Neulich im Heimkino … Filmbesprechung zu „Der Dunkle Turm“ + Vergleich zur Literaturvorlage

Was verblüfft mich mehr? Dass irgendwer in Erwägung zog die acht Bücher umfassende Reihe von Stephen King in einen 95-minütigen Film umzusetzen? Oder dass Regisseur Nikolaj Arcel auch bei dem wunderbaren Film Die Königin und der Leibarzt Regie führte? Zwischen dem und „Der Dunkle Turm“ ist ja schon ein kleiner Genre-Sprung. Vermutlich verblüffen mich mehr die acht Bücher in 95 Minuten. Und ja, ich musste eine Weile warten bis ich mich davon mit eigenen Augen überzeugen konnte. Als meine Freunde den 2017 schauten und mich fragten, ob ich mitkomme, sagte ich schweren Herzens mit dem Satz ab „Ich wollte ja noch die Bücher lesen“. Nachdem das nun getan ist, konnte ich auch den Film nachholen. Die Besprechung ist spoilerfrei.

Der Dunkle Turm

Jake Chambers (Tom Taylor) sieht in seinen Träumen furchtbare Kreaturen, die menschliche Gesichter wie eine Maske tragen. Sie entführen Kinder, die anschließend für den Mann in Schwarz (Matthew McConaughey) einen beänstigenden Auftrag ausführen. Mit der Kraft ihrer Gedanken versuchen sie einen Turm zu stürzen. Der einzige, der sich dem entgegengestellt ist ein Revolvermann, namens Roland (Idris Elba). Die Geschehnisse in den Träumen scheinen sich in Jakes Welt als Katastrophen und Erdbeben zu manifestieren. Die Menschen in seinem Umfeld sind nicht um Interpretationen seiner Träume verlegen, schicken den Jungen in Therapien und alle sind sehr besorgt. Bis eines Tages ein paar dieser Kreaturen mit aufgesetzten Menschengesichtern vor ihm stehen und auch ihn entführen wollen. Jake flieht, findet eine Tür in eine andere Welt und steht bald vor einem sehr realen Roland.

Für Roland sind die Auswirkungen des Turms auf andere Welten ebenso wenig überraschend wie die Existenz der Türen zwischen den Welten oder dass Jake prophetische Träume hat. Allerdings sieht er sich auch nicht als den Helden, der Jake in ihm sieht. Beide schlagen sich als eine Schicksalsgemeinschaft durch. Und das tun sie eigentlich sehr gut. Die Darsteller sind perfekt. Idris Elba verkörpert coolen Revolvermann-Flair und die Tricks sind schon ganz cool anzuschauen. „I do not aim with my hand; he who aims with his hand has forgotten the face of his father. I aim with my eye.“ – das ist halt schon einfach cool und gut umgesetzt wie sich das Beherrschen der Waffe hier auf fast magische Weise überhöht. Die Kostüme sind perfekt. Die Ausstattung ist gut. Die Landschaften und Schauplätze sind gut gewählt. Egal, ob das Haus, in dem Jake die Tür nach Mittwelt entdeckt, oder die staubigen, steinigen oder waldigen Kulissen, die als Rolands Heimat herhalten. Lediglich die Wechsel zwischen den Biotopen kommen recht plötzlich. Während Matthew McConaughey zwar eine gute Figur als Mann in Schwarz abgibt, bekommt er einen Tick zu viel Screentime und wirkt hoffnungslos overpowert. Idris Elba hingegen dürfte etwas unterfordert sein als wortkarger, knurriger Roland wie er hier angelegt ist. Trotzden subd die Zutaten der Verfilmung das, was man sich wünscht. Das was aus der Story geworden ist, hingegen nicht.


