher und hilft Menschen, die in irgendeiner Form unter dem Einfluss von Mushi leiden. Dabei versucht er stets Wirkungen umzukehren, zu vermitteln oder Mushi zu vertreiben, bevor er in Erwägung zieht sie zu töten. Der Manga unterstützt in allen Geschichten den Ansatz Lebewesen erst einmal zu verstehen und ihnen keinen bösen Willen zu unterstellen. Ihr Biotop zu respektieren und ihren Lebenswillen und ihre Weisen zu berücksichtigen. Eine ziemlich schöne Botschaft, in der man auch das Iyashikei (das „heilsame“) von Mushishi herausliest.
Manga Cult lässt sich nicht lumpen und brachte Mushishi in deutscher Erstveröffentlichung 2020 als Perfect Edition heraus. Im Gegensatz zu den Ultimative oder Perfect Editions anderer Verlage scheint mir der Band nicht zwingend dicker zu sein, aber er hat einige Farbseiten, was wohl das „Perfect“ erklären!? Der Karton-Umschlag ist etwas rauer als die üblichen Cover und versprüht tatsächlich Mushishi-Feeling. Denn der Manga weist thematisch stets eine gewisse Naturverbundenheit aus. Interessant ist, dass Mushishi oftmals als Seinen zugeordnet wird. Das ist eine Bezeichnung für Manga, die sich an junge Männer richtet. Das macht Yuki Urushibara zu einer von wenigen Mangazeichnerinnen, die in dem Genre unterwegs sind. Aber mir stellt sich doch ernsthaft die Frage: warum!? Was an Mushishi richtet sich an junge Männer, aber nicht an junge Frauen? Manga Cult selber verzichtet dankbarerweise auf diese schwierigen Unterteilungen und labelt es kurzerhand inhaltlich – eben als Fantasy. Und als Fantasy-Manga ist Mushishi mit seiner Naturverbundehiet und der entspannten Atmosphäre von Slice of Life mit einem Hauch Drama und Mystery ehrlich erfrischend.
Trotz der schönen Botschaft und des gelungen andersartigen Themenmixes in der Fantasy hat mich der erste Band aber nicht so richtig gekriegt. Um Mushi zu verstehen ist das erste Kapitel für mein Empfinden schlecht gewählt, denn der Mushi erscheint in menschlicher Form. Das macht es umso schwieriger zu verstehen, was Mushi sind. Die folgenden Kapitel sind dafür schön abwechslungsreich und sehr melancholisch bis tragisch – damit aber besser gelungen. Auch Ginko als Hauptcharakter bekommt ein bisschen Legendenbildung. Mushishi haben offenbar einen gewissen Ruf. Sein nüchterner Humor und Wissen über Mushi machen ihn schon selber zu einer mysteriösen Figure mit den weißen Haaren und einem künstlichen Auge, das er stets hinter den Haaren versteckt hält. Ginkos Geschichte würde mich am ehesten animieren weiterzulesen. Die Zeichnungen tun es leider nicht. Es gibt einige Panels und Splash-Pages, die ich fantastisch finde, die die Naturverbundheit ausdrücken. Aber Yuki Urushibara Stil wirkt stellenweise etwas unfertig und ungeschliffen. Schlackernde Gelenke, Arme, Füße – manchmal sehen die Bewegungen ihrer Figuren schmerzhaft aus. Falls ihr wisst, ob sich der Zeichenstil noch etwas festigt und reift, lasst es mich gern in den Kommentaren wissen. Ansonsten muss ich mal schauen, was die Suchmaschinen hergeben. Falls nichts oder falls der Stil so bleibt, werde ich mich wohl doch eher um den Anime bemühen. Das ist allerdings natürlich eine Geschmacksfrage.
„Monster & the Beast“ Vol. 1, Renji (Yen Press)
Neulich lächelte mich Monster & the Beast an – der Manga klang nach Spaß oder zumindest einer abgefahrenen Idee. Er handelt von dem Dämon Cavo, der im Wald einem reisenden Gentleman aus der Patsche hilft. Der stellt sich später als Liam vor und sieht zwar wie ein gut situierter Mann mittleren Alters mit Manieren aus, hat aber wie sich herausstellt einige Wesenszüge und Fähigkeiten, die ihn eher wie das Monster erscheinen lassen. Sein Retter Cavo hingegen sieht aus wie man sich so einen Dämon vorstellt. Gehörnt, massiv, stark, riesengroß – gefährlich!? Man sieht ihn nie ganz, weil ihm stets Haare ins Gesicht hängen. Aber man sieht seine Fangzähne und Liam bezeichnet ihn relativ ungeniert als hässlich als er mal unter Cavos Vorhang aus Haaren schaut. Cavos innere Werte hingegen sind aber die eines sehr freundlichen und hilfsbereiten Wesens. Gegensätze ziehen sich an?
