Die Schere der Genres und Stimmungen der Manga, die ich heute besprechen möchte, könnte kaum größer sein. Morbide Romantik, ein bisschen Boys Love und Slice of Life rund um Haustier-Mensch-Beziehungen. Hätte ich jetzt noch einen artsy Zombie-Horror-Manga dabei, wäre alles abgedeckt, oder? 😉 Vielleicht nächstes Mal. davon abgesehen sind das heute wie ich finde alles echte Wohlfühl-Manga. Vielleicht nicht schlecht für wolkenverhangene Januartage. Besprechungen sind spoilerfrei, da auch wie es der Zufall so will alles erste Bände oder One Shots.
„A Man and his Cat“ Bd. 1, Umi Sakurai (Manga Cult)
Ich weine nicht … du weinst. 🙂 A Man and his Cat ist ein von Manga Cult in Deutschland veröffentlichter Manga von Umi Sakurai, der seit 2017 fortgesetzt wird. Der Titel spricht für sich – ein Mann kauft sich eine Katze. In der melodramatischen Geschichte ist es aber vor Allem so, dass der Mann bereits fortgeschrittenen Alters ist und sich nach dem Tod seiner Ehefrau einsam fühlt. Als der Kater einzieht, trägt das sehr dazu bei, dass er wieder glücklich ist. Der Kater wiederum wurde von allen bisher nur als hässlich gehänselt und gemieden. Sein neues Zuhause macht ihn so glücklich wie er es vielleicht noch nie war. As simple as that. Klingt kitschig? Ist es auch. Ich habe den Manga gekauft, weil ich eine eigentümliche Mischung aus Comedy und Rührung erwartet habe und das habe ich auch bekommen – mit Nebenwirkungen.
Also eigentlich finde auch ich die Katze Fukumaru nicht so wahnsinnig niedlich. Sorry! Wir wissen ja darauf kommt’s nicht an. Und die Prämisse des Manga schon etwas hemdsärmelig und kitschig. Aber andererseits ist es auch sehr herzig zu sehen wie ein Witwer wieder aufblüht, nachdem er sich den Kater aus der Tierhandlung holt. Die gegenseitige Zuwendung wird anfangs v.A. aus Sicht des Katers erzählt, der über lange Zeit nicht gekauft wurde und schon total abgestumpft war, weil er nicht damit rechnte jemals aus seinem Käfig rauszukommen. Und da bleibt dann kein Auge trocken, versprochen. Meine blieben es jedenfalls nicht. Was mir vor dem Lesen selber nicht bewusst war ist wie sehr der Manga mich triggert. In den letzten beiden Jahren sind unsere beiden Katzen gestorben. Ich war traurig, sehr. Hatte aber auch eine Stimmung von „Du bist doch schon erwachsen oder sowas, das verkraftest du doch“. Tatsächlich musste ich eine Weile nicht darüber nachdenken, dass ich sie nie wiedersehe und dass sie hoffentlich auch so glücklich waren wie Fukumaru bei seinem neuen Herrchen. Wow. Hat mich das erwischt. Das meine ich. Man. Ich habe das vor Lesen des Manga leider so gar nicht kommen sehen.
Selbst wenn ihr eure Katzen nicht vermisst, ist A Man and his Cat ein rührender Manga, der sich angenehm nach „Slice of Life“ anfühlt und ziemlich gut wiedergibt wie sich Katzen so verhalten. An unmöglichen Stellen ihr Lager aufschlagen, den Karton viel interessanter finden als das brandneue Katzenhaus usw. Aber auch wie sich Haustierhalter*innen verhalten. (Stichwort Selfie ^^) In seiner Art alltägliches einzufangen und zu zeigen wie eine scheinbar einfache Sache („Hab jetzt nen Haustier“) zwei Lebewesen glücklich macht, hat der Manga auch etwas heilsames. Stichwort Iyashikei. Wer mit dem Thema Haustier leicht zu triggern ist (wie offenbar ich, was ich auch jetzt erst gelernt habe), sollte sich mental wappnen.
