Als ProSieben MAXX mir den großen Gefallen tat den Volleyball-Anime-Hit „Haikyu!!“ als deutsche TV-Erstausstrahlung ins Programm zu nehmen, war ich sofort dabei. Zwar musste ich den Anime aus Terminkonflikt (Ach, dieses real life!) aufnehmen und später anschauen und habe die Serie auch gerade erst zu Ende gesehen, aber sie war wie ihr Ruf großartig und weckt Erinnerungen an die Sport-Anime meiner Kindheit und Jugend, die auch nicht ganz unbeteiligt an meinem Dasein als Anime-Fan sind. Aber Sport-Anime ist nicht gleich Sport-Anime. Was ist die Erfolgsformel? Und warum ist „Haikyu!!“ so gut? Nehmen wir das mal auseinander. Besprechung ist spoilerfrei.
„Haikyu!!“ Staffel 1
„ハイキュー!!“ (Haikyuu!!) heißt übersetzt Volleyball neben dem ebenso geläufigen Begriff バレーボール (Barēbōru). Und von Volleyball sind die Mittelschüler Shōyō Hinata und Tobio Kageyama begeistert, vernarrt, abhängig. Ihre Motivation könnte aber kaum unterschiedlicher sein. Sie sind neu auf der Karasuno-Oberschule und wollen unbedingt in das Volleyballteam der Schule. Während Hinata eher klein und daher nicht unbedingt prädestiniert für den Sport ist, hat er einst im Fernsehen bei der Übertragung eines Spiels den „kleinen Titan“ gesehen, einen ebenso kleinen Spieler wie er, der sensationell ist. So entwickelt sich Hinata und gleicht seine Körpergröße durch die Fähigkeit aus, sehr hoch springen zu können. Aber er war zuvor nur kurz Teil einer Mannschaft und das bisher einzige Spiel verlor er gegen: Kageyama! Nun sind beide auf derselben Schule und wetteifern um die Aufnahme in das Volleyball-Team. Während Hinata eifrig und lebendig, manchmal etwas überwitzig und emotional ist, ist Kageyama eher der kühle, arrogante. Er hat einen Ruf als genialer Zuspieler und war zuvor bereits Teil einer Mannschaft, in der es aber zwischenmenschlich nicht klappte. Jetzt wo beide in einem Team sind, müssen sie sich zusammenraufen.
„Haikyu!! – Clip #01 (dt.)“, via pep anime (Youtube)
Das gelingt anfangs nur so mäßig. Kageyamas strenge und diktatorische Art wurde immerhin schon etwas dadurch gebrochen, dass er in seinem letzten Team damit ordentlich auf die Nase gefallen ist. Als er sieht wie sehr sich Hinata bemüht und eine ähnliche Leidenschaft für den Volleyball bei ihm entdeckt, wird das so nach und nach was. Haikyuu!! beginnt aber erst einmal mit einem herrlichen Gerangel zwischen Hinata und Kageyama und der ersten Hürde: überhaupt in das Team aufgenommen zu werden. Die Komik dieser Episoden hilft ungemein dran zu bleiben, denn die Handlung ist anfangs doch sehr auf Hinatas und Kageyamas Gerangel und ihre Motivation beschränkt. Es ist ein häufiger TV-Trope bei Sport-Anime, dass die Charaktere während des Spiels in einer schier endlosen Zeitlupe ihr halbes Leben reflektieren und über ihre Träume sinnieren, wovon Haikyuu!! anfangs leider auch Gebrauch macht. Es gibt natürlich ein paar Kniffe neben der Komik, die dafür sorgen, dass man dran bleibt. Beispielsweise will man unbedingt wissen, was Kageyama in seiner alten Mannschaft angestellt hat. Der Anfang ist allerdings insgesamt nicht schlecht, aber wer dranbleibt wird umso mehr belohnt, wenn die Mannschaft beginnt Trainingsspiele zu machen und sich später sogar an das Präfektur-Turnier wagt (quasi der „Bundesland“-Ausscheid), in dem alle Erfahrungen, Motivation und Ängste der Spieler (auf beiden Seiten) kumulieren.
