Ja, über ein paar Serien muss ich noch meine Meinung loswerden bevor das Jahr dann zu Ende ist. 🙂 Der gemeinsame Nenner heute ist aber nicht das Genre, sondern dass beide besprochene Serien weibliche Hauptcharaktere haben. Eine oder … mehrere. Ansonsten könnten sie aber kaum unterschiedlicher sein. Reviews sind spoilerfrei.
„A Discovery of Witches“ Season 1
Die Serie beginnt mit dem Statement, dass die Welt einst von vielen Kreaturen bevölkert wurde. Vampire, Dämonen, Hexen – aber nun im Verborgenen vor der Überzahl an Menschen leben. Diana Bishop (Teresa Palmer) ist eine Hexe, aber hatte ihre Fähigkeiten nie wirklich gut im Griff. Seitdem ihre Eltern, die beide als aktive Magier bekannt waren, brutal umgebracht wurden, hat sie sich der Welt der Hexen abgewandt. Diana ist Historikerin und tritt in Oxford eine Universitätsstelle an. Bei der Recherche in der Bibliothek öffnet sie ein Buch, das auf sie und alle nicht-menschlichen Wesen eine immense Wirkung hat. Aus Panik gibt sie es in der Bibliothek zurück. Von da an tauchen immer mehr Kreaturen in ihrem Umfeld auf, die es auf das Buch abgesehen haben, das scheinbar seitdem unauffindbar ist. Diana wird zuerst von Matthew Clairmont (Matthew Goode) gewarnt, der in Oxford eine Professur für Biochemie bekleidet und sich als Vampir entpuppt. Der hat eine Ahnung wie wertvoll das Buch ist und was es in den falschen Händen auslöst. Obwohl Diana ihm anfangs nicht vertraut, soll er recht behalten.
„A DISCOVERY OF WITCHES Official Trailer (HD) Teresa Palmer Fantasy“, via JoBlo TV Show Trailers (Youtube)
Tatsächlich verfolgen manche Wesen Diana von da an auf Schritt und Tritt und die Bibliothek wird so voll und überlaufen wie schon lange nicht mehr. Ein alter Bekannter ihrer Eltern namens Peter Knox (Owen Teale) ist besonders vehement und hat einen bitteren Plan: er vermutet in dem Buch die Lösung um andere Kreaturen wie Vampire für immer auszulöschen. Letzten Endes scheint sie nur Clairmont vertrauen zu können und zwischen den beiden knistert es unter erschwerten Bedingungen, da Clairmonts Jagdinstinkt zuschlägt. Die Chemie zwischen den beiden und die allgemeine Atmosphäre der Serie punktet. Egal, ob Diana anfangs durch die altehrwürdigen Gänge und Straßen Oxfords wandelt, in großen, dunkel-vertäfelten Bibliotheken sitzt, in Studentenkneipen ein Pint trinkt oder später zu Halloween im mit Kürbissen verzierten Haus ihrer Hexen-Tanten und dunklen Wäldern unterwegs ist – die Atmosphäre funktioniert. Optisch ansprechend und emotional gefilmt. Das Knistern zwischen Diana und Matthew ist spürbar und bringt selbst die Zuschauer wie mich, die bei romantischen Stoffen die Stirnrunzeln und sich gelangweilt fühlen zum mitfiebern. Aber irgendwann stellt sich ein seltsamer Effekt ein. Nennen wir ihn den Twilight-Effekt. Und ihr werdet sehen, dass ich hier nicht mal sehr findig oder kreativ für die Namensfindung werden musste … .
Wenn dann Mathew beginnt Hirsche zu jagen um seinen Blutdurst zu unterdrücken und Diana mit auf das Anwesen seiner steinreichen, altehrwürdigen Familie mitnimmt oder sich der Rat der Kreaturen in Venedig in die Belange der Beiden einmischt und ihre Verbindung verhindern will, dann fragt man sich, ob Mathew jetzt auch gleich anfängt zu glitzern. Spoiler: er glitzert nicht, aber ein wenig Enttäuschung über die Parallelen der Handlung lässt sich nicht vermeiden. Auch dass die Historikerin Diana plötzlich lieber mit einem Vampir um die Welt reist und von ihrer Forschung, die ihr doch anfangs noch so wichtig war, hört man nichts mehr. Interessante Aspekte wie die Arbeit von Matthew und seinem Team sind plötzlich nur noch eine Randnotiz. Sie untersuchen genetisch das Aussterben der Kreaturen und anfangs werden da noch einige spannende Eckdaten genannt. Noch schlimmer: er wird in vielerlei Belangen Dianas „strahlender Retter“ – muss ihr gar dabei helfen ihre eigenen Fähigkeiten auszubauen. Oh je. Mal abgesehen von der traurigen Randnotiz in punkto Frauenrollen, verläuft sich die Serie dann irgendwann auch allgemein im genretypischen Fantasy-Geschwurbel, das man schon zu oft gesehen hat. Leider! Besonders schwierig wird es die Serie zu akzeptieren, wenn mit Fantasyelementen wie Zeitreise und verwunschenen Häusern nur so um sich geworfen wird. Vielleicht wäre das glücklicher ausgegangen, wenn man die Serie langsamer inszeniert hätte? Vielleicht wäre ich dann auch nur enttäuschter gewesen, weil ich erst in Staffel drei merke, dass ich Twilight schaue …
