Sieben Besprechungen für sieben Bücher, cool. Aber geht das auch in kurz und ohne Spoiler, damit man weiß, ob man „Der Dunkle Turm“ lesen oder lieber bleiben lassen soll!? Challenge accepted. In dieser Zusammenfassung versuche ich in sieben kurzen Absätzen sieben Fragen zu beantworten, die man sich wohl stellt, wenn man in Erwägung zieht den Weg zum Dunklen Turm zu beschreiten. Natürlich ohne Spoiler.
„Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste, und der Revolvermann folgte ihm.“
Worum geht es beim Dunklen Turm? Müsste man es in einem Wort beschreiben, dann würde die Wahl wohl auf Schicksal fallen. Zumindest ist es das, worauf der Protagonist der Reihe, der Revolvermann Roland Deschain, all sein Handeln und die Geschehnisse in der Welt zurückführt. Schicksal ist ein guter Sündenbock, Schicksal führt aber vielleicht auch zusammen, was zusammen gehört. Alles geschieht aus einem Grund. Roland ist ein Revolvermann, der letzte einer aussterbenden Zunft. Seine Heimat Mittwelt ist im Begriff stückweise ausgelöscht zu werden. Er sieht darin die Taten des Zauberers Walther, den er zeitweise auch nur den Mann in Schwarz nennt. Er will den dunklen Turm zerstören, was nicht nur Mittwelt ins sichere Chaos und Verderben stürzen würde. Da alle Welten miteinander verbunden und der Turm quasi in deren Zentrum steht, fallen mit dem Turm auch alle anderen Welten. Während Mittwelt aber durch die Angriffe auf den Turm immer dünnhäutiger wird, vermischen sich die Welten und es ist klar, dass Roland nicht nur Hilfe aus Mittwelt braucht, um alle zu retten. Um also seinem Schicksal, Ka wie es in Mittwelt heißt, zu folgen, bekommt er Mitstreiter:innen aus anderen Welten. Unter anderem den telepathisch begabten Jungen Jake aus New York, den Ex-Junky Eddie, die auf einen Rollstuhl angewiesen BIPoC Susannah.
„Did-a-chick? Dud-a-chum? Dad-a-cham? Ded-a-check? Dod-a-chock?“
Woher kam die Inspiration für den Dunklen Turm und wieviele Teile hat die Reihe? Stephen King gibt als Inspiration Robert Brownings Gedicht Herr Roland kam zum finsteren Turm an. Einige Elemente davon kann man auch aus dem Roman herauslesen. Des Weiteren hat ihn wohl der Western Zwei glorreiche Halunken beeinflusst. In Roland Deschain findet sich wohl ein wenig Clint Eastwood wieder. Auch Elemente einiger Erzählungen wie die Artussage findet man im Dunklen Turm sowie Einflüsse aus Science-Fiction und Popkultur. Weil es Spaß macht die während des Lesens zu entdecken, verzichte ich darauf sie aufzuzählen. So ist die Dunkler Turm-Reihe ein Genremix, der in keine Schublade passt, irgendwo zwischen Fantasy, Science-Fiction und Western. Davon abgesehen bezeichnet King den Dunklen Turm als seinen Magnus Opus. Diese Eindrücke schmiedete Stephen King über zwanzig Jahre zu einer Oktologie, d.h. zu einer achtbändigen Reihe. Der erste Teil erschien 1982 in den USA, der siebte und letzte Teil der Hauptreihe 2004. Teile eins bis sieben machen quasi den Hauptteil aus, während ein weiterer Band namens Wind folgte. Außerdem gibt es eine Kurzgeschichten, die mit den Geschehnissen direkt verbunden ist. Wo sich hier nun verschiedene Welten treffen, hat Stephen King auch im Dunklen Turm sein Multiversum zusammengeführt. Dass er ein Multiversum kreiert hat, ist schon klar, wenn man weiß, dass viele Bücher in beispielsweise Derry spielen oder Charaktere in mehreren Büchern Kings auftreten. Im Dunklen Turm allerdings laufen viele Ereignisse anderer Bücher zusammen – und Charaktere.
