Seoultember 2024 – Woche 1-2 („Alienoid“, „Bin-Jip“ & „Along with the Gods: The Two Worlds“)

Das Leben war Anfang September besonders aufregend und für den „Seoultember“ erstmal keine Zeit. 🤔 Immerhin hat sich das dann gegeben und ich konnte starten! Daher gibt es heute gleich drei Reviews.

Alienoid

Es ist nicht ganz abwegig sich zu fragen, was man da gesehen hat. In Alienoid erfahren wir direkt zu Beginn, dass Aliens einer fremden Zivilisation ihre Häftlinge in menschliche Körper einschließen. Das ist insofern effektiv, dass die Aliens in der Erd-Atmosphäre ohne „Wirt“ kaum mehr als fünf Minuten überleben. Tatsächlich sind die menschlichen Körper also Gefängnisse. Wie man sich vorstellen kann, bleibt das aber nicht ohne Probleme, denn ab und zu erlangt einer dieser Häftlinge die Kontrolle über den Wirt. In einem solchen Fall treten Guard (Kim Woo-bin) und Thunder (Kim Woo-bin/Kim Dae-myung) auf. Die zwei Cyborgs sind quasi die Gefängniswärter und sollen sicherstellen, dass niemand zu Schaden kommt. Bei einem ihrer Einsätze bleibt aber ein Baby zurück, dass sie (obwohl geteilter Meinung darüber) bei sich aufnehmen. Ean (Choi Yu-ri, Rollenname auch „Yi-an“) wächst damit auf, dass ihr „Vater“ ein Geheimnis verbirgt. Und was hat das alles mit taoistischen Schamanen zutun, die irgendwann im Korea der Goryeo-Ära (um 1300) nach einer göttlichen Klinge suchen? Viel, denn durch die Zeit reisen können Guard und Thunder auch. Huh.

Ja man ist ein bisschen sprachlos angesichts all der Themen, Zeitebenen und Motive, die hier vermengt werden. Zeitreise, Aliens, Schusswaffen und zaubernde Taoisten. Aber das ist auch offenbar die Faszination von Alienoid: wenn man denkt man hätte schon alles gesehen … . Das funktioniert auch überraschend gut für den wilden Mix. Schade nur, dass „der Elefant im Raum“ kaum adressiert wird, denn besonders moralisch ist das alles ja nicht sich in das Leben einer fremden Zivilisation einzumischen. Natürlich kommt es wie es kommen muss: die Aliens von ausbrechen und die Erde ihr Eigen machen: big time! Auch das CGI ist Hit und Miss. Gelingt es meistens recht gut (insbesondere bei den Passagen in der Gegenwart), tun die im alten Korea spielenden Effekte schon manchmal weh. Trotz Allem unterhält Alienoid, verknüpft seine losen Fäden am Ende des ersten Teils doch sehr gut und macht neugierig auf den zweiten Teil.

Alienoid (OT: 외계+인 1부), Südkorea, 2022, Choi Dong-hoon, 142 min, (6/10)

Sternchen-6
ALIENOID Trailer German Deutsch (2023) Exklusiv, KinoCheck, Youtube

Bin-Jip

Der Titel des Films bedeutet „Leere Häuser“ und ist tatsächlich mein erster des bereits verstorbenen Regisseurs Kim Ki-duk. Der Titel drängt sich auf, denn unser Protagonist Tae-suk (Lee Hyun-kyoon) bezieht eben solche, während ihre eigentlichen Bewohner:innen im Urlaub oder auf Dienstreise sind. Er lebt also den wirklichen Minimalismus: fast ohne alles. Als Dankeschön versucht er ein dienstbarer „Geist“ zu sein und wäscht beispielsweise die Wäsche oder gießt die Blumen. Als er aber in das Haus von Sun-hwa (Lee Seung-yeon) einbricht, wird alles anders. Sie ist nämlich zuhause und offensichtlich ein Opfer häuslicher Gewalt.

Bin-Jip – International Trailer, The Trailer Archives, Youtube

Wer jetzt ein düsteres Rachedrama erwartet, ist im falschen Film. Bin-Jip ist mehr ein stilles Drama und das wortwörtlich. Tae-suk und Sun-hwa werden zu einer Schicksalsgemeinschaft. Er versucht ihr auszuhelfen und sie aus ihrer Lage zu befreien. Bei ihrem gemeinsamen Roadtrip durch leere Häuser wechseln sie kein Wort, was Bin-Jip über lange Strecken zu einem universell verständlichen Film macht. Vieles von dem, was beide empfinden, ist wohl auch nicht in Worte zu fassen. Wir wissen zwar nicht viel über Tae-suk, sehen aber die Blicke, die Sun-hwa zu Fotos aus ihrem früheren Leben vor der Heirat wirft, sprechen Bände. Mehr und mehr wird aber auch klar, dass selbst gut gemeinte Taten nicht ganz ohne Folgen bleiben. Eine Person von ihnen beiden wird zum Geist werden müssen, während die andere wieder auf der Bildfläche auftauchen muss. Es ist ein zweifelhaftes Glück, aber am Ende ein selbst gewähltes. Ich bin nicht mit allen Botschaften von Bin-Jip einverstanden und auch die Auflösung am Ende ist poetisch, aber erscheint nicht besonders nachhaltig. Trotzdem ist es ein Film zum „nachfühlen“, der seine Wirkung nicht verfehlt und wohl länger nachhallt als die beiden anderen hier im Beitrag.

