Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „The Creator“

„The Creator“ ist der größte Slap in the face eines Films in 2023. Bis jetzt. Was objektive Bewertung erforderlich macht wie die Besprechung hoffentlich zeigt. Meine Verärgerung formuliere ich darunter. Spoilerfrei.

    THE CREATOR Trailer German Deutsch (2023), KinoCheck, Youtube

    Mit dem Aufkommen menschlich aussehender Androiden mit Künstlicher Intelligenz (und vielleicht Einfühlungsvermögen?) erlebte die Menschheit die technische Revolution. Nachdem aber eine KI angeblich einen Atombombenabwurf auf Los Angeles auslöste, bleibt Chaos, Zerstörung, Verlust und Ungleichgewicht. Die Erdbevölkerung hat sich Jahre später neu sortiert. Während die USA nun KIs komplett ablehnt, nutzen andere Länder und Vereinigungen wie „New Asia“ sie nach wie vor rege. Die USA schickt den Ex-Agenten Joshua (John David Washington) die neuste Wunderwaffe auf dem Gebiet der KI aus New Asia zu bergen und zu zerstören, bevor sie gegen die USA eingesetzt werden kann. Für Joshua wird der Einsatz sehr persönlich und moralisch schwierig, als er in New Asia alte Freunde trifft und sich die „Waffe“ als entwaffnend süßes Androiden-Mädchen Alfie (Madeleine Yuna Voyles) entpuppt. Und jetzt?

    Und jetzt kennen wir bereits den Rest der Geschichte. Eigentlich fing es ja so an, dass eine Freundin fragte, ob wir uns Hollywoods neuste Interpretation von KI ansehen wollen. Wir mögen beide Sci-Fi, wir haben beide einen MINT-Job, wir finden es beide höchst eigentümlich wie KI dargestellt und verwendet wird. Trotzdem war mein erster Gedanke „Oh, Gareth Edwards neuer Film!“ Die Vorfreude auf Edwards innovatives Storytelling war aber schnell dahin, denn es ist wirklich alles unheimlich vorhersehbar und unheimlich nicht Edwards. Schon beim Trailer. Da ist man anfangs noch eher überrascht, dass es einen relativ politischen Aufschlag gibt, der den weiteren Ton des Films setzt, aber das ist auch alles. Alle Plattitüden von Popcornkino-Handlungsbögen werden aufgefahren. Vom anfangs störrischen und von der Vergangenheit gebeutelten Joshua, der durch Alfie aufweicht und seine Mission in Frage stellt bis hin zum (vorhersehbaren) Twist und Tränenzieher-Ende. Das könnte zumindest ans Herz gehen, wenn sich nicht so viele Fragezeichen auftun würden.

    Warum hat „New Asia“ so gar keine Probleme damit, dass die USA ständig irgendwelche Dörfer zerlegen und in die Luft jagen, in denen Androiden hausen? Und damit zahlreiche Zivilisten und ihre Lebensgrundlage vernichtet? Ist das nicht eigentlich eine politische Aggression?? Humanitärer Ernstfall??? Was schickt New Asia??? Ah ja. Ein paar Polizisten. Ferner: warum wird KI hier nur als humanoide Roboter dargestellt? KI ist auch der Algorithmus, der in dem Film Systeme fernsteuert oder Bilderkennung ausführt. Wieso kann anfangs eine Technologie aus bestimmten Gründen nur 5 Minuten funktionieren gegen Ende des Films aber offenbar unbegrenzt? Es ist so schon schwierig bei Filmen, Unterhaltung und Fiktion die Logikkeule auszupacken und verdirbt einem (oder anderen) den Spaß. Aber der Film ist einfach Quark, der wegen des coolen Looks und der emotionalen Storyline über vieles hinwegtäuscht, was ich da oben aufgelistet habe.