„Love on the Other Side – A Nagabe Short Story Collection“ Nagabe (Seven Seas)
Nagabe dürfte Mangafans und Leser*innen des Blogs durch Siúil, a Rún – Das fremde Mädchen bekannt sein. Zwar habe ich die Reihe noch nicht abgeschlossen, aber bin schon ein Fan von Nagabes düsterem, märchenhaften aber gleichzeitig auch rauen Stil. Irgendwan stieß ich beim Rumbrowsen auf den englischen Manga Love on the Other Side – A Nagabe Short Story Collection, der mehrere kurze Manga Nagabes zusammenfasst, die sich jeweils auf Beziehungen „mit einem Twist“ fokussieren. Meine Interpretation kann sicherlich von Nagabes Intention abweichen, so ist das wohl mit Interpretationen. Aber ich deute die „Liebe von der anderen Seite aus betrachtet“ so, dass es hier um Beziehungen geht, die unmöglich erscheinen, es aber nicht sind. Als Metapher benutzt Nagabe dafür stets Mensch-Tier-Beziehungen oder Mensch-Bestie-Beziehungen. Nicht selten stellt sich darin die Frage: wer ist die Beute? Wer Jäger*in oder Gejagte*r? Die Beziehungen sind daher auch oftmals welche, die die Frage nach dem Geschlecht vollkommen außen vor lassen und es spielt auch absolut keine Rolle für das Erzählen der Geschichte.
So handeln die Manga Shorts von einem Vampir, der lieber ein Mensch sein will. Besonders herzig, denn diese*r wird als große, ziemlich knuddelig aussehende Fledermaus dargestellt. Von einem blinden Mädchen, das scheinbar von einem Monster festgehalten wird. Als was? Als Spielzeug? Von einem kranken Mädchen, das eine besondere Freundschaft zu einem großen Vogel pflegt. Oder auch einem Jungen, der jeden Tag einen Löwen im Zoo besucht und sich dessen Geschichten anhört. Fast jeder der kurzen Manga hat einen kleinen Twist, manche eine morbide-romantische Stimmung oder sind auch mal ganz still. Nagabes Stil zieht sich in konstanter Qualität durch die Geschichten. Vielleicht sind sie bewusst für das Motiv und den Sammelband entstanden statt aus verschiedenen Schaffensperioden Nagabes zusammengesammelt worden zu sein.
Ein interessanter Gedanke ist auch, dass sie alle im selben Universum leben könnten. Abstrus, niedlich, unterschwellig, melancholisch, mörderisch – die Beziehungen zwischen Mensch und Biest|Tier sind alle auf ihre Art rührend. Natürlich schlägt hier häufig das Kindchenschema zu oder andere Mechanismen um die „Biester“ niedlich zu machen und unsere Empathie zu triggern. Der*die Vampir*in ist beispielsweise nicht sehr gruselig, sondern eher realistisch mit einem Überhang zu niedlich-düster gezeichnet. Und wenn dann auch noch Tränen kullern, weil es so gern ein Mensch sein will, ja das funktioniert natürlich ganz fabelhaft. Die meisten Tiere sind dabei sogar eher realistisch gezeichnet. Der reduzierte Stil Nagabes funktioniert ganz prima in dem Folk-Märchen-Setting. Etwas schwierig finde ich es sobald körperliche Beziehungen, Ehen etc angedeutet werden. Gerade in den Mensch-Tier-Beziehungen hat das einen etwas seltsamen Beigeschmack. Ich denke da insbesondere an eine der Geschichten am Anfang, wo das für mich nicht gut funktioniert und ich es als besser erachtet hätte, wenn die Art der Beziehung offen geblieben wäre. Liebe hat viele Gestalten, was kein Buch besser beweist als das. Aber so ist es eben mit Kurzgeschichtenbänden: nicht alles gefällt gleichermaßen. Am meisten mochte ich die Geschichte vom Vampir und dem Monster ohne Augen im Wald, das mit dem blinden Mädchen zusammenlebt (letzte Geschichte).