Das nachfolgende Video enthält Spoiler darüber, welche Figuren mit der Dunkler Turm Reihe verbunden sind
UNDERSTANDING THE „DARK TOWER“ UNIVERSE (in seven minutes!), James Van Fleet, Youtube
„Ich ziele nicht mit der Hand; wer mit der Hand zielt, hat das Angesicht seines Vaters vergessen. Ich ziele mit dem Auge.“
Worum geht es in den einzelnen Bänden? Im ersten Band Schwarz lernen wir Roland kennen und bekommen einen Eindruck von seinem schicksalhaften Pfad zum Dunklen Turm. Wir erfahren wie schnell andere Menschen in den Kampf gezogen und geopfert werden, aber auch wie derb und haltlos Mittwelt ist. Roland gerät zu Beginn des zweiten Bandes (namens Drei) in eine missliche Lage und ist schwer verletzt. Zeitgleich erfüllt sich eine wichtige Prophezeiung, durch die er Mitstreiter:innen gewinnt. Bis dahin dachte Roland vielleicht, dass er unverwundbar ist und alles allein stemmen kann. Aber die Situation, die Prophezeiung und sein Bereuen vergangener Taten sorgen dafür, dass er sich für den Gedanken öffnet wieder Teil eines Ka-Tet, einer Schicksalsgemeinschaft, zu sein. Sozusagen sein Schicksal zu teilen. Im dritten Band tot. versucht er seine Gruppe zu Revolvermänner und -frauen auszubilden, damit sie gemeinsam Mittwelt gewachsen sind. Dabei tappen sie in Fallen, missliche Lagen und lernen die verschiedenen Gesichter von Mittwelt kennen. Im vierten Band Glas erzählt Roland rückblickend wie er zu einem Revolvermann wurde und welche Geschehnisse ihn maßgeblich geprägt haben. Nachdem die Gruppe ihre Reise fortsetzen kann, werden sie in Wolfsmond das erste Mal von einer Gemeinde angeheuert ihnen beizustehen gegen eine Horde, die in regelmäßigen Abständen ihre Kinder entführt. Währenddessen bricht sich aber auch etwas innerhalb des Ka-Tets Bahn und sorgt dafür, dass sie getrennt werden. Im sechsten Band (Susannah) versuchen sie wieder zueinander finden, wobei sie mehr oder weniger gewollt auf verschiedene Welten verstreut werden. Im siebten Band (Der Turm) begeht das Ka-Tet die letzten Etappen auf dem windunsgreichen Weg zum Dunklen Turm.
„Wie lange sind wir hier, Roland?“
Wieso habe ich fünf Jahre für die Reihe gebraucht? Das liegt nicht so sehr an der Reihe, sondern wahrscheinlich daran, dass ich nicht die geborene Reihenleserin bin. Bei Comics und Manga witzigerweise schon, aber nicht bei Belletristik. Vor Allem fällt mir das schwer, wenn mir nicht alle Bücher einer Reihe gleichermaßen gefallen oder wenn sie in Qualität, Ton und Genre sehr unterschiedlich sind. Da sich die einzelnen Bände stimmungstechnisch sehr unterscheiden, war das prädistiniert um mir Probleme zu machen. Es gibt Teile der Reihe, die ich gut fand und welche die ich schlicht ablehne und nach denen ich sogar am liebsten abgebrochen hätte. Müsste ich die Bücher von gut bis schlecht einsortieren, dann würde das ungefähr so aussehen tot. (für mich bester Teil der Reihe, 3.) – Der Turm (7.) – Wolfsmond (5.) – Drei (2.) – Schwarz (1.) – Susannah (6.) – Glas (4., hat am wenigsten gefallen). Manchmal hatte ich direkt Lust weiterzulesen, wenn mir die Reihe gerade Spaß machte (so wie nach dem Lesen des dritten Bandes), manchmal hatte ich so die Nase voll davon, dass ich ein Jahr keine Motivation hatte weiterzulesen wie nach dem vierten Band Glas. Dass ich trotzdem weiterlesen konnte lag v.A. daran, dass ich Besprechungen zu den Teilen verbloggt habe, die mir halfen mein Gedächtnis aufzufrischen.
„Er fühlte sich neunzehn“
Welche Tipps gibt es für diejenigen mutigen Revolvervolken, die in Erwägung ziehen die Reihe zu lesen? 1. Hör nicht nach dem ersten Band auf. Das volle Potential entfaltet die Reihe erst im dritten Band. 2. Lass dich von nichts und niemandem spoilern, es sei denn Spoiler beeinträchtigen deine Motivation nicht. 😉 Ich wurde viel(!) gespoilert, was für mich ein Problem war und mir manchmal Lust zum weiterlesen nahm. Denn 3. es ist wichtig nicht zuviel Zeit zwischen dem Lesen der Bände vergehen zu lassen. Sonst verschwimmen einige Fakten und Dinge entgehen einem. 4. Denk vorher darüber nach, welche Version bzw. Übersetzung du lesen möchtest. Ich habe die deutsche Übersetzung von Wulf Bergner gelesen, die sicherlich ein Mammutwerk für sich ist. Schließlich ist es ebenso eine Oktologie für den Übersetzenden wie es für den Autor ist. Trotzdem gibt es einige Übersetzungen mit denen ich im Nachhinein gesehen nicht ganz einverstanden bin. So war ich beispielsweise entsetzt von der Wahl des Begriffs „Mindere“ für geistig behinderte Personen in Buch 5 Wolfsmond, nur um dann im Gespräch mit Marc zu erfahren, dass im englischen Original wohl der Begriff roont (offenbar im Buch eine Mundart von „ruined“) benutzt wird. Ähnlich ist es mit Worten wie „flitzen“ für eine Art zwischen den Welten zu wechseln, was dem Buch eine ganz andere (komischere) Atmosphäre gibt als ich sie wohl im Original wahrgenommen hätte. 5. und letzter Tipp: verzichte auf den Band „Wind“ wenn dir sieben schon reichen (einige davon sind Tausendseiter). Es ist ein nach dem Ende der Hauptreihe erschienener Teil, der zwischen dem vierten und fünften Buch anzusiedeln ist und wenig zur Haupthandlung beiträgt.
