Das war es nun! Wir haben es geschafft, alle Staffeln geschaut und ich habe sie im Blog besprochen. 😁 Fehlt aber noch ein Fazit, oder? Mir fiel übrigens erst während des Rewatches auf, dass Lost ein Jubiläum feiert: Zwanzig Jahre seit Lost Staffel 1! Daran erklärt sich wahrscheinlich auch, dass die Serie plötzlich auf vielen Streamingplattformen gelandet ist, wo doch jahrelange gähnende Leere auf der Suche nach der Serie um die mysteriöse Insel herrschte. 🏝 Hier geht es nun an die großen Fragen, die nicht spoilerfrei diskutiert werden können: gefiel mir „Lost“ mitsamt Finale im Rewatch immer noch?
Falls ihr nochmal nachlesen wollt, was in den einzelnen Staffeln passierte:
Übersicht der Reviews zum „Lost“-Rewatch: Season 1 | Season 2 | Season 3 | Season 4 | Season 5 | Season 6
Ja und – gefällt mir „Lost“ noch?
Die kurze Antwort: ja. Es gibt zwar Staffeln, die mir weniger gefallen haben (vorrangig Staffeln 2 und 4) und welche, die mir besser gefielen (Staffeln 1 und 5), aber Lost hat mir immer noch Spaß gemacht. Auch das Finale hat seinen Reiz für mich nicht verloren. Ich mochte es vorher, ich mag es immer noch und ich weiß, dass viele es nicht mögen – aber immer noch nicht so richtig warum nicht. Wie das eben so bei Rewatches ist, habe ich manchen Wendungen, Höhepunkten und Momenten entgegengesehnt und war etwas genervt, wenn sich Durststrecken eben jener ankündigten. Das große Pro-Argument für Lost ist, dass die Charaktere eine große Vielfalt bieten und man sich derer schon immer bewusst war. Außerdem ist die Serie wirklich gut gealtert und auch nach zwanzig Jahren(!) noch sehr gut anzuschauen mit wenigen Cringe-Momenten wegen schlechtem CGI.
Contra: Lost hatte seit jeher zu viele Ambitionen in punkto deepen the mystery und ein Zeit-Problem. Und damit meine ich nicht die Zeitsprünge. Immer wieder wurden Gruppen eingeführt, deren Motivation unklar ist, um die Handlung vermeintlich aufzublähen und für Spannung (oder Verunsicherung) zu sorgen. Eine Formel, die bis in die letzte Staffel getrieben wurde und nur leidlich aufging. Auflösungen zogen sich in die Länge und sorgten eher dafür, dass Zuschauende absprangen. Das ist auch etwas, dass mich als Teenager durchaus weniger genervt hat, aber ein Muster von TV-Serien, was ich mit voranschreitendem Alter immer weniger leiden kann. Es wirkt wie Zeitverschwendung und ist letzten Endes nicht so smartes Storytelling, sondern nur eine wirtschaftliche Entscheidung.
Was wohl auch zu erwarten war: dass ich bei Weitem nicht mehr alle Charaktere so gut ab kann. Beim ersten Mal schauen mochte ich quasi alle. Jetzt im Rewatch ging mir Kate und die Dreiecksbeziehung zu Jack und Sawyer irgendwann heftig auf den Keks. Und das war bei uns allen Dreien so! 😂 Auch das ewige Herumreiten auf manchen Plot Points wie Charlies Drogenabhängigkeit hat mich irgendwann genervt. Mein Zeitempfinden beim Schauen ist anders und ich weniger tolerant für Wiederholungen von Dilemmas geworden. Das ist mir schon bei anderen Rewatches aufgefallen. So ergibt sich ein auf die Staffeln gesehen durchwachsenes, aber überwiegend positives Bild von Lost mit Bewertungen zwischen 6 und 9 von 10 Sternchen.
