7ème art: Murder Mystery

Wo es nun inzwischen abends früh dunkel wird, die Temperaturen zum frösteln bringen, passt ein bisschen Gänsehaut doch ins Bild, oder? Ich liebe Murder Mystery Filme wegen der Möglichkeit mitzuraten. was ein gutes Murder Mystery sein will, hat aber schwierige Aufgaben zu bewältigen. Die Handlung muss kohärent sein, nicht zu viele Hinweise geben, aber auch nicht zu wenige. Manche halten entscheidende Hinweise zurück, um uns am Ende einen Twist zu bescheren. Welche Formel geht besser auf? Heute also: sieben Filme, die uns mitraten lassen: war’s der Gärtner?

Das Fenster zum Hof

Der Journalist und Fotograf L. B. „Jeff“ Jefferies (James Stewart) ist es sonst gewöhnt in der Welt umherzureisen. Durch einen Beinbruch ist er nun an seine Wohnung gefesselt. Die einzigen Lichtblicke in der Langeweile: die Besuche seiner Liebe Lisa Carol Fremont (Grace Kelly) und die Nachbarn durch das Fenster zum Hof zu beobachten. Da ist beispielsweise die Dame, die kein Glück in der Liebe hat (Judith Evelyn) oder auch ein junges Ehepaar, anfangs glücklich, später … naja. Wohin ist aber plötzlich die bettlägerige Ehefrau seines Nachbarn Lars Thorwald (Raymond Burr) verschwunden? Und ist es ein Zufall, dass Thorwald kofferweise Kram aus seiner Wohnung schafft? Jeff ist sich sicher, dass hier ein Verbrechen begangen wurde. Allerdings glaubt ihm niemand.

Das Fenster zum Hof ist wohl einer von Hitchcocks bekanntesten Filmen und das Motiv des zweifelhaften Zeugen von da an bekannt und oft kopiert. Hitchcock adaptierte hier einen Roman Cornell Woolrichs und verlieh dem Film den extra Kniff, dass wir die Perspektive Jeffs annehmen und tatsächlich alle Nachbarn und das Treiben im Hof komplett nur durch Jeffs Fernglas und aus Jeffs Wohnung aus betrachten. Es wurde das für damals größte Set angefertigt, das sowohl Jeffs Wohnung als auch die Front der gegenüberliegenden Balkone beinhaltet. Zusätzlich ist es schon eine Meisterleistung all das zu orchestrieren. Schließlich müssen die zig Schauspieler:innen, die Jeffs Nachbarn spielen, zeitgleich ihren Tätigkeiten nachgehen, während Jeff sie beobachtet. Aus heutiger Sicht funktioniert das alles immer noch großartig, wirkt aber eben auch ein kleines bisschen künstlich-statisch durch die immergleichen Einstellungen mit denen man auf das Geschehen schaut. Trotzdem wird der Innenhof ein kleiner Subkosmos, der fast so erscheint wie vielleicht auch wir (versehentlich oder weniger versehentlich) dem Leben unserer Nachbarn beiwohnen. So oder so: ein faszinierendes Murder Mystery, in dem man immerhin lange nicht weiß, ob es einen Mord gegeben hat oder nicht.

Das Fenster zum Hof (OT: Rear Window), USA, 1954, Alfred Hitchcock, 112 min, (8/10)

Sternchen-8
Rear Window Official Trailer #1 – James Stewart, Grace Kelly Movie (1954) HD, Rotten Tomatoes Classic Trailers, Youtube

Mord im Spiegel

Wenn der Film mit einem Saxophon-Intro die Beschaulichkeit einer englischen Kleinstadt einfängt, dann fehlt nur noch ein Tee und die Abgründe hinter dem Gartenzaun für ein perfektes, britisches Murder Mystery? In der Heimat von Jane Marple (Angela Lansbury) soll ein Historienfilm gedreht werden, weswegen sich einige bekannte Hollywoodstars dort niedergelassen haben. Besonders die Anwesenheit der Diva Marina Gregg-Rudd (Elizabeth Taylor) sorgt für Aufregung. Während eines Empfangs im Haus Marinas stirbt überraschend Heather Babcock (Maureen Bennett), ein Fan des Hollywoodstars. Diagnose: Mord. Sie wurde vergiftet. Der Cocktail, den sie kurz zuvor trank, war eigentlich für Marina bestimmt. Es entspinnt sich ein Rätselraten um den Mörder, der auch Miss Marples Neffen Dermot Craddock (Edward Fox), Inspektor bei Scotland Yard, nicht loslässt. War es der Ehemann Marinas (Rock Hudson), der offensichtlich eine Affäre mit der Assistentin hat? Oder die Schauspielgröße Lola Brewster (Kim Novak), die Marina nicht ausstehen kann?

