Neulich im Kino … Review zu „Interstellar“

Das hat mal wieder nach dem Film Stoff zum diskutieren gegeben. Ich weiß nicht wieviele Punkte wir durchgekaut haben – insgesamt ging es für den Film aber ziemlich positiv aus. Dann nach einer Dreiviertelstunde fielen uns bei Cocktails und Bier wieder Fragen ein oder Dinge bei denen wir überlegt haben „Wie hättest du gehandelt?“. Ich würde sagen: das mit dem Film hat funktioniert.

Worum gehts?

Die Zeit für die Menschheit läuft ab. Die Erde ist kein Ort mehr zum leben, sondern lediglich noch zum überleben. Parasiten und die Umwelteinflüsse zerstören Mensch und Natur. Es gibt kaum noch etwas, das angebaut werden kann ohne zu verrotten und die Menschen leiden unter Sandstürmen. Farmer braucht das Land, damit die Menschen etwas zu essen haben. So ist auch der ehemalige Astronaut Cooper (Matthew McConaughey) Farmer wider Willen. Seine Tochter Murphy (Mackenzie Foy) erbt seine Neugier und seinen Mut, sein Sohn (Timothée Chalamet) wird ein Ernährer, ein Farmer. Cooper wird aber mit der Wahrheit konfrontiert, dass die Menschheit ausstirbt. Keine Zukunft für seine Familie und tausende andere. Ein geheimes Raumfahrtprojekt soll sich auf die Suche nach einer „neuen Erde“ begeben – und er soll einer der Piloten sein. Es ist nicht klar, wie lange diese Suche dauern wird. Sie geht über die Grenzen unseres Sonnensystems hinaus. Und es ist nicht klar, was ihm dort begegnet – wird er seine Familie wiedersehen und gibt es eine Zukunft für die Menschheit?

Hintergrund

Wir wissen es ja: er geht auf die Reise. Und hierbei trauen sich die Filmemacher sovielen Theorien Leben einzuhauchen, dass Physiker sicherlich Bauchschmerzen bekommen. Sie sind ganz schön mutig uns Wurmlöcher, schwarze Löcher und fünfdimensionale Räume zu zeigen. Schließlich ist anzunehmen, dass Physikbegeisterte den Film zerreißen. Oder feiern? Der berühmte Physiker Kip Thorne lieferte Theorien und Ansätze und war ausführender Produzent eines Werks, das man auch auf keinen Fall ohne Fachmeinungen realisieren sollte. Ich freue mich ein bisschen, dass sich Nolar das mit Interstellar getraut hat. Ein paar Links zum nachlesen der Ansätze (Vorsicht Spoiler) findet ihr auf Screenrant: Neil deGrasse Tyson on the Film’s Science. (aber: enthält Spoiler. Bem.: Neil deGrasse Tyson hat viele Diskussionen um die Realitätstreue von Gravity angeführt.) Aber ob der Einsatz solcher Theorien jeden so begeistert? Mutig. Ich habe viel entnervtes Stöhnen bei der Darstellung der 5. Dimension gehört.

leichte Spoiler – bitte kommenden Absatz überspringen, falls ihr ganz unbedarft an den Film gehen möchtet

Das Prinzip der Zeitdilatation (als Teilgebiet der Relativitätstheorie) dürfte aber die meisten geschockt und weit in die Kinosessel gedrückt haben. Die besagt, dass für die im All Reisenden und die Menschen auf der Erde die Zeit in einem anderen Verhältnis vergeht. Jahre auf der Erde, sind vielleicht nur Stunden im All. Was der Geschichte eine ganz andere Dynamik gibt, als man anfangs vermutet. Für mich war es nicht der erste Kontakt mit der Theorie. Im Anime „Voices of a Distant Star“ ist das ebenfalls Thema. Kleiner Fakt am Rande … der Anime wurde durch das Ein-Mann-Animestudio Makoto Shinkai produziert.