„Zorn ist das nutzloseste aller Gefühle“
Wie lautet das Fazit zur Reihe? Der dunkle Turm ist nicht die zugänglichste Fantasy-Buchreihe, da sie auch gleichzeitig Stephen Kings literarisches Multiversum zusammenlaufen lässt und damit am meisten Spaß macht, wenn man andere Werke Kings gelesen hat oder zumindest Zusammenhänge erkennt. Auch macht es sehr schwierig die Reihe zu verfolgen, weil die Bände sowohl in der Qualität als auch der Stimmung sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Der erste Band hat noch eine recht dürftige, derbe und einfache Sprache und eine sehr zweckdienliche, einseitige Starker-Mann-Attitüde. Wobei die zweite Hälfte schon erkennen lässt, warum die Reihe insgesamt so gut ist und soviele Fans hat. Die darauffolgenden Bände werden besser. Der Dunkle Turm wird nach und nach zu einem Genremix, der begeistert, weil er sovieles vereint, was unvereinbar schien. Die Charaktere wachsen uns ans Herz, die Abenteuer werden spannend und abwechslungsreich. Langsame Mutanten, Balkenbrecher, Roboter mit Agenda oder Rätsel stellende, psychotische Züge. Manchmal sind es keine perfiden Zauberer, die es dem Ka-Tet schwer machen, sondern auch mal Kälte. Es ist ein wilder Ritt. Aber er bleibt vom Tempo her sehr durchwachsen. Mal konzentriert sich King im zweiten Band über lange Etappen auf Eddies „Origin Story“, hat dann deutlich weniger Puste für die von beispielsweise Susannah. Mal lässt er Roland in Band 4 einen überlangen Rückblick erzählen, Glas ist dann nur noch Western und versucht nicht sehr überzeugend die Rolle des Schicksals zu betonen. Gegen Ende der Reihe gelingt es glaubhafter zu machen, dass Schicksal keine Seite hat. Weder gut, noch böse ist. Dass Schicksal und Fiktion so gut zusammengehen, weil sie beide die Kraft haben zu überdauern. Weil beides uns inspiriert. Es ist in Fakt ein Magnum Opus, der holprig startet, einige Täler durchläuft, bei dem man über einiges hinwegsehen muss, der am Ende seines Lebenswerk-Charakters würdig ist.
„Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen“
Für wen ist die Reihe? Vielleicht haben die vorherigen Absätze das schon umrissen. Vor Allem 1. für fantasy-affine Lesende, die 2. mit Werken Stephen Kings vertraut sind. Ansonsten ergeben manche Dinge keinen Sinn oder beginnen zu frustrieren. Beispielsweise einige längere Rückblicke wie in Band 5 Wolfsmond. Oder auch die Veränderungen, die bestimmte Charaktere durchlaufen und deren Rolle in der Reihe. Bestes Beispiel ist hier für mich der Mann in Schwarz bzw. Randall Flagg. Man hat deutlich mehr Spaß, wenn man einiges von Stephen King kennt. Werke, die hier eine prominente Rolle spielen, sind Brennen muss Salem, Schlaflos, Atlantis, The Stand – Das letzte Gefecht. Grundsätzlich kann man das natürlich auch lesen ohne die zu kennen. Ich beispielsweise kannte nur grob ein paar Eckpunkte der Bücher oder wusste manchmal sogar nur, dass es sie gibt. Wenn man die alle nicht kennt, braucht man manchmal etwas Geduld, was mich zum nächsten Punkt bringt. 3. die Reihe ist etwas für resiliente Lesende, die auch mal öde Passagen durchstehen. Und 4. – man muss verzeihen können. Sprachlich und auch planerisch ist das alles sehr durchwachsen. Man spürt, das nicht alle Ideen komplett ausgegoren sind und manche Ansätze des Buches vermutlich erst organisch während des Schreibens entstanden sind. Viele Entscheidungen Stephen Kings sind fragwürdig. Andere genial. Vielleicht ist das die beste Zusammenfassung der Reihe in zwei Sätzen.
Wer hier noch nicht genug hat, findet Besprechungen der Reihe oder der einzelnen Teile bei Marc, bei Sebastian und bei Kathrin. Es gibt bereits eine Verfilmung, die aber für mein Empfinden zuviel der Bücher vorweg nehmen würde, obwohl sie keine sehr werksgetreue Adaption ist. Bald soll es allerdings auch eine Serie geben, die die Chance hat vielleicht einiges anders zu machen. Und wenn du bereits die Reihe gelesen und diesen Beitrag trotzdem bis zu Ende verfolgt hast: wo stimmst du mit mir überein? Wo nicht? Und wieviele der Punkte dieser Checkliste kannst du abhaken: Du liest zu viel Der Dunkle Turm, wenn … 😉
Besprechungen zur „Dunkler Turm“-Reihe im Blog: #1 „Schwarz“ | #2 „Drei“ | #3 „tot.“ | #4 „Glas“ | #5 „Wolfsmond“ | #6 „Susannah“ | #7 „Der Turm“
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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