Mord im Spiegel führt uns schon einigermaßen an der Nase herum. Spiegel sucht man hier vergebens. Viel mehr ist der Originaltitel ein Vers eines Gedichts von Tennyson, das nur im Originaltitel zitiert wird: The Mirror Crack’d. Metaphorisch macht das Sinn, denn die Schauspieler:innen versuchen stets das Gesicht vor der Öffentlichkeit zu wahren. Das Alleinstellungsmerkmal des Films unter anderen Murder Mysterys ist aber wohl, dass Marple den Fall in Abwesenheit löst. Sie verstaucht sich früh im Film den Fuß und muss wortwörtlich zuhause bleiben und heilen. Stattdessen lässt sie sich alles haarklein erzählen, quetscht die Leute aus, die bei ihr Hausbesuch machen, usw. Das ist irgendwie charmant und eine faszinierende Idee. Aber auch etwas hanebüchen.

So richtig klickt es nicht, warum der Film nicht ein bisschen mehr den menschlichen Makel einbezieht. Es hätten nur zwei Personen andere Interpretationen der Ereignisse wiedergeben müssen und Miss Marple stünde vor dem Rätsel der menschlichen Wahrnehmung und würde wahrscheinlich gar nichts lösen, sondern falschen Fährten nachgehen. So lebt der Film viel von dem Flair des Stardoms, von Fluch und Segen berühmt zu sein und ist dafür wirklich passend besetzt. Elizabeth Taylor und Rock Hudson formen die dramatischen Momente des Films perfekt – und das Star-Flair! Angela Lansbury tritt in die Fußstapfen der ikonischen Margaret Rutherford. Mit ihren witty remarks kann sie die zwar ausfüllen, aber aufgrund des Settings nicht vollends glänzen. Dass übrigens Agatha Christie den Fall auf den realen Begebenheiten um die Schauspielerin Gene Tierney aufbaute, ist dann schon wieder faszinierend, hat aber wenig mit dem schlussendlichen Film zutun.

Mord im Spiegel (OT: The Mirror Crack’d), UK, 1980, Guy Hamilton, 105 min, (5/10)

Sternchen-5

Alle Mörder sind schon da

Im Original heißt der Film Clue und ist die Adaption des Brettspiels, das hierzulande Cluedo heißt. 1985 wurde der Film vielleicht nicht übermäßig gemocht und Kritiken waren nicht gut zu ihm, aber er gewann offenbar unter Fans von Murder Mysterys Kultstatus. Dabei hat geholfen, dass der Film drei verschiedene mögliche Aufklärungen hatte, die zufällig auf Kinos verteilt wurden. Schaut man den Film heute, dann sind natürlich die drei Enden auf Disc und im Stream nur einen Klick entfernt. Im Stream sieht man die beispielsweise alle hintereinander. „Auch so könnte es sich abgespielt haben“. Trotzdem witzig.

Clue (1985) ORIGINAL TRAILER [HD 1080p], HD Retro Trailers, Youtube

Worum geht es aber? Ganz klassisch wird eine Handvoll Fremde auf ein Anwesen eingeladen. Der Butler (Tim Curry) instruiert sie, sich nur mit Pseudonymen wie „Mrs. White“ anzureden (schöner Hinweis auf Cluedo 😀). Warum sie da sind, gibt keiner preis. Nachdem es aber die erste Leiche gibt, werden Fragen gestellt. Sie alle wurden vom Gastgeber erpresst – also haben sie auch alle ein Motiv und jeder könnte der Mörder oder die Mörderin sein!? Alle Mörder sind schon da funktioniert auch heute noch herrlich als Murder-Mystery-Persiflage und gewinnt eben gerade durch die Nostalgie des Anwesens, der eingekleideten und sich sehr ominös verhaltenden Gäste. Vielleicht zündet je nach Zuschauenden auch mal nur jeder dritte Gag, es ist eben ein fast vierzig Jahre alter Film, aber mindestens Tim Currys Darstellung des Butlers wirkt.