(6/10)
„GLOW“ Season 3
Nachdem die Mädels (und Jungs) von GLOW nach Las Vegas umgezogen sind, ist das Privatleben zu managen schwieriger geworden, Rollen verschieben sich und die Matches sind stetig dieselben und langweilen sicherlich nicht das Publikum, aber jedenfalls die Gorgeous Ladies of Wrestling. Zumindest nach einer Weile. Die dritte Staffel steckt noch um einiges mehr als die bisherigen Staffeln voller Zeitgeist und Weitentwicklung der Charaktere. Man nehme alleine Ruth (Alison Brie), die ihre Schauspielkarriere vorantreiben will und sich fragen muss, ob ihre Beziehung der Ferne standhält. Vor Allem angesichts der Avancen von Sam (Marc Maron). Wenn alle zusammen in einem Hotel wohnen, kann man sich schwer aus dem Weg gehen und die Konfrontation ist auch dank Sams No-Bullshit-Attitüde unvermeidlich. Dankbarerweise fokussiert die Staffel auch Bash (Chris Lowell), der „Ehe spielt“ und viele andere Charaktere, die in den vergangenen Staffel zu kurz kamen. Das flirrende Nachtleben von Vegas mit ihren bunten Künstlern konfrontiert sowohl Bash mit seiner Sexualität und stellt seine Einstellung „der Mann zu werden, den sich seine Mutter erhofft“ in Frage und erteilt Arthie (Sunita Mani) eine Lehre in punkto outing und zu sich selbst stehen. Und dass auch im Sinne ein Statement zu setzen, das Solidarität und Offenheit vermittelt und der LGBT-Community hilft Anerkennung zu bekommen. Ansonsten färbt das bunte Glitzerleben auf die Mädels und Jungs ab – zumindest mehr oder weniger. Bis es zu der entscheidenden Frage kommt: wie geht es weiter für sie alle?
„GLOW | Official Season 3 Trailer | Netflix“, via Netflix (Youtube)
GLOW ist und bleibt für mich eine der besten Drama-Serien, die gerade laufen. Sie nimmt Bezug zu geschichtlichen Ereignissen wie der Explosion der Challenger und allgemein zum Zeitgeist. Man kann die Staffel fast als Rundumschlag bezeichnen, da mehr als zuvor darauf geachtet wird, dass jeder der Charaktere seine (minimal) fünf Minuten Weiterentwicklung bekommt. Dabei werden „weibliche Themen“ angeschnitten wie die Frage, ob man sich eine Schwangerschaft noch wünscht, auch wenn infolge dieser die Karriere leidet und sich maßgeblich der Körper verändert. Nicht nur aus ästhetischen Standpunkten, sondern von einem Wohlfühlfaktor, der von schlechtem Gewissen bedroht wird eingetretene Rollenbilder zu „verletzen“. Oder auch die Frage, ob man eine schlechtere Mutter ist, weil man karrierebedingt nicht jeden Tag sein Kind sieht und damit einhergehende Stigmatisierung. Das „Wie kannst du nur?“ und das „Warum machst du etwas anders als wir?“ Aber es werden auch Themen eingewoben, die eben nicht rein weiblich sind. Einwanderung, politisch unkorrekter Humor, Alter und Gesundheit im Showbiz, Selbstverwirklichung, Outing und die LGBT-Community – oder in diesem Fall bedauerlicherweise Feindlichkeit gegen eben diese. Die Staffel zeigt wieder einmal mit viel Empathie: jeder hat sein Päckchen zu tragen. Auch wenn er oder sie täglich professional auf der Bühne GLOWed. Ein Gedanke, den wir so oft es geht im Alltag mit uns tragen sollten. Die Staffel endet mit ein, zwei Ansagen, dank derer man sicher gehen kann, dass die vierte einiges verändert.
(10/10)
Es ist natürlich kein Zufall, dass ich diese beiden Serien hier in einen Artikel gepackt habe. Wie in der Einleitung angedeutet könnten beide für mein Empfinden kaum unterschiedlicher sein. Die eine wirbt mit einem weiblichen Hauptcharakter, der alles verändert und die Welt aus den (geheimen magischen) Angeln hebt und suggeriert Stärke, Feminismus und dass sie die verborgenen Regeln der Welt in Frage stellt. Nichts davon passiert. Stattdessen handelt sie von einer Frau, die rein zufällig Fähigkeiten hat, die sie nicht versteht und erst einen Mann braucht, der ihr diese erklärt. Ob das im Sinne der Buchvorlage ist? Wer hierzu mehr weiß, kann mir das gerne in den Kommentaren erzählen. Mich interessiert auch, wenn eure Wahrnehmung dessen abweicht – wie habt ihr „A Discovery of Witches“ aufgenommen? Im Gegensatz dazu steht GLOW, die ohne Magie, aber mit viel Glitzer daherkommt und doch feministischer, entlarvender und regelrecht politischer ist. Bravo!
Schreibe einen Kommentar