THE DARK TOWER – Official Trailer (HD), Sony Pictures Entertainment, Youtube

Im Grunde ist die Prämisse um den Wechsel der Welten nicht neu. Als sich der Spieß umdreht und Roland in das New York der Gegenwart reist, ist auch das „fish out of water“-Muster da und sorgt erwartungsgemäß für comic relief. Begabte Kinder, die verschleppt werden und welche, die nicht für voll genommen werden – wirkt bekannt. Dass Jakes verstorbener Vater gegen ihn verwendet wird und er dadurch eine Parallele mit Roland teilt – das klingt nach Drehbuchautor:innen-Kurs. Dass Roland an seinen Fähigkeiten und seiner Eignung zweifelt und im Laufe der Reise an Selbstvertrauen gewinnt, joar, hmmm, sieht man öfter. Das wirkt alles so bekannt, dass es schon auffällig ist. Tipp am Rande: das ist nicht so bekannt, weil es in den Büchern vorkommt. Leider erfahren wir nie besonders viele Zusammenhänge zwischen dem Mann in Schwarz, dem Turm, den Welten. Es gibt eine Menge Easter Eggs auf andere Werke von Stephen King und auf die Buchreihe, beispielsweise wird die Tet Corporation bei den Einspielern der produzierenden Studios und Firmen mit aufgeführt. Gegen Ende sieht man ein sehr offensichtlich platziertes Graffiti einer Rose, was schon echt nett für Kenner:innen des Buches ist. Aber es mangelt eben an Hintergrund und es wurden bei weitem zuviele Plattitüden als Kitt in die Story gehauen, um das alles zum Halten zu bringen. Auf der Pro-Seite der Argumente: es macht die Geschichte und einige ihrer Motive nachempfindbar für diejenigen, die die acht Bücher nicht lesen wollten. Vor Allem durch den Genremix zwischen Western, Science-Fiction, Horror und Fantasy, den es durchaus umzusetzen weiß.

Der Dunkle Turm (OT: The Dark Tower), USA, 2017, Nikolaj Arcel, 95 min, (5/10)

Sternchen-5

Vergleich zur Literaturvorlage

Zieht eine:r in Erwägung eine Oktologie in eineinhalb Stunden zu erzählen, dann muss man sich sehr sicher damit abfinden, keine sehr genaue Adaption zu bekommen. Vergleichen ist aber sicherlich nicht abstellbar. Ich kann die Buchreihe nun nicht ungelesen machen und würde das auch nicht wollen. Hat schließlich etwas gedauert. 😉 Zu erwarten, dass der Film genauso wie die Bücher sein muss, ist aber ohnehin schon eine verlorene Sache. Für alle Adaptionen. Für eine die acht Bücher in eineinhalb Stunden erzählt sowieso. Ich kann aber nicht garantieren, dass meine Bewertung von fünf Sternen nicht durch meine Kenntnis all der Auslassungen beeinflusst wurde. Was den Vergleich und die Einordnung der Adaption betrifft, kann man oben schon herauslesen, dass einige grundlegende Konflikte und Motive fehlen. Dass es Roland an Selbstvertrauen mangelt ein echter Revolvermann zu sein und Jake ihm das wiedergibt ist nur ein Beispiel davon wie der Film das Buch sehr frei auslegt. Jakes Vaterverlust ist ein ziemlich billig erkauftes Mittel, um ihm eine Parallele zu Roland zu verleihen. Lässt man mal diese Dehnungen des Quellmaterials außer Acht ist der Filma summa summarum immer noch eine sehr stark simplifizierte Variante der Bücher.

Die sage und schreibe vier Drehbuchautoren, die dann auch noch Anmerkungen von Stephen King bekamen, haben schon Gravitas vieler Motive der Buchreihe verstanden. Aber zugunsten der Spieldauer und sicherlich der Machbarkeit eben jede Menge gekappt und manches davon eben auf sehr einfache und zweckdienliche Art und Weise, was die vielen Fanstimmen und Kritikermeinungen zu recht entsprechend abgestraft haben. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass der Film nur aus dem ersten und letzten Band der Reihe besteht, sogar nur aus Teilen des letzten Bandes. Aus den Büchern dazwischen wurden einzelne Motive entliehen, ich denke da vor Allem an die Siedlung in tot. oder auch an Teile des zweiten Bandes. Bücher wie Glas wurden komplett außen vor gelassen, was eine sehr naheliegende Entscheidung ist, da es sich dabei um einen einzigen großen Rückblick handelt. Besonders schmerzhaft dürfte nun sein, dass Eddie, Susannah und Oy fehlen. Die bilden zusammen mit Roland und Jake ein Ka-Tet, d.h. eine Schicksalsgemeinschaft. Streng genommen gehört auch noch eine weitere Person dazu, die aber relativ spät erst auf die Gruppe trifft. Viele auftretende Nebencharaktere erkennt man nur vage oder wenn die Endroll läuft. Schade.