„Haikyu!! – Official Trailer“, via Madman (Youtube) – ist aber eigentlich das Opening/Vorspann
Haikyuu!! macht (insbesondere nach dem etwas wankelmütigen Start) alles richtig. Zum Einen hat der Anime eine konstant hohe und gleiche Animationsqualität. Ein Effekt, den man leider nicht immer beobachtet, denn auch in der Animationsbranche (oder vielleicht gerade in der Animationsbranche) wird immer mal wieder Outsourcing betrieben. Szenen mal hier oder mal dort animiert und plötzlich sehen die Charaktere ein wenig anders aus als vorher – hier nicht. Es wird auch kein krasses Recycling der Einstellungen betrieben. Gerade bei einem Sport-Anime ist das wichtig, denn zuviele recycelte Frames und Szenen wirken schon bei weniger dynamischen Themen nicht mehr wertig, geschweige denn bei einem Sport-Anime. Bei Haikyu!! wird also einfach mal alles richtig gemacht. Die schnellen und dynamischen Bewegungen und Szenen sind weniger auf die Spitze getrieben als in der Manga-Vorlage, aber dynamisch genug um den Sport würdig darzustellen. Und nebenbei gesagt sehr cool. Haikyuu!! legt mit der ersten Staffel den Grundstein für kommende Staffeln (und es gibt auch noch zwei weitere und zwei Filme), da sich das Team der Karasuno-Oberschule erstmal wieder nach oben kämpfen muss, nachdem es zuletzt eher Misserfolge erntete. Und Hinata und Kageyama sind mit dabei, bleiben aber nicht unsere einzigen Identifikationspunkte. Fast alle Mitglieder des Teams bekommen eine Geschichte und individuelle Charakterzüge. Es ist beispielsweise ungemein gut zu verstehen wie die Oberschüler der dritten Klassenstufe (in Deutschland äquivalent zu Abiturienten) mit sich ringen, ob es ihre letzten Spiele werden, weil sie sich danach rausnehmen und auf die Abschlussprüfungen konzentrieren, oder ob sie weiter mitmachen. Im Falle von Hinata und Kageyama ist wohl aber am deutlichsten die Entwicklung zu spüren. Damit hat Haikyuu!! alles was ein mitreißender Sport-Anime braucht und endet mit einem Turnier und Finale, das spannender ist als manches echte Match und sogar für eine erste Staffel sehr tief in das Thema Techniken einsteigt und über allseits bekannte Mechaniken wie Handzeichen etc hinaus geht. Wirklich gut!
(9/10)
Sport-Anime ist nicht gleich Sport-Anime
Der eine oder andere fühlt sich bei Sport-Anime in die Kindheit und Jugend zurückversetzt, wo im Nachmittagsprogramm durchaus Fußball-Anime wie Die Kickers oder Tsubasa liefen. Volleyball wurde tatsächlich eine meiner ersten Sportleidenschaften dank Mila Superstar und durch Hikari lernte ich überhaupt erst, dass es Rhythmische Sportgymnastik gibt. Slam Dunk ist einigen als Basketball-Anime bekannt und worum es bei The Prince of Tennis geht, muss ich wohl nicht erklären. Und das sind nur ein paar prominente Vertreter. Sport-Manga und -Anime sind ein Ding für sich und aufgrund ihrer klassischen Aufsteiger-Geschichten eigentlich konstant mitreißend. Sie zentrieren Charaktere, die etwas wollen, einen Traum haben und hart dafür trainieren. So wie wir alle auf die eine oder andere Art, ob es uns nun um Sport geht oder nicht. Solange jemand für etwas brennt, dann treffen Sport-Anime einen Nerv. Und lösen manchmal sogar einen regelrechten Hype aus. Nicht zuletzt aufgrund ihres mitreißenden Charakters. Bei mir war es tatsächlich Volleyball aber letzten Endes war ich nicht gut genug für unsere Volleyball-AG – die blau und grün geschundenen Unterarme von den unzähligen Annahmen waren ein Zeichen der Bemühung, aber letzten Endes war mein Geist (und Körper?) nicht mehr willig. Trotzdem ist die Begeisterung gerade für Volleyball da. Ist das nun Mila Superstar zu verdanken? Welche Sport-Anime trumpfen? Ich würde die These aufstellen, dass aufgrund der oben genannten Merkmale die meisten Sport-Anime das Potential haben zu trumpfen. Aber es gibt auf typische Bilder in Sport-Anime, die die wirklich guten umschiffen.