Fazit

Ich feiere keinen Film nur weil er von Christopher Nolan ist. Aber ich feiere einen Film der mir gefällt. Und auch wenn Nolan in der Vergangenheit dazu neigte überdramatisch zu sein und sein Publikum mit Pathos und gemeinen Endtwists mehr Tiefe vorzugaukeln als vielleicht da war, mochte ich die Mehrzahl seiner Filme. Trotz allem. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich sehe viel Sinn für Perfektion, Liebe zum Kino und zur Technik. Auch Interstellar ist eine Geschichte, bei der ich trotz aller Effekte den Eindruck habe, dass diese Geschichte nicht der Effekte willen erzählt wird. Sondern der Geschichte wegen. Und die hat mich sehr berührt. Durch das Aufgreifen einer komplexen physikalischen Theorie, der Relativität, entstehen soviele Szenarien. Die Geschichte eines Vaters, der für seine Kinder eine gefährliche Reise auf sich nimmt, die ihm möglicherweise soviel raubt. Eine Reise, bei der nicht bekannt ist, wann sie endet. Insbesondere wenn man an das andere Ende des Weltalls denkt. Wie werden sich die Kinder fühlen, wenn ihr Vater nicht zurückkommt? Sie halten ihn evtl. für tot. Was für ein Gedanke muss das für einen Vater sein? Viel in Interstellar wird durch Effekte gemacht, viel davon spielt sich aber in unseren Köpfen ab und ruft Szenarien in uns ab, die eigentlich ganz weit weg und unmöglich erscheinen. Die aber so menschlich v.A. durch Matthew McConaughey und Mackenzie Foy rübergebracht werden, dass auch bei mir kein Auge trocken geblieben ist. Und ich auch bei der einen oder anderen Szene ehrlich schockiert war. So beispielsweise, wenn es um die Hintergründe geht, die andere Charaktere in der Geschichte antreiben.

Das einzige was ich dem Film nicht so ganz abkaufe, ist wie unglücklich kitschig hier Liebe als eine weitere, unsichtbare Dimension die Grenzen der Physik sprengt. Den Gedanken finde ich erstmal sehr gut. Regelrecht … schön. Hätte man aber auch weniger kitschig verpacken können. Ansonsten ist leider die Rolle der großartigen Jessica Chastain etwas klein geraten. Hier und da hätte man den Film sicherlich auch etwas kürzen können. Aber … ich mags trotzdem. So läuft das eben manchmal. Was ich Nolan sehr hoch anrechne, ist sein Gebrauch von Theorien. Sein Erfindergeist. Die Offenheit für Neues, für Wissenschaft. Forschungsthemen sind oftmals ein staubtrockener Garant, um Menschen zu vergraulen. Aber hier ein Game Changer durch die Verbindung mit soviel Menschlichkeit. Ich mag das.

(10/10)

Sternchen-10

Wie hat euch Interstellar gefallen? Oder wie steht ihr allgemein zu Nolans Filmen? Hat sich eurer Meinung nach die viele Vorfreude und das viele Gerede über Interstellar gelohnt? Der Film hatte Überlänge – deutlich. Hab davon gar nichts gemerkt – wie wars bei euch? Apropos Fragen … nur auf eine Frage habe ich bis jetzt keine Antwort gefunden. Wenn es in der entfernten Galaxie keine Sonne gab, warum waren es keine reinen Eisplaneten und warum war es auf ihnen hell? War das das die Strahlung vom schwarzen Loch? Achtet mal drauf. Und sagt mir, was ihr darüber denkt.

28 Antworten

  1. Gestehe gerne, dass mich Nolans Batman-Pathos genervt und die Kälte des brillanten Memento auf Distanz gehalten hat. Inception fand ich beim zweiten Durchblick schon phantastisch, aber Interstellar hat mich glatt weggeblasen. Gleich beim ersten Anschauen.

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      Miss Booleana

      Hm … was Nolans Filme betrifft, war ich wohl einen Tick naiver gestimmt. Anfangs. Sowohl Prestige, als auch die Batman-Filme, als auch Inception hatten mich sofort. Erst beim letzten Batman-Film habe ich die Filme mehr hinterfragt bzw. Nolan mehr hinterfragt und einiges dann im Nachhinein anders gesehen. Vorher habe ich ihn auch etwas gehypt. Bei Interstellar war ich mir anfangs unsicher wie das wird – aber wie du siehst … begeistert. Verfolge nebenbei die Kritik an den Filmen und staune eigentlich, dass ausgerechnet jetzt viele auf den Tisch bringen, dass Nolan „brain but no heart“ bedeutet. Finde eigentlich, dass das ein sehr emotionaler Film ist. Kann auch den Vorwurf des lahmen Drehbuchs nicht so gut nachvollziehen.