Auch das Grundmotiv der Schicksalhaftigkeit (Ka in den Büchern) ließ man nicht weiter einfließen, was schon recht tragisch ist. Metafiktion fehlt auch. Die paar netten Easter Eggs reißen das nicht raus. Wer das weiß, kann nun recht schnell auf die Verfilmung schauen, zeter und mordio schreien und die mit 0 Punkten abstrafen, weil man ja die eigentliche Essenz außen vor ließ. Das mit der Essenz ist fakt. Wenn man aber Der Dunkle Turm unbedingt in 95 Minuten erzählen muss, ist der Film nicht schlecht, nur eben weitaus belangloser und voller Allgemeinplätze. Ich hätte dann ganz gern nochmal die Ausstattung, die Kostüme, die Darstellenden, die Effekte in einer Adaption, die auch wirklich versucht eine Adaption der Buchreihe zu sein. Es hieß ja mal um 2016 rum (Quelle slashfilm.com), dass es eine Serie mit Elba in der Hauptrolle geben sollte. Dazu kam es offenbar nie. Leider hat Der Dunkle Turm (die Verfilmung) auch nicht die dollsten Kritiken genossen und offenbar einiges an verbrannter Erde zurückgelassen. (Quelle: gamerant.com, 2023) Klar, Nerdrage. Ich würde nicht sagen, dass man den Film meiden muss. Er kann einiges gut, anderes nicht. Worauf man sich aber denke ich wirklich freuen kann ist Flannagans Version des Stoffes, da ich ihm definitiv zutraue auch einige der schwächeren Seiten der Buchreihe auszubügeln. Obwohl ich mir eine Rückkehr von Idris Elba wünsche, teile ich aber auch die Version des Dream Cast von pajiba.com.

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Wie habt ihr den Film wahrgenommen? Triggert der eure Nerdrage? 🙂 Oder seid ihr auch Team „Als Literaturadaption schlecht, als alles andere okay-ish mit Abstrichen“? Gibt es vergleichbar abenteuerliche Adaptionen? Ich meine … acht Bücher in eineinhalb Stunden. ^^ Naja.

2 Antworten

  1. Ich oute mich mal als einer, der Nerdrage betrieben hat (siehe hier: https://lesenmachtgluecklich.wordpress.com/2018/01/12/projekt-dark-tower-dark-tower-filmbesprechung/)

    Um die Quintessenz aus diesem Verriss herauszuholen: Es ist auch losgelöst von den Büchern kein guter Film, da er zu viel in zu kurzer Zeit zu erzählen versucht und dadurch wirklich sehr unrund wirkt.

    Apropos Serie: Es wurde unabhängig von diesem Film und dem Serienprojekt eine Serie von Amazon in Angriff genommen und sogar ein Pilot war schon in Produktion. Leider wurde das Projekt dann im Zuge der Produktion von Die Ringe der Macht eingestampft. Schade, hätte ich diese Serie gerne gesehen, die Band 4 als Zentrum gehabt hätte.

    Vielleicht macht Flanagan ja was aus dem Stoff. Bei ihm könnte es ja wirklich in passenden Händen sein.

  2. […] In meinem Feedreader tauchten im Mai besonders viele Inhalte zu Stephen Kings Büchern auf. Miss Booleana zog beispielsweise den Vergleich zwischen der „Dark Tower“-Reihe und der Verfilmung von Nicolaj Arcel. […]

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