Leider hat Sport-Anime einige Tropen, also wiederkehrende Muster, die sich nach einer Weile recht schnell abnutzen und vom Zuschauer durchschaut werden können. Das Format der Animation lädt, insbesondere wenn die Zielgruppe Jugendliche sind, zur Übertreibung ein und öffnet Tür und Tor für den einen oder anderen Nonsense, da sich echte Spieltechniken nicht so gut auf Unterhaltungsserien übertragen oder in der Fiktion nicht so spannend aussehen. So hat sicherlich der eine oder andere noch aus Mila Superstar irgendwelche Tornado-ähnlichen Schmetterbälle im Kopf, die kaum anzunehmen waren oder ähnliche Schüsse aus Tsubasa, bei dem Fußball so schnell ist, dass man ihn nicht mehr sieht oder irgendwelche kunstvollen Drehungen hinlegt. Das hat dann mit dem echten Leben (und Physik) nur noch wenig zutun, aber trägt sicherlich zu Spannung bei. Leider bedienen sich einige Sport-Anime dieser Mechanismen. Haikyu! weniger, aber in den Anime der 80er und 90er Jahren war das eigentlich Gang und Gäbe 😉 Vermutlich war das damals „in“. Schon damals sehr seltsam waren allerdings die Dimensionen, mit denen die Hürden gepusht wurden, die unsere Helden überwinden müssen. Beispielsweise die unendlich langen Spielfelder, über die Tsubasa damals mit oder ohne Ball gerannt ist. Ja, ein Spielfeld ist groß, aber man sah teilweise das Ende nicht mehr am Horizont 😉 Tsubasa hat im Gegensatz zu Serien wie den Kickers auch andere Dimensionen überspannt. Wo andere Serien auf Filler-Episoden setzen und irgendwelche zwischengeschobenen halbgaren Story-Arcs erzählen, haben Sport-Anime ein anderes übel, wenn es um die zeitliche Dimension geht. Spiele dauern nämlich gerne mal zehn Episoden oder länger und sind damit manchmal länger als das Spiel im echten Leben wäre. Das hat Vor- und Nachteile. Wenn es gut läuft, wird dabei die Technik erklärt und das innere Dilemma der Charaktere. Bei einem Fußball-Anime sind das 11 Köpfe mit individuellen Gedanken plus Bank plus Trainer etc. Aber man kann den Bogen auch überspannen. Die eben genannten Muster treten fast in jedem Sport-Anime auf, aber es kommt drauf an wie sie gehandhabt werden. Das kann noch sehr natürlich wirken oder hemmungslos übertrieben. Etwas, womit quasi jeder Sport-Anime verliert, sind aber recycelte Cells bzw. wiederverwendete Einstellungen und Szenen, die den Anime gar nicht mehr so dynamisch wirken lassen.
Hier mal ein paar Tipps für Sport-Anime von Ninotaku-TV, auch wenn ich Tsubasa nicht so weit vorn sehe 😉
„Top 10 Sport Anime“, via ninotakutv (Youtube)
Wann Sport-Anime funktioniert
Sport-Anime sind v.A. dann gut, wenn sie individuelle Motivationen und Charakterzüge beschreiben und noch besser, wenn sich unsere Helden entwickeln. Haikyu! meistert das, indem es uns mit Hinata konfrontiert, der ein Flummi auf zwei Beinen ist, viel Motivation hat, aber wenig Spieltechnik. Er entwickelt sich zu jemandem, der das Spiel besser versteht, nachdenkt, bevor er handelt und sich selbst deutlich besser im Griff hat. Kageyama wird von seinem Gegenspieler zu seinem Partner, mit dem zusammen er mehrere starke Angriffe entwickelt. Dafür muss Kageyama sein Ego und seine Arroganz überwinden. Denn – und das ist der zweite Punkt: es ist Team-Sport. Und das bedeutet neben der Entwicklung und Motivation der Einzelnen auch eine ganze Gruppe abzubilden. Auch das gelingt dem Volleyball-Anime sehr gut. Er schafft es zwar leider nicht komplett alle Mitglieder des Vereins tiefergehend zu ergründen, aber er erzählt die Geschichte des Kapitäns, der sich mit seinen letzten Spielen konfrontiert sieht. Die des Ass-Angreifers, der aufgrund jüngster Rückschläge eigentlich aufhören wollte. Die des zweiten Zuspielers, der von Kageyama abgelöst wurde und sich fragen muss, ob er überhaupt nochmal aufgestellt werden wird. Den des Liberos, etc etc etc. Sie alle haben individuelle Geschichten, aus denen der Zuschauer etwas zieht und die Möglichkeit sich mit irgendeinem davon zu identifizieren ist groß. Ähnlich war das bei der großen Charakterfülle von Mila Superstar oder den Kickers. Im Falle von Mila wäre es auch nur auf den Hauptcharakter bezogen fast etwas langweilig, weil Mila quasi keine Charakterschwächen hatte. Ein aufrichtiges Mädchen, das von einer Hürde zur nächsten gerät und diese meistert, jawoll. Das ist schön, aber nicht realistisch. Aber es gab auch andere Charaktere wie Midori, die von einer roboterhaften Ass-Spielerin zu ihrer Freundin wird. Ein Negativ-Beispiel ist leider Tsubasa, der ähnlich wie Mila selten Schwächen hatte und einen durch und durch sympathischen Charakter. Und wenn doch mal etwas nicht klappte, hat es mit ein bisschen Training ja immer geklappt, nicht wahr? Und der Teamsport-Effekt … kann sich eigentlich noch irgendjemand an irgendeinen anderen Charakter aus der Serie Tsubasa erinnern außer Tsubasa?