Alle Mörder sind schon da (OT: Clue: The Movie), USA, 1985, Jonathan Lynn, 94 min, (8/10)

Sternchen-8

Mystic River

Als Kinder waren die Freunde Jimmy, Sean und Dave untrennbar. Zumindest bis etwas passierte. Dave stieg in den Wagen eines Fremden, sie ließen es zu und als er wiederkam, war er nie wieder derselbe. Als Erwachsene wohnen sie teilweise noch in derselben Gegend Bostons, aber haben sich wenig zu sagen. Jimmy (Sean Penn) betreibt einen Kiosk. Eines Tages verschwindet seine älteste Tochter. Während Sean (Kevin Bacon) der ermittelnde Detective ist, wird Dave (Tim Robbins) bald zum Verdächtigen in dem, was sich als Mord entpuppt.

Oftmals wird im Film die Frage gestellt wie anders die Leben der Drei gelaufen wären, wenn Jimmy oder Sean anstatt Dave in das Auto gestiegen wäre. Was etwas verwundert ist, dass nie eine Schuldfrage gestellt wird. Was hätten die anderen Jungs tun können, um zu verhindern, dass Dave entführt und misshandelt wird? Vielleicht muss man die Frage auch nicht stellen, da beispielsweise Sean offenkundig Polizist geworden ist. Zwar herrscht hier für mich eine Lücke, die nie ganz erkundet wird, aber der Rest ist meisterlich verzahnt – lediglich etwas länglich. Die Parallelen zwischen den Kindern von damals und den Kindern heute, die in der Gegend aufwachsen, werden gegen Ende des Films meisterlich gezogen. Wie viel hält Freundschaft stand? Dafür hat der Film eine ernüchternde Botschaft.

Mystic River, USA, 2003, Clint Eastwood, 138 min, (8/10)

Sternchen-8
Mystic River – Theatrical Trailer, Warner Bros., Youtube

Knives Out – Mord ist Familiensache

Der schwer reiche Schriftsteller Harlan Thrombey (Christopher Plummer) wird eines Morgens tot in seinem Büro aufgefunden. Das Durchschneiden der Kehle – ein unerwartet blutiger Selbstmord. Das zieht polizeiliche Ermittlungen nach sich. Dann taucht auch noch der gefeierte Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) auf, der anonym beauftragt wurde. Nach und nach wird klar, dass jeder der Familienangehörigen ein großes Interesse daran hat zu erben. Egal ob die Tochter und Unternehmerin Linda (Jamie Lee Curtis) oder der verwöhnte Enkel Ransom (Chris Evans). Am besten kannte ihn aber wohl eine, die nicht mit den Thrombeys blutsverwandt ist und die am schwersten unter seinem Tod zu leiden scheint: Marta (Ana de Armas), die verständnisvolle Pflegerin des betagten Harlan. Und Marta hat die Eigenschaft, dass sie nicht lügen kann. Eine interessante Mischung aus Geheimnissen, Ambitionen und Eitelkeiten – wer hat Harlan getötet?

Daniel Craigs Benoit Blanc ist der Hauptcharakter des Films, aber gegen Anfang angenehm zurückgenommen. So angenehm, dass man meinen könnte, dass Marta die Protagonistin wäre. Als Emporkömmling illegaler Einwanderer ist sie Ankerpunkt der Handlung und hat am meisten zu verlieren. Sollte Harlan sie in seinem Testament berücksichtigt haben, dann ist sie auch noch das, was man als einen Aufsteiger bezeichnet. Und wir lieben doch Aufsteiger-Geschichten, oder? Die Eitelkeiten der zankenden Verwandten, die aufrechte, nicht reiche Marta und der verplante Detektiv, der wirres Zeug über Donuts redet – das macht einfach Spaß. Der Whodunit-Faktor bleibt auch nicht aus, auch wenn uns Teile der Auflösung schon relativ früh präsentiert werden. Rian Johnson umgeht das smart mit einigen Twists, die man nicht hat kommen sehen, die aber auch wenig Raum zum mitraten lassen. Eine dankbare Abwechslung und Formel, die Knives Out zu wirklich gutem Unterhaltungskino macht. Die letzte Szene ist Gold!

Knives Out – Mord ist Familiensache (OT: Knives Out), USA, 2019, Rian Johnson, 132 min, (8/10)

Sternchen-8
Murder Mystery | Offizieller Trailer | Netflix, Youtube

Murder Mystery

Man kann sicherlich argumentieren, dass der Film um das Mordfälle lösende Ehepaar Audrey (Jennifer Aniston) und Nick Spitz (Adam Sandler) eher in die Werkschau zu Genrefilmsatire gehört, aber andererseits: wie kann ich in der Werkschau „Murder Mystery“ einen Film auslassen, der „Murder Mystery“ heißt!? 😉 Die beiden gönnen sich nach vielen Jahren die lang ersehnte Europareise und können ihr Glück kaum fassen als sie ein reicher Typ (Luke Evans) fragt, ob sie mit ihm auf einer Yacht eine Party crashen wollen. Natürlich wollen sie! Jemand wird umgebracht und prompt sind die Friseurin und der Streifenpolizist Verdächtige, die um ihre Weste reinzuwaschen, den Fall kurzerhand selber lösen wollen.