„My Pretty Policeman“ Niyama (KAZÉ Manga)
Mit My Pretty Policeman hat sich KAZÉ Manga eine Boys-Love-Lizenz geschnappt, auf die ich mich schon gefreut habe. Der wird in drei Bänden erscheinen, wovon zwei bereits veröffentlicht wurden. Warum die Freude? Weil der Manga echt Spaß macht. Ähnlich Akamatsu & Seven pflegt My Pretty Policeman einen coolen Humor, nimmt sich nicht zu ernst, spricht das offensichtliche an und vermeidet seltsame Genremuster. Hier gelingt die Tonalität sogar noch besser, da der Jugendsprech in Akamatsu & Seven manchmal doch etwas künstlich klang. Wir verfolgen in My Pretty Policeman den Ladenbesitzer Seiji, der das Gefühl hat als ob das Leben an ihm vorbeizieht. Laden läuft so-so, mit den Frauen läuft’s nicht, … Sein Bekannter Shin ist Polizist und beide kennen sich von früher, als Seiji selber noch Polizist war und den jüngeren Shin regelmäßig davor bewahren wollte Unsinn zu machen. Als Seiji Shin gegenüber mehr aus Scherz erwähnt, dass er es wohl mal mit Männern probieren sollte, weil es mit den Frauen nicht klappt, lässt Shin die Bombe platzen. Er würde ihn schon seit zehn Jahren lieben. Und er schiebt noch einen stürmischen Kuss hinterher.
Wie damit umgehen? Seiji ist gelinde gesagt überfordert. Er fühlt sich zu alt für Shin und weiß nicht wie ernst er seine eigene Aussage nimmt es mit Männern zu probieren. Wie ernst meint es überhaupt Shin? Der ist einige Jahre jünger und obwohl nun selber Polizist, sieht Seiji immer noch den mürrischen Jugendlichen vor sich, der Probleme magnetisch anzuziehen schien. Wie beide damit umgehen ist sehr schön zu lesen. Zum Einen sehr humorvoll, da Seiji sowieso kein Blatt vor den Mund nimmt und das relative späte Auskundschaften sexueller Vorlieben mit einigermaßen viel Blödsinn kommentiert. Es ist zum Schreien komisch und daher unheimlich angenehm zu lesen. 🙂 Shin hingegen ist wortkarg und nicht allzu freigiebig mit seinen Emotionen – meistens. Sehr cool zu lesen wie sich die Beiden annähern und mal Themen in die Gleichung bringen, die ansonsten offenbar im Romance Spektrum nicht so beliebt sind. Beispielsweise Alter(sunterschiede) und Schwabbelbäuche. Fans hübscher BL-Charaktere müssen aber auch nicht weinen, das Character Design und Artwork allgemein ist sehr schön. Altersempfehlungen sind ausgesprochen aufgrund expliziter Inhalte.
Obwohl mit „A Man and his Cat“ gut gefallen hat, weiß ich noch nicht, ob ich die Reihe weiterlese. Nun mit ein, zwei Wochen Abstand zum Lesen frage ich mich schon „was kann da noch kommen“ und „finde ich das spannend genug?“ Das ist schließlich nochmal ein ganz anderes Thema als die Rührung und unterschwellige Komik. Ich bin noch unentschlossen. „My Pretty Policeman“ habe ich sogar schon weitergelesen, hebe mir das aber für den nächsten „ausgelesen“-Beitrag auf. „Love on the Other Side“ hingegen hat einfach genau die richtige Länge und braucht keine Fortsetzung, weil es schon genügend Geschichten bietet. So viel auf so wenig Seiten zu erzählen wie es Kurzgeschichten demonstrieren ist halt schon eine ganz bestimmte und oft unterschätzte Liga. Würde Nagabe allerdings noch mehr dieser schönen morbiden, rührenden Geschichten nachschieben, würde ich zugreifen. Kennt ihr stimmungstechnisch ähnliche Geschichten? „Das fremde Mädchen“ und „Clover“ drängen sich mir bei der Frage auf, vielleicht kennt ihr noch mehr?
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂
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