Im Zwiegespräch, oder: Serien gucken mit Leuten
Ich erwähnte oben „bei uns Dreien“. Mein Mann hat Lost das erste Mal geschaut und eine Freundin habe ich auch mit dem Lost-Fieber angesteckt. Wir hatten alle Drei etwas unterschiedliche Einstellungen zur Serie und was Spaß gemacht hat: konnten die immer schön ausdiskutieren. Hat sich angefühlt wie damals als man nach Ausstrahlung von Lost im Free-TV (nix Streaming vor zwanzig Jahren!) immer die neuesten Theorien ausgepackt hat. 😁 Es hat mich daran erinnert wie witzig es ist gemeinsam Serien zu schauen, aber auch wie gern man Lieblingsserien vor anderen verteidigt. Ein Erlebnis, dass ich fast nur noch „asynchron“ kenne – durch den Austausch im Blog natürlich oder gelegentliches Quatschen mit den Kollegen am Wasserkocher auf Arbeit. Hat Spaß gemacht! Zu den wohl kniffligeren Fragen gehörten für uns die zwei nachfolgenden.
Ist Jacob ein Ar***?
Mein Mann hat Jacob gehasst und ihn als Arsch bezeichnet, weil er aus seiner Sicht beeinflusst hätte, dass all die Menschen auf der Insel landen und leiden. Ich wiederum hatte ja aus meinem ersten Mal Lost-Schauen bereits eine Erklärung für alles das parat, was dort passiert und war eher so drauf wie „Alles passiert aus Gründen“. Aber war meine Vorstellung vielleicht doch romantisiert? Gefärbt von meiner früheren Begeisterung für Lost? Mit dem Gefühl ging ich in die sechste Staffel und muss leider gestehen: er hat Recht.
Jacob hat seine Sache auf eine sehr spezifische Art gemacht und die nicht immer gut. In meiner Erinnerung war es schicksalhaft, dass die Oceanic Leute und so viele andere auf der Insel landeten und dass Jacob und sein Bruder das nicht beeinflusst hätten, aber sie als Beispiel für ihren Disput „Menschen sind gut oder sind sie doch böse?“ nahmen. Aber tatsächlich sind wir irgendwo in einer Grauzone zwischen freiem Willen und Schicksal. Jacob erklärt an einer Stelle (s.u.), dass er durchaus beeinflusst hat, dass die Leute auf der Insel landen und diese nicht so verlassen können wie sie wollen. Im Umkehrschluss lassen dort viele ihr Leben. So hat sich auch meine Sicht auf manch Charakter geändert – u.a. Jacob, den ich als großen Beschützer, Hüter und Saubermann in Erinnerung hatte. Aber wie so oft ist alles viel komplizierter. Ich will Jacob nicht in Schutz nehmen, aber zumindest noch loswerden, dass er sich dessen bewusst ist, dass er nicht nur richtig gehandelt hat.
Funktioniert das Timey-Wimey?
Eine andere Frage, die wir uns häufig gestellt haben ist, ob die Zeitsprünge und das Ende funktionieren. Und ja tut es. Natürlich hielt sich hartnäckig unter Zuschauenden die Vermutung, dass alle die ganze Zeit über tot sind und viele sahen damals das Ende der sechsten Staffel als Bestätigung. Darin wird am Ende klar, dass die „Flash-Sideways“, die man leicht als alternative Zeitlinie annehmen kann, eigentlich im Leben nach dem Tod spielen. Einer Übergangsphase, in der alle Charaktere nach ihrem Leben gemeinsam „voranschreiten“ in was auch immer einen nach dem Tod erwartet. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie von Anfang an tot waren. Es heißt nur, dass durch die Explosion der Bombe am Ende der fünften Staffel eben nichts passiert ist, außer dass Menschen gestorben sind. 😔 Es hat die Ereignisse (Bau des Bunkers, Absturz der Oceanic Airline Maschine, etc.) nicht verändert. Die Serie bleibt sich treu: what happened, happened. ☝
Unberührt davon bleiben die Zeitsprünge in der fünften Staffel. Sponsored by mysterious island hopping around in time and space! Wuuuh, timey-wimey. Entweder man hasst es oder man liebt es. 😉
… und am Ende?