Apropos Realismus: ich finde eine wichtige Lehre von Sport-Anime ist zu zeigen, dass man weiterkommt, wenn man trainiert und Mühe und Herzblut in eine Sache steckt. Aber es ist wiederum etwas fragwürdig, wenn durch Training allein alles gelingt. So ist das Leben dann nun auch wieder nicht. Es kann gerade im Sport zu Verletzungen kommen oder es tritt ein, was eben passiert: persönliche psychische oder physische Grenzen oder dass das gegnerische Team einfach besser ist. Wir erinnern uns an das Auf und Ab unserer Helden im Eiskunstlauf-Anime Yuri!!! on Ice. Ähnlich steht es um Schicksale im Leben und das Zwischenmenschliche. Selten gibt es im Leben einer Person nur den Sport. Und selbst wenn, hat auch das einen Effekt nach außen. Manga, die das beweisen und darin brillieren sind übrigens der Ballett-Manga Subaru und der Bergsteiger-Manga Gipfel der Götter. Hier zeigt sich auch, dass Sport-Anime und -Manga davon profitieren, wenn sie genreübergreifend sind oder in anderen Worten: sich nicht einordnen lassen. Weder nur Komödie, noch nur Drama. Bei Gewinnen/Verlieren und der Erfüllung der Träume ist eben alles dabei auf der Emotionen-Palette. Wenn Anime einen guten Mix haben, bleibt allen die sie kategorisieren wollen, oftmals keine Wahl außer als Genre „Sport-Anime“ draufzuschreiben 😉 Und was ist Sport? Richtig. Dynamisch. Selbst Denk-Sport wie Schach oder Go. In diesem Extremfall muss man sich natürlich etwas überlegen wie man den Gedankenkrimi visualisiert, der sich da abspielt. Aber beim physischen Sport liegt es in der Natur der Sache, dass der dynamisch animiert sein muss und möglichst wenig recycelte Cells oder Frames hat, weil das doch zu unglaubwürdig wirkt. Da das in der Regel anatomisch anspruchsvoll ist, ziehe ich immer den Hut vor den Mangazeichnern und denen, die den Anime zum Erleben erwecken. Denn das ist der schwierige Stoff.
Offtopic: übrigens lese ich im Originaltitel „ハイキュー!!“ eher „Haikyuu!!“ mit langem u als „Haikyu!!“ so wie der Titel im deutschen Vertrieb zu sein scheint. Etwas merkwürdig. Eine Kritik, die mir bei der Serie v.A. anfangs oft in den Sinn kam, habe ich letzten Endes nicht angebracht. Anfangs gibt es quasi keine Frauen in der Serie, lediglich Kiyoko Shimizu als Managerin des Teams. Ihre Aufgabe ist mir noch nicht ganz klar, genauso wie ihr Charakter, denn sie spricht so gut wie gar nicht, was wie ich nach etwas googeln weiß ein Teil ihres Charakters ist und bewusst so angelegt. Aber anfangs wirkt es zusammen mit ihrer Aufgabe als Managerin im Sinne von aufräumen, organisieren, essen kochen bei Events eher negativ auf mich als Zuschauerin. Später wird aber auch kurze Zeit die Frauenmannschaft der Karasuno-High betrachtet und das dann doch sehr empathisch, sodass sich meine Kritik erledigt hat. Was will man auch erwarten bei einer Serie über eine Männer-Volleyball-Mannschaft? Nehmt es mir auch bitte nicht übel, wenn Tsubasa hier schlecht wegkommt und dass vielleicht euer Lieblings-Fußball-Anime war. Auch ich habe nicht unendlich viele Sport-Anime geschaut, auf die ich als Beispiel zurückgreifen kann. 🙂 Wie sieht es bei euch aus? Mögt ihr Sport-Anime? Welcher hat euch am meisten mitgerissen?
Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).
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