Bin-Jip (OT: 빈집), Südkorea, 2004, Kim Ki-duk, 90 min, (8/10)

Sternchen-8

Along with the Gods: The Two Worlds

Das muss man erstmal verdauen: zwar konnte Feuerwehrmann Kim Ja-hong (Cha Tae-hyun) während eines Einsatzes ein Mädchen retten, stirbt aber dabei. Er kommt ins Jenseits und wird dort einerseits wegen seiner Selbstlosigkeit als „Vorbild“ gefeiert. Andererseits muss er wie alle Verblichenen innerhalb von 49 Tagen sieben Prozesse durchlaufen, in denen seine Taten zu Lebzeiten erörtert werden. Dabei stehen ihm drei Verteidiger zur Seite (Ha Jung-woo, Kim Hyang-gi, Ju Ji-hoon). Wird ihm in diesen Prozessen etwas zu Lasten gelegt, kann er verurteilt werden und muss dort eine Strafe in der jeweiligen Hölle ableisten. Wird er für unschuldig erklärt, wird er wiedergeboren. Während seine Verteidiger das für einen einfachen Job halten, er sei ja schließlich ein „Vorbild“, hat Ja-hong selber Zweifel.

Along with the Gods basiert auf einem koreanischen Webtoon und ist tatsächlich der dritterfolgreichste Kinofilm in Südkorea – all-time. Die Prämisse ja auch sehr spannend. Was ist es denn, was Ja-hong in den verschiedenen Höllen (die des Mordes, der Gewalt, etc.) vorgeworfen werden kann und ist was dran? Das resultiert meist in reichlich Melodrama um seine Familiengeschichte gespickt mit wahnsinnig viel CGI, um das Jenseits und die jeweiligen Höllen darzustellen. Das sieht auch echt episch aus, kann einem aber auch schnell zu viel werden, zu überfrachtet wirken.

Vor Allem wenn dann das Geschehen um seine Hinterbliebenen in der Gegenwart Auswirkungen auf seine Reise im Jenseits hat, müssen seine Verteidiger aktiv werden. Dann mutiert der Film zu einem CGI-Actionreißer, aber auch zu einer passablen Geistergeschichte. Es ist viel und damit stellenweise auch einen Tick zu überladen, zu bombastisch, zu melodramatisch, zu repetitiv und musterhaft. Am Anfang hat der Film allerdings auch eine charmante Note von Reflektion, die Zuschauende dazu bringt sich zu fragen: hatten meine Taten schon Mal Konsequenzen, durch die jemand zu Schaden gekommen ist? Außerdem hat der Film in seinem großen Cast und einige große Stars in kleineren Rollen aufzuweisen (Lee Jung-jae 😊). Natürlich gibt es schon eine Fortsetzung und es sind noch mehrere geplant …

Along with the Gods: The Two Worlds (OT: 신과함께: 죄와 벌), Südkorea, 2017, Kim Yong-hwa, 140 min, (6/10)

Sternchen-6
Along With the Gods: The Two Worlds Trailer #2 (2017) | Movieclips Indie, Youtube

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Ankündigung

Header image photo credit: Valery Rabchenyuk at Unsplash

Ja, alle Filme waren recht unterhaltsam, aber wenn ich es mir nicht vorgenommen hätte, würde ich „Alienoid 2“ vielleicht nicht schauen und „Along with the Gods“ werde ich vermutlich auch nicht weiterverfolgen. Andererseits kommt der Seoultember scheinbar so oder so zu einem vorzeitigen Ende. Zwei der Filme, die ich mir vorgenommen habe, sind inzwischen nicht mehr im Stream verfügbar. 🕳 So langsam bekomme ich den Eindruck, dass ich mich einfach durch Ma Dong-seoks Filmografie schauen sollte. Da hätte ich wenigstens eine Garantie die Mehrheit der Filme auch tatsächlich sehen zu können.

Eine Antwort

  1. Alienoid war im Kino schon eine ziemliche Reiz-Überflutung 😀 Der erste Teil hatte mir etwas besser gefallen als der zweite, aber vielleicht ist es besser, wenn weniger Zeit zwischen der Sichtung der beiden Teile liegt.

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