Wie ja inzwischen alle regelmäßigen Leser des Blogs gemerkt haben, bin ich ein M. Night Shyamalan Fan. Klar, er hat seine Durchhänger gehabt. Aber meiner Meinung nach wird er zu Unrecht gescholten. Er bringt immer einen Tick des Besonderen, des Abwegigen in seine Filme. Sei es mal Spiritualität, ein krasser Twist oder Bilder, die man so noch nirgends gesehen hat (und ja damit meine ich ‚The Happening‘, denn soviel müssen wir dem Film zugestehen). Was das betrifft ist er für mich ein Vorzeige-Regiesseur mit sehr viel Herzblut. Und ich bin sehr froh, dass er nach The Visit wieder groß finanzierte Projekte bekommt, die die Chance haben einiges einzuspielen und ihm wieder Tür und Tor für größere Projekte öffnen. Und ‚Split‘ sah nun wirklich extrem vielversprechend aus und hat tatsächlich richtig gut eingespielt. Ich gönne es ihm sehr. Und war dementsprechend neugierig! Filmkritik ist spoilerfrei.
„SPLIT Trailer German Deutsch (2017)“, via KinoCheck (Youtube-Channel)
Die Teenager-Mädchen Claire, Marcia und Casey werden entführt. Ihr Entführer gibt sich ihnen zu erkennen, weshalb man schon befürchten muss, dass sie ihr Gefängnis nicht wieder verlassen werden. Sie hausen in einem improvisiert wirkenden Raum. Als sie draußen eine andere Stimme als die des Entführers hören, denken sie an Rettung. Aber die andere Stimme gehört ebenfalls ihrem Entführer. Der von James McAvoy genial gespielte hat eine multiple Persönlichkeitsstörung (auch DIS – Dissoziative Identitätsstörung genannt). Er verfügt über 23 Persönlichkeiten, die alle mal ans Licht dürfen, d.h. an der Reihe sind. Aber einige von ihnen haben die Macht ergriffen und unterdrücken die anderen, um einen grausamen Plan auszuführen.
Genau in dieser Formel liegen auch die Stärken des Films: das bisher noch nie in dieser Form dagewesene Motiv des Entführers, der gleich mehrere Persönlichkeiten hat und diese auch zu erkennen gibt. Und dann ist da noch James McAvoy, der u.a. den kindlichen Hedwig, die stoische Patricia und den Kontroll-Freak Dennis genial spielt. Um nur drei Persönlichkeiten zu nennen. Er ist v.A. gegen Ende im wahrsten Sinne des Wortes eine Naturgewalt in seinem Ausdruck. Er lebt diese Rollen so sehr mit seiner Mimik und seiner Erscheinung, dass man als Zuschauer meint, dass man seinen Schmerz spüren kann. Junge, das ist ein Schauspieler. Der Film hat außerdem die Shyamalansche Note, das bisschen „Mehr“, das was den Rahmen sprengt. Wenn das 23 Persönlichkeiten nicht sowieso schon tun. Er wirft die Theorie auf, dass die Persönlichkeiten vollkommen eigenständig sein können. Das geht soweit, dass sogar ihre Physis anders ist. So ist eine Persönlichkeit tatsächlich Diabetikerin, die anderen nicht. Und es geht noch weiter: dieses Ausmaß an Anpassung der Physis (und Psyche?) geht soweit, dass sie u.a. zu übermenschlichem fähig sind. Ein faszinierender Gedanke, der den Film zu einem spannenden Höhepunkt verhilft und in seiner Konsequenz schockt. Außerdem plädiert er für die Anerkennung von DIS und den diversen Persönlichkeiten als gleichberechtigte Individuen. Die Beziehung zwischen seiner Psychiaterin (gespielt von Betty Buckley) und ihm ist dafür das beste Beispiel und ihre Empathie rührt.
Was der Film aber wenig glaubwürdig und sinnhaft rüberbringt ist die Entführung an sich. Die Mädchen und der ganze Film stecken voller Tropen und typischer Film-Momente, die man schon reichlich satt hat. Um es mal auf den Punkt zu bringen: die Leute verhalten sich dämlich, weil es der Handlung dient, nicht weil es logisch oder menschlich ist. Das merkt man schon in den ersten fünf Minuten, wenn die Mädchen dem Entführer das erste Mal begegnen und scheinbar an nichts böses denken oder vor Angst so gelähmt sind, dass sie einfach nichts tun. Und das ist nur ein Beispiel für höchst-seltsame Verhaltensweisen, die mehr mit Hollywoodfilmen gemein haben als dem echten Leben. Leider gehen diese Szenen soweit, dass sie das Gerüst des Films empfindlich stören. V.A. von Casey (gespielt von Anya Taylor-Joy, bekannt aus The Witch) erwartet man mehr, v.A. wegen der Flashbacks in ihre Kindheit. Ihrem Charakter wird aber doch noch mehr Tiefe zugestanden. Nicht zuletzt durch die starken Metaphern des Films. Es offenbart sich das Bild des gefangenen Tiers, so wie im Falle der multiplen Persönlichkeiten aber auch am Beispiel von Casey. Mehr soll aber an dieser Stelle nicht verraten werden.
Split steckt voller interessanter Ideen und spannender Details. Sei es der Cameo von M. Night Shyamalan, der diesmal einen besonders schönen augenzwinkernden Humor hat. Gegen Ende des Films gibt es noch eine kleine oder größere Offenbarung, die man in Filmfan-Kreisen gerne diskutieren darf und die auf seinen nächsten Film hindeuten. Aber all dieses gute Gesamtpaket bekommt einen gewaltigen Knacks durch die seltsamen Hollywood-Film-Szenarien und -Tropen, die die Ideen des Films irgendwie etwas ad absurdum führen. Alles in Allem aber ein interessanter Film, der definitiv anders wird als man erwartet. Und zum Schluss, weil es so schön passt, schließe ich mit einem meiner Lieblingsgedichte:
Der Panther
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
Split, USA, 2016, M. Night Shyamalan, 118 min, (7/10)
Habt ihr ‚Split‘ gesehen? Und wie hat er euch gefallen? Ist M. Night Shyamalan jetzt eurer Meinung nach zurück? Und was habt ihr für Erwartungen an den angedeuteten und nun offensichtlich auch offiziell angekündigten nächsten Film von Shyamalan? (Spoiler bitte vermeiden oder deutlich und fair kennzeichnen.)
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