Fantastischer Film: Mr Long

Mr Long (Chen Chang) ist ein Auftragskiller. Schnell, effizient, unauffällig. Seine weapon of choice ist ein kurzes Messer. In Taiwan nimmt er den Auftrag an einen japanischen Gangster zu töten, der in der Szene gerade aufsteigt. Scheinbar ist der sich seines Aufstiegskampfes aber bewusst und kann Long abwehren und schwer verletzen. Long kann aber entkommen. Irgendwo in Japan findet ihn der kleine Jun (Run-yin Bai), bringt ihm Essen und Medizin und hängt sich an den wortkargen Fremden. Als der was für Jun und sich kocht, wird die ganze Nachbarschaft auf ihn aufmerksam. Long scheint Talent zu haben. Undzwar ungewöhnlich großes. Ehe er sich versieht, hat er plötzlich viele aufgedrehte Japaner am Hals und einen kleinen Nudelstand. Dabei wollte er eigentlich untertauchen, um nicht von den Gangstern gefunden zu werden.


„MR LONG (2017) by Sabu [Excerpt 2]“, via Richard Lormand (Vimeo)
https://vimeo.com/203042585

Das klingt in der Kurz-Zusammenfassung jetzt nach einem fröhlichen Film á la Léon – Der Profi, ist aber sehr reduziert und zuweilen auch sehr ernst. Mr Longs Vergangenheit wird in wenigen Bildern angedeutet, die schonungslos erscheinen, aber nur eine Vorahnung dessen sind, was kommt, wenn er Juns Mutter (Yi Ti Yao) findet. Sie ist drogenabhängig und er verpasst ihr einen kalten Entzug. Als sie währenddessen ihren Werdegang in Japan revue passieren lässt und auf ihren schlafenden Sohn schaut, entfaltet sich eine Milieustudie, die den Kinosaal verstummen lässt. Wie schnell die junge Frau immer tiefer in einen Strudel aus Drogen und Prostitution geraten ist, geht einem an die Nieren. Yi Ti Yao beweist Mut zur Hässlichkeit in einer hässlichen Geschichte. An ihr demonstriert der Film wie Menschen, wie Frauen, zu einem ‚Ding‘ einem Gegenstand gemacht und benutzt werden. Und Yi Ti Yao zeigt uns die Schönheit dessen, wenn man entkommt und wieder glücklich sein darf. Und diese schonungslose Erzählung spielt Mr Long fast an die Wand, obwohl man sie schon so oder so ähnlich wo anders gesehen hat

Die ernsthafte Nebenhandlung wird von der Situationskomik immer wieder aufgelockert, wenn Mr Long auf die fröhlichen, japanischen Nachbarn trifft. Chen Chang muss dafür gar nicht viel tun, nur ihre liebevoll-spleenigen Ideen mit leicht gereizten Blicken quittieren: zum brüllen komisch. Das ist SABUs wahre Kunst. Er braucht nicht viel um den Film zu machen. Die Kulissen sind scheinbar low cost, aber es ist authentischer als es in irgendeinem anderen Film sein könnte. Und doch sind die Bilder, Blicke und Szenen nicht zufällig. Egal ob es die Eröffnungssequenz ist oder der Blick von Juns Mutter in den Himmel. Es mag alles reduziert sein, aber das macht sich nicht bemerkbar. Mr Long spricht kein Japanisch und versteht es auch nicht. Er redet im ganzen Film kaum. Aber es funktioniert. Sowohl das tragische, traurige, erschütternde, als auch die Spannung und die Komik. Der Film vereint es alles und transportiert trotz des gediegenen Tempos abseits von Hollywood-Spannungskurven soviel mehr zum Zuschauer. Großes Kino.

Mr Long (OT: ミスター・ロン, Mister Long), Japan/China/Taiwan/Deutschland, 2017, SABU, 129 min

Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆

3 Antworten

  1. Der Film hört sich in der Tat fantastisch an, ich finde diese Kategorie wirklich toll! Jetzt muss ich nur herausfinden, wie ich schleunigst diesen Film ansehen kann!

  2. Ich habe von dem Film noch nie gehört, der klingt toll.

  3. Tolle Vorstellung! Mein Interesse ist geweckt 🙂

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