      1. Ja, der Hype um Batman ging mir furchtbar auf den Senkel, auch weil ich Helden in Strumpfhosen einfach nicht abkann (es bleibt lächerlicher Kinderkram, egal wie tiefenpsychologisch-bombastisch man es antüncht). Bei Interstellar ist es gerade der Drive von Nolans Erzählkunst, was mich hineinzieht und die (für SF ungewöhnliche) Emotionalität, die mich abheben und schweben lässt wie Major Tom 🙂

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          Miss Booleana

          Au weia – ich als großer Batman-Fan war schon ziemlich glücklich über insbesondere den zweiten. Der erste war okay, mit dem dritten hatte ich schon mehr Probleme. Aber ich mochte es sehr, dass sich mal jemand Mühe gegeben hat, das ganze etwas ernster darzustellen. 😉

  2. Ach, Miss Booleana, ich sehe, wir verstehen uns mal wieder bestens 😉 Ich hatte ja schon Angst, ich wäre der Einzige, der diesen Film wirklich mochte. Ja, ich gestehe auch, die Sache mit der Liebe war ein wenig kitschig, aber irgendwie auch ganz nett.

    „Interstellar“ war mal wieder ein schönes Beispiel, wie Science-Fiction gut funktionieren kann… mit viel Science, aber auch der nötigen Portion Fiction… und da darf dann auch ein wenig kitschiges ruhig mit rein. Ich war sowieso sehr angetan, wie sehr mich der Film an einigen Stellen mitgenommen hat – also gerade auch emotional. Da musste ich ein paar Mal schon schwer schlucken.

    Ich zähle mich jetzt auch nicht zu den Nolan-Jüngern, die alles von ihm gut finden… aber man muss es ihm ja lassen, er hat’s drauf 😉

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      Miss Booleana

      Sieht ganz so aus, ja. 😀 Bin auch etwas verwundert, dass es doch soviele negative Kritiken gibt. Sogar welche, die ich absolut nicht nachvollziehen kann. Darunter sind zum Einen die, die von der Science-Fiction und dem Wissenschaftsgedöhns gelangweilt waren und sich veralbert vorkamen. Ja gut … wenn man nichts für Sci-Fi übrig hat, ist das irgendwie die logische Schlussfolgerung. :-/ Aber den Vorwurf, dass das ein schwaches Drehbuch ist und praktisch gar keine Story – das finde ich ziemlich krass und finde die Leute liegen mit der Aussage total daneben. Wenn sie sagen würden, dass sich die Charaktere nicht weiterentwickeln – tja das ist wahrscheinlich tatsächlich so. Aber … muss dass denn immer sein? Und Story gibts ja nun wirklich. Alleine wenn man das Kopkino anschaltet und sich ausmalt was in den Kindern vorgegangen sein muss, die plötzlich alleine dastehen und sich über soviele Jahre fragen, wo ihr Vater ist. Bin sehr erstaunt über die Meinungen, die man so liest. Der Film spaltet…

      Dein Kommentar wird wohl Kommentar des Monats. 🙂 Finde nämlich auch, dass er es drauf hat und bin schon fast etwas traurig, dass der Film so unterschiedlich aufgefasst wird.

      1. Ja, der Film spaltet tatsächlich… naja, bilden wir halt die Nolan-Front für alle, die „Interstellar“ mochten 😀

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          Miss Booleana

          So und nicht anders 😀

  3. Fand den Film großartig und die Zeit verging wie im Flug, hatte da erst Sorge weil ich gern bei langen Filmen einschlafe… 😀

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      Miss Booleana

      Is ja lustig 😀 – dann ist das ein Qualitätsmerkmal des Films. Krinchen-getestet sozusagen 😉

  4. Interstellar habe ich noch nicht gesehen – ich würde gern, mein Mann war genauso begeistert wie Du, und Science Fiction interessiert mich sowieso. Außerdem bin ich ein großer Fan von sowohl Memento (dem kann man doch auch wirklich nicht vorwerfen, dass er vor allem durch einen Twist am Ende funktioniert) als auch The Prestige. Also: Sobald mir ein Babysitter vor die Füße fällt, bin ich sofort im Kino =)

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      Miss Booleana

      Kann mir auch gut vorstellen, dass dir der Streifen gefällt 🙂 ist ja gerade erst angelaufen, da ergibt sich bestimmt noch eine Möglichkeit den zu schauen. 😀 Und wenn du ihn gesehen hast, musst du mich unbedingt an deinen Gedanken dazu teilhaben lassen, ja? 🙂
      Prestige hat mir auch sehr gefallen!

      1. Wird gemacht 😉

  5. Meine Meinung zum Film kennst du ja. 🙂 Sehr schöne Kritik jedenfalls, der ich – Überraschung – komplett zustimme. Zum Thema ‚Darstellung der fünften Dimension‘ – das Konstrukt war ja ein bewusst 3-dimensionaler Platzhalter, weil 5 Dimensionen in dieser Form eben nicht darzustellen sind. Gerade das hat mir eigentlich sehr gut gefallen.