    Und da packe ich noch nicht mal meinen Unmut über das Vermischen aus Künstlicher Intelligenz wie sie heute definiert wird (Algorithmen die auf Statistik fußen), wie sie früher definiert wurde (bewusstes, fühlendes, künstliches Bewusstsein) und Robotik/Androiden aus. Den das wird hier alles in einen Topf geschmissen. Was immerhin unter dem Strich bleibt, ist eine Story, die wenig echten technischen Sachverstand hat, aber den auch nicht braucht. The Creator erzählt wie viele Filme davor (und die noch kommen werden) eine Geschichte von Akzeptanz. Oder viel mehr dem Mangel davon. Es ist meine einzige (narrative) Lieblingsszene in dem Film, in der ein Androide sich entscheidet Menschenleben zu schützen und sich zu opfern – etwas was die vulgär einmarschierenden amerikanischen Truppen nicht ansatzweise wahrnehmen oder verstehen.

    Warum hat der Film dann so viele Punkte, wenn er solcher Quark ist? Wegen der Botschaft um Akzeptanz und wegen des Looks. The Creator ist in einen unheimlich feinen, modernen und doch nostalgischen, manchmal an Solarpunk erinnernden Look gegossen. Von dem amerikanischen Waffensystem und seinem „Abtasten“ der Landschaft, das super futuristisch wirkt bis hin zu den schneckenförmigen Roboterhochburgen/Tempeln in asiatischen Hochgebirgen. Der Look kam mir allerdings schon in der ersten Minute sehr bekannt vor. Er gleicht von Anfang bis Ende, von Androide bis Behausung, sehr stark dem des von mir sehr verehrten Künstlers Simon Stålenhag, den sicherlich viele durch seine Bücher oder die Serie Tales from the Loop kennen. Die Recherche zeigt: anderen ist die Ähnlichkeit auch aufgefallen. Und Stålenhag ist in dem Film gar nicht involviert. Der Look ist aber unverkennbar. Wie kann das sein? Absolut unverschämt.

    The Creator, USA, 2023, Gareth Edwards, 133 min, (5/10)

    Sternchen-5

    Ihr seht mich in Nerdrage und ihr seht, dass die um Objektivität bemühte Bewertung eines Films nicht zwingend mit der gefühlten einhergehen muss. Ich habe da oben den Film bewertet wie gesehen, aber gefühlt möchte ich ihm -10 Sterne geben, weil ich als Zuschauende beleidigt bin, dass mir soviel bekannter Käse aufgetischt wird. So offensichtlich Simon Stålenhag kopiert wurde und weil er über KI ein verdrehtes Bild vermittelt und keinen Deut Leistung bietet die zu erklären. Ich weiß gar nicht, warum es einen solchen Film gibt und warum Gareth Edwards hier Regie führt. Wie habt ihr den Film wahrgenommen?

    3 Antworten

    1. Interessant, wie so ein Film wirkt, wenn jemand mit einem anderen, wissenden Background ihn schaut. Mir sind deine angeführten Dinge nicht explizit aufgefallen, dafür eher die vielen Genre-Versatzstücke, die Edwards in den Film einbaut. So was wie Vietnamkriegsfilm oder auch die diversen Star Wars Anleihen (da hat er ja Erfahrung). Ich fand den Film im Endeffekt recht unterhaltsam und hab insbesondere die Performance der jungen Hauptdarstellerin genossen. Die hat wirklich Spaß gemacht.

      1. Avatar von Miss Booleana
        Miss Booleana

        Oh vielen lieben Dank!
        Ich meine … wie du schon sagst, fallen ja alleine die Versatzstücke schon stark auf. Man merkt so oder so, dass das jetzt nicht der große Wurf ist. Ob man dann den Finger drauf legen kann, ist dann eben die Frage. Es wird eigentlich noch schauriger. Neulich habe ich in der … Zeit(? glaube ich?) einen Beitrag darüber gelesen, dass für den Trailer und die Special Effects darin Szenen aus der furchtbaren Chemie-Explosion in Beirut verwendet wurden. Ach. Mensch ey.

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