Lost ist für mich immer noch eine sehr gute Serie. Sie mag nicht in allen Punkten mehr mit heutigen Sehgewohnheiten mithalten können. Die Musterhaftigkeit und gestreckten 20-Episoden-Staffeln sind Geschmackssache, enthalten jedenfalls zu viel Füllstoff. Trotzdem sind die Geheimnisse, Charakterentwicklungen und Leitmotive immer noch exzellent.
Denn ja, Lost nimmt sich der ganz großen Themen an in einer Serie, die vordergründig erstmal von ein paar Menschen handelt, die auf einer entlegenen Insel stranden. Darin erörtert Lost den Konflikt von Wissenschaft und Glaube. Man nehme nur den „Man of Faith“ John Locke, der auf der Insel trotz Querschnittslähmung wieder laufen kann und den „Man of Science“ Jack, der sich immer öfter fragen wird, woran er eigentlich glaubt? Ein anderes großes Thema ist Gut vs. Böse. Während das für Jacob und den Mann in Schwarz ein ewiger Disput ist, findet sich das auch anhand vieler Charaktere wieder, die ja nicht zufällig auch auf der Insel landen und dort auf die Probe gestellt werden. Nehmen wir alle mal Kate und Sawyer – was haben sie alles getan, das „böse“ war, aber aus auf irgendeiner Ebene moralisch „guten“ Gründen? Wie wertet man das? Das größere Ganze von Lost ist letzten Endes die Waagschale aus Gut und Böse, die in jedem von uns schlummert, abzubilden. Vor Allem aber ist da ein Gedanke: What happened, happened. Genauso wie es für die Charaktere in der sechsten Staffel im Jenseits heißt voranzuschreiten, hat das auch die Serie bewiesen. Was passiert ist, ist passiert. Jetzt ist die Frage, was wir daraus machen. In Starre verfallen oder auf die für uns bestmögliche Weise weitermachen? Weitermachen.
DVD-Box Review
Obwohl Lost nun anlässlich des Jubiläums auf gleich mehreren Streamingplattformen gelandet ist, habe ich wie schon in der Review zur ersten Staffel erwähnt meine vor zig Jahren gekaufte DVD-Box gemüht. Richtig: DVD-Box, nicht BluRay. Natürlich schaue ich lieber BluRay, aber wenn eine DVD-Box im Haus ist, ist die halt nun mal da. Und allzu krass war der Unterschied nicht. Die Box selber könnte wohl noch etwas schöner gestaltet sein, aber ist für den Kaufzeitpunkt (vor knapp zehn Jahren sicherlich!?) okay. Die Gestaltung der Menüführung ist sehr cool und stimmungsvoll und die Extras allererste Sahne. Man kann noch stundenlang in Behind the Scenes, Extra-Mini-Episoden und Gagreels abtauchen.
Ich denke man liest heraus, dass es in Summe für mich sehr lohnenswert war und Spaß gemacht hat der ominösen Insel wieder einen Besuch abzustatten. Anlässlich des Jubiläums von „Lost“ wurde wohl auch die Doku Getting Lost gedreht, die nochmal viele der Darsteller:innen vor die Kamera zerrt und die Dreharbeiten Revue passieren lässt. Ich hoffe, dass die bald irgendwo anschaubar ist. Was sind eure Gefühle zu „Lost“? Gehört ihr zu denen, die das Ende mochten oder habt ihr vielleicht gar nicht bis dahin durchgehalten? Der Post ist Teil des Booleantskalenders. Unter dem Link findet ihr die anderen Adventskalender-Posts hier im Blog. 🎄
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