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      Miss Booleana

      Ja, ich kenn deine Kritik und die hat mir gut gefallen. War übrigens auch sehr froh, dass du erstens erwähnt hast, dass es einen so ziemlich unangekündigten Auftritt eines großen Namen geben wird, aber nicht verraten hast wer 😉 War dann wirklich sehr gespannt XD
      Stimmtm ich kann mich noch lebhaft daran erinnern wie sie das erklärt haben. Meine Formulierung ist oben also wahrscheinlich nicht ganz richtig, mal sehen was ich daraus mache 😀 Danke fürs darauf hinweisen. Finde es auch immer noch sehr gut, was sie daraus gemacht haben. Also aus allem! Die Erklärung über das Wurmloch bzw. schwarze Loch auch.

  6. Eine schöne Kritik, die einmal mehr wunderbar die positiven Aspekte des Films hervorhebt. Ich werde meine Kritik später veröffentlichen — und deine wohl als überaus positive anführen. Ich kann schon einmal so viel verraten: Ich bin auch froh den Film gesehen zu haben 🙂

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      Miss Booleana

      Das freut mich – ich habs immer gerne, wenn die Nachbarn aus der Film-Bloggerlandschaft eine ähnliche Meinung haben 😀

  7. Ich muss gestehen, dass ich über diesen Nolan gar nix weiß, bin halt kein Kinoexperte. Ich habe aber in einigen Rezensionen gelesen, dass es bei der Story doch hapert und dass von der kritischen Botschaft am Schluss nicht mehr viel übrig wäre. Eine Rezension war zugegebenermaßen aus der Zeit, und die ist sicher sehr kritisch 😉 Mal gucken, ob ich es ins Kino schaffe 🙂

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      Miss Booleana

      Die Rezension muss ich mal suchen! Gerade bei denen die meinen, dass die Story hapert, bin ich immer auf die Begründung sehr gespannt. Werde mir das bestimmt noch zu Gemüte führen, danke fürs aufmerksam machen. 🙂 Bin mal gespannt wie du den Film findest, falls du ihn schauen solltest. Also ich kann ihn nur empfehlen und ich glaube du bist Science-Fiction nicht abgeneigt, war das nicht so? 😉

      1. Na klar, bin doch ein alter Trekkie 😉 Gerne, war glaube ich in der Ausgabe vom 6.

  8. Oooh was für eine wundervolle Kritik. Du hast so schon emotional geschrieben, dass ich tatsächlich mit dir mitfühlen konnte und dadurch einen Kleinen Einblick bekommen habe, wie es gewesen wäre, wenn mich der Film begeistert hätte. Vielen Dank dafür. <3 Ich freue mich nun noch mehr auf meine 2t Sichtung … und vielleicht sehe ich den Film dann ein bisschen mehr mit deinen Augen. 🙂

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      Miss Booleana

      Freut mich sehr! Tut gut zu hören, dass der Artikel vielleicht einen kleinen Mehrwert hatte. 😀 Ist denn eine zweite Sichtung bei dir geplant?

      1. Ja die ist auf jeden Fall geplant. Kann die Blu-ray kaum erwarten.

  9. […] Sonde Rosetta und Philae. Das ganze ver­sprüht durch die extrem lange Reise der Sonde ein wenig Inter­stel­lar–Charme. Philae ist der erste Lan­der, der auf einem Kome­ten über­haupt zum lie­gen kam und […]

  10. […] hat die Sonde bis dahin gebraucht. Man. Power of Sci­ence … und man spürt ein biss­chen das Inter­stel­lar–Gefühl. Was für eine immens […]

  11. […] / Infernal Cinematic Affairs (6.5/10) / jacker’s 2 cents (7/10) / Medienjournal (9.5/10) / Miss Booleana (10/10) / Singende Lehrerin (7/10) / Tonight is gonna be a large one […]

  12. Danke für diese Rezension, ich fand den Film ebenfalls klasse, allerdings fand ich den ersten Teil, bei dem es um die Familie ging doch irgendwie hastig erzählt, hattest Du denselben Eindruck?

  13. […] noch keinen Film von Claire Denis gesehen? Warum wird High Life nicht in einem Atemzug mit bspw. Interstellar genannt? Der Film ist fantastisch. Nicht ganz unähnlich zu Interstellar in seinen Grundmotiven und […]

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