Monster & the Beast ist ein Boys Love Manga mit einer offenbar etwas anderen Prämisse, wenn man sich Cavo und Liam so anschaut. Klar: die Formel des Manga hat man schon x Mal gehört. Partner A sieht unschuldig aus, ist aber ein fragwürdiger Charakter und Partner B sieht fragwürdig aus, ist aber sanft wie ein Lamm und beide raufen sich irgendwie zusammen. Dabei gibt es jede Menge Comic Relief wegen ihrer Eigenheiten. Obwohl das also sehr mustergültig klingt, macht das Duo echt viel Spaß. Liam ist von Anfang an etwas aufdringlich und lockt Cavo aus der Reserve. Beide beschließen zusammen zu reisen und offenbar ist es für beide eine angenehme Abwechslung nicht alleine zu sein. Besonders bekommt das Cavo zu spüren, der von Menschen stets wie ein Monster behandelt wurde. Es knistert ein bisschen.
Ich muss gestehen ich hätte es auch ok gefunden, wenn man sich von Boys Love gelöst und Cavo vielleicht als divers angelehnt hätte. Insbesondere wenn ihre Beziehung körperlich wird, ist das aufgrund der unterschiedlichen Körpergröße schon etwas … bedenklich (für Liam)!? Darüber hinaus sind mir manche Dinge noch nicht ganz klar. Zum Beispiel was an Liam so bestialisch ist. Okay, er hat einen gewissen sexuellen Appetit (den er zumindest bisher nicht an Cavo auslebt und der auch nur im Manga angedeutet wird), aber ist das ein Verbrechen? Ich denke nicht. Gegen Ende des Bandes bekommt man aber ein paar Hinweise, dass wahrscheinlich in Liams Vergangenheit ein paar Dinge passiert sind, die für seinen Bestien-Status ausschlaggebend sind. Denn bisher sind beide sehr liebenswerte Charaktere, deren Miteinander und gegenseitiges Herausfordern zu sehr witzigen Situationen führt und nach Feelgood-Manga aussieht. Ich werde es definitiv weiterlesen, auch wenn ich das „Biest“ im Titel bisher eher für eine Finte oder „Bait“ halte. Schade, dass bisher im englischsprachigen Raum nur 3 Bände erschienen sind und in Japan 4 soweit ich weiß.
„The Wicked + The Divine“ Deluxe Edition: Year Three, Kieron Gillen & Jamie McKelvie
Nach dem ziemlich blutigen und überraschenden Ende von Band 2 bzw „Year Two“, stellt sich die Frage wie es für die Götter weitergeht und ob es überhaupt weitergeht. „Year Three“ beginnt in dem Buch mit einer Art Editorial wie man es sich in einem Hochglanz-Magazin vorstellen könnte: textlastige Interviews, die „nebenbei“ den Status Quo der verbliebenden Mitglieder des Pantheons erklären. Begleitet von tollen Mode-Shoots, illustriert von Kevin Wada, die wirklich großartig den Charakter der einzelnen gottgewordenen Menschen einfangen. Und wie ist der Status Quo? Rätselhaft, verschwiegen und etwas verzweifelt. Natürlich wurde der Tod Anankes publik. Die Rolle Persephones/Lauras darin wird verschwiegen, nicht aber Anankes Taten. Die geben ihnen allen immer noch Rätsel auf. Insbesondere Cass/die Nornen und Wōden(!) versuchen herauszufinden, welchen Zweck Anankes seltsame Maschine überhaupt hat. Und dann eskaliert alles verhältnismäßig schnell.
Und das tut es gut! Und ist sehr spannend! Zumindest nach dem Modemagazin-ähnlichen Auftakt, der erwartungsgemäß gemächlich ist und sich sehr „langsam“ anfühlt. Nebenbei nimmt sich der Comic Zeit das Gefühlsleben der Charaktere zu betrachten. Und das dieses Mal in relativ ähnlicher Menge – jeder kommt dran. Persephone/Laura beispielsweise kämpft innerlich mit ihrer Rolle als „The Destroyer“ und nimmt ihre Fähigkeit und den Mord Anankes innerlich nicht so leicht wie es nach außen den Anschein macht. Nicht nur die Spannungskurve, auch das Artwork ist deutlich besser geworden. Es gibt weniger statisch wirkende Panels und deutlich mehr Dynamik innerhalb der Panels. Liegt es nur daran, dass ich soviel Zeit zwischen Year Two und Year Three habe verstreichen lassen oder hätten sie die Comic-eigene „Lore“, d.h. Sagenwelt, etwas besser vorbereiten können? An die Bedrohung durch die „Dunkelheit“ („Darkness“) konnte ich mich aus vorherigen Bänden gar nicht mehr erinnern.
Neben den oben genannten habe ich auch vermehrt Webtoons bzw Webcomics bzw Webmanhwa gelesen, u.a. über die Plattform Lezhin Comics, die sich scheinbar international großer Beliebtheit erfreut. Allerdings gibt es bei den Webmanwha keine so rechte Zuordnung in Bände, sodass ich nicht wüsste, wo ich den Cut setzen soll, wenn ich sie hier besprechen will. Auch die Verfügbarkeit ist sehr limitiert – seufz, ich sehe nicht so recht, dass sich das gut diskutieren lässt. Lest ihr eigentlich auch Webcomics (um das mal als Überbegriff zu verwenden) und wenn ja, über welche Plattformen? Oder welche Comic-Reader-Apps?
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂
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