Bonus: Dany Boon als französischer Ermittler und prominente Drehorte wie den Comer See gibt’s oben drauf. Ganz sympathisch ist auch, dass es eben eine begeisterte Krimileserin (Aniston) und ein Cop (Sandler) sind, der gern Detective wäre, die den Fall lösen und keine hochnäsigen Detektive. Das wäre dann auch das Gute am Film. Der Rest ist unheimlich viel Geplapper von Aniston/Sandler, das einem je nach Zuschauenden schon nach 5 Minuten auf den Keks geht. Die Lösung des Falls ist voller Murder-Mystery-Plattitüden und die meisten Darsteller:innen sind irgendwie drüber. Ist eben eine Happy Madison Produktion von Adam Sandler. Man weiß, worauf man sich einlässt.

Murder Mystery, USA, 2019, Kyle Newacheck, 97 min, (4/10)

Sternchen-4

Bodies Bodies Bodies

Sophie (Amandla Stenberg) bringt das erste Mal ihre neue Flamme Bee (Marija Bakalowa) zu einem Treffen mit ihren Freunden anlässlich einer Hurricane Party. Wobei sie den Begriff sehr frei auslegen. Als das Unwetter über sie hereinbricht, fließt der Alkohol, werden die Drogen umher gereicht und Gefühle kochen hoch. Im einen Moment spielen die Beiden noch mit dem überspannten und reichen David (Pete Davidson), Sophies Ex Jordan (Myha’la Herrold), Podcasterin Alice (Rachel Sennott) und deren neuem Freund Greg (Lee Pace) und den anderen Bodies Bodies Bodies (quasi Werwolf) – dann gibt es wirklich eine Leiche.

Halina Reijns Bodies Bodies Bodies ist quasi der Generation Z-Take eines Murder Mystery. Alle Charaktere sind politisch, sich öffentlicher Debatten bewusst, aber auch ein Stück selbstdarstellerisch. Daher wird aus ihrem Beziehungsgeflecht und der Ausnahmesituation mit Mörder:innen eingesperrt zu sein eine explosive Mischung, die schnell eskaliert. So ziemlich jeder Vorwurf wird ausgesprochen, ein bisschen Hysterie und Psychopharmaka oben drauf gestreut. Ob man die Darstellung von Gen Z in dem Film gut findet, wird sicherlich so viele Meinungen fördern wie es Menschen gibt. Sehr gelungen fand ich aber die Satire auf Selbstdarstellertum und Klasse. Dabei werden schon alle Phrasen aus Social Media gerissen, die man so kennt. („I can’t believe you’re making this about you“) Freundschaft reicht hier ganz offensichtlich nur solange, solange sie instagrammable ist. Bodies Bodies Bodies ist auch Drama Drama Drama. Aber es ist gut! Marija Bakalowa kommt als Bee hier schon in eine sehr auf TikTok und gewisse Substanzen eingeschossene Gruppe, echtes Kontrastprogramm. Gerade das hätte für mich mehr im Vordergrund stehen können, um Privilegien mehr den Spiegel vorzuhalten. In Summe ist Bodies Bodies Bodies aber eine gute Krimisatire und Krimikomödie, die übrigens tatsächlich sehr gut zum Mörder raten einlädt.

Bodies Bodies Bodies, USA, 2022, Halina Reijn, 95 min, (7/10)

Sternchen-7
Bodies Bodies Bodies | Official Trailer HD | A24, Youtube

Schon witzig, dass dieselbe Textzeile in zwei Filmen vorkommt, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Sowohl Jennifer Aniston und Adam Sandler diskutieren in „Murder Mystery“ das Geld, Liebe und Hass (bzw. Rache) die typischen Motive für Mord sind. Das tun auch Kevin Bacon und Laurence Fishburne in dem wesentlich ernsteren „Mystic River“. 😅 Was ist euer Lieblings-Murder-Mystery? Was übrigens aus meiner Sicht alle Filme da oben ganz wunderbar beherrschen ist, dass sie mit der Auflösung überraschen. Welches Murder Mystery funktioniert leider gar nicht für euch?

„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.

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