Dass ich „Fellow Travelers“ auf meine Liste der besten Serien in 2023 setze, obwohl ich die letzten beiden Episoden noch nicht gesehen hatte, sollte ein Zeichen sein. Die Serie hat mich mitten ins emotionale Zentrum getroffen. Es ist ein Politthriller und Drama, handelt von Intrigen, Demagogen und dem Kampf der queeren Community und von BIPoC um Anerkennung und Gleichberechtigung zu Zeiten von McCarthy, AIDS & Harvey Milk. Die Serie hat mich wütend gemacht, aufatmen lassen und zum Weinen gebracht. Spoilerfreie Review.
1952 arbeitet Hawkins „Hawk“ Fuller (Matt Bomer) im Außenministerium in Washington, D.C. und beobachtet den Politrummel. Er ist homosexuell und keineswegs zölibatär zu einer Zeit als es in den USA strafbar war und zudem in der Ära McCarthy verfolgt wurde. Hawk ist daher besonders vorsichtig. Noch aus seinen Kriegserlebnissen heraus hält er sich für metaphorisch „kugelsicher“ – und arbeitet aktiv daran es zu bleiben. Keine Bekanntschaft bleibt. Lernt nicht mal seinen Namen. Bis er den idealistischen Tim Laughlin (Jonathan Bailey) kennenlernt, den er „Skippy“ nennt. Eigentlich will er sich mit niemandem länger einlassen, nicht Teil von McCarthys Verfolgung und Schauprozessen werden. Aber mit Tim ist es anders und er verschafft ihm eine Stelle im Umfeld McCarthys (Chris Bauer). Ihre Wege kreuzen sich immer wieder – ein Leben lang.
Im Laufe dieses Lebens wird tatsächlich gegen sie der Vorwurf erhoben wider dem (damaligen) Gesetz zu handeln. Es erscheint aus heutiger Sicht unfassbar, dass Menschen damals irgendwem Rechenschaft darüber ablegen mussten mit wem sie zusammen sind. Dass Unterwäscheschubladen durchwühlt wurden und man sich erklären musste, wenn man ein Doppelbett hat. Man versteht, woher das Scare in Red Scare und Lavender Scare kommt. Es gibt eine Szene, in der eine Frau Ziel der Verfolgung wird, weil sie nicht mit einem Arbeitskollegen ausgehen wollte und der nun annahm, dass sie ja wohl offensichtlich lesbisch sein muss und sie anschwärzt. Wen das alles noch nicht wütend macht, wird schockiert sein über McCarthy als Person, seine Prozesse und insbesondere die Rolle Roy Cohns. Viele Details darüber waren mir nicht klar – besonders wie scheinheilig das alles ist angesichts des Umstands, dass die Verfolger eventuell selber schwul waren und ohne mit der Wimper zu zucken Menschen Verfolgung aussetzen, Hass und Misstrauen säen.
Für Hawk und Tim bedeutet es sich zu verstecken. Was bleibt ist die Karriere zu verfolgen? Wann brechen Tims idealistische Ansichten durch? Und hat Hawk überhaupt welche zwischen Überlebensinstinkt und Höhenflügen? Auch lässt die Serie nicht die Belange von Personen aus, die intersektional diskriminiert werden. Sie handelt auch von dem schwulen und schwarzen Journalisten Marcus (Jelani Alladin), der verbergen muss, mit wem er schläft und wen er liebt, aber nicht verbergen kann oder will, dass er schwarz ist. Er beginnt Frankie (Noah J. Ricketts) zu daten, Drag Queen und später Sozialarbeiter.
Sowohl eine thriller-esque Genre-Geschichte zu erzählen als auch Repräsentation zu betreiben ist ein Spagat, der in der Vergangenheit nicht vielen Serien gelang. Zu häufig bedeutete eine queere Geschichte zu erzählen in Romcoms abzudriften. Hier ist aber sowohl Geschichte (narrativ und historisch), als auch queer drin. Auch wie der Politrummel funktioniert, wie Beweise in unscheinbaren Manila-Umschlägen rumgereicht werden und wie schnell man erpressbar wurde. Der Scare bildet sich ab. Dabei scheut sich die Serie nicht die Beziehungen auch abzubilden und explizite (nicht pornografische wohlgemerkt) Szenen zu zeigen. Fellow Travelers nimmt in jeglicher Hinsicht kein Blatt vor den Mund und ist damit nur konsequent.
Nicht ganz so konsequent ist es in der Darstellung anderer Personen des LGBTQ+ Spektrums. Erin Neufer spielt Mary, eine Sekretärin in Hawks Büro, die lesbisch ist. Ihre Geschichte wird nicht unter den Tisch fallen gelassen, aber ab einem gewissen Punkt widmet man sich ihr auch nicht mehr im Detail. Es ist denke ich fair zu sagen, dass sich eine Serie nicht aller Schicksale annehmen kann, aber stellvertretend für sie sprechen kann? Es ist auch nachfühlbar, dass Fellow Travelers ein angemessenes Maß findet wie es zumindest viele Schicksale abbildet. Beispielsweise gemessen an Lucy (Allison Williams), Hawks späterer Ehefrau.
Fellow Travelers ist eine Serie Ron Nyswaner, der u.a. für Philadelphia bekannt ist und das gleichnamige Buch Thomas Mallons adaptiert. Und das tut es als erstklassige Historienserie (wenn sie sich auch der jüngeren Vergangenheit widmet anders als es der Begriff vermuten lässt), zudem als Politthriller und empathischer Zeitstrahl mehrerer Beziehungen, die gefühlt immer wieder eine Ohrfeige bekommen, sich immer wieder aufrappeln müssen und deren Liebe einen gefühlt lebenslangen Kampf aushalten muss. Jedes Mal wenn sich nach Jahren der Trennung wieder die Wege Hawks und Tims kreuzen, dann ist das für Zuschauende wie auch sichtlich für die Charaktere, die Bomer und Bailey zum Leben erwecken ein Lichtblick. Und hat uns der Verlauf der Geschichte schon gespoilert, ob es ein Happy End geben kann? (9/10)
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Mir blieb teilweise echt der Atem weg als ich die unheimliche Dreistigkeit McCarthys, Cohns, etc. in der Serie vor Augen geführt bekam. „Fellow Travelers“ – unbedingt schauen. Oder habt ihr sie eventuell schon gesehen und wie war euer Eindruck? Nicht ganz verschweigen will ich, dass das Casting Matt Bomers und Jonathan Baileys für Aufregung unter Fans gesorgt hat. Man erlaube mir zu sagen: zu recht. Wo der um Objektivität bemühte Teil geschrieben ist, sei daher gesagt: die Serie ist stellenweise ziemlich heiß. Und nein, das schmälert nicht die aufrüttelnden Aspekte oder die, die schlauer machen und die richtigen Fragen stellen.
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