Serien-Besprechung: „The Americans“ Season 6 & Diskussion des Serienfinales

Ja, manchmal wiederhole ich mich. Aber ich kann es nicht lassen und sage das gerne immer und immer wieder: „The Americans“ ist wohl eine der besten Serie, die ich kenne und die kaum jemand aus meiner Bubble gesehen hat. Aber wenn ich kontinuierlich weiterschwatze, dann schaut ihr sie vielleicht. 😉 Mit der sechsten Staffel endete die Serie und ich bin hin und weg von dem Finale. Die Besprechung hier ist nun entsprechend spoilerfrei für die sechste Staffel plus eines gekennzeichneten Abschnitts zur Diskussion des Endes, den ihr nicht „aus Versehen“ lesen könnt; aber eben leider nicht spoilerfrei für die vorherigen Staffeln. Wer wissen will, was an der Serie so toll ist, sei hierhin verwiesen. Dort findet ihr die Besprechung zur ersten Staffel. Und … guckt „The Americans“ :)!

Drei Schritte vor, fünf zurück

Der Beginn der Staffel ist wie ein Schlag ins Gesicht. Nachdem Philip (Matthew Rhys) und Elizabeth (Keri Russell) in der fünften Staffel die Übereinkunft getroffen haben, dass er aussteigt oder zumindest keine neuen Aufträge mehr aufnimmt, scheint Elizabeth doppelt soviele anzunehmen. Sie leben aneinander vorbei, sehen sich an manchen Tagen nicht mal und driften immer weiter auseinander. Von der ersten Staffel an erhoffte ich mir wie sicherlich auch viele da draußen, dass Elizabeth wachgerüttelt wird und erkennt, dass sie auch nur manipuliert wird – egal unter der Schirmherrschaft welchen Staats sie mordet und betrügt. Doch die vorgeschobene Gravitas ihrer wichtigen Aufgabe zu Ehren Mutter Russlands und der Genossen lässt Elizabeth mit nicht zu bändigender Überzeugung weitermachen. Philips Normalität, die jetzt hauptsächlich daraus besteht das Reisebüro zu leiten, wirkt auf sie wie eine unbedeutende Farce. Hatte sie zuvor noch Verständnis dafür, dass sein Moralkompass sich weiterentwickelt hat und er nicht mehr bereit ist Leben zu nehmen und zu manipulieren, hält sie ihn inzwischen für schwach. Ihre Ehe und auch sie selbst sind moralisch so zerrüttet wie wahrscheinlich noch nie. Und das ist unglaublich hart anzuschauen.

Auch so ist die Zeit nicht stehen geblieben in The Americans. Genauer gesagt sind sogar drei Jahre seit der letzten Staffel vergangen. Inzwischen ist Henry (Keidrich Sellati) auf der Privatschule und Paige (Holly Taylor) hat sich dazu entschieden sich zum Spion ausbilden zu lassen. Ihr Handler ist ebenso Claudia (Margo Martindale). In den wenigen ruhigen Minuten die Elizabeth hat, bringen sie Paige die sowjetische Kultur näher. Spielen heile Welt, kochen russisch und schauen russische Filme. In der Welt außerhalb dieser Blase ist der Friede und das Ende des kalten Krieges zum Greifen nah. Elizabeth versucht auf vielfältige Art und Weise Informationen über einen Gipfel zur nuklearen Abrüstung sammeln. Und es passiert, was mit sechs Staffeln recht lange auf sich warten ließ: die Agentur spielt Elizabeth und Philipp gegeneinander aus.


„The Americans Season 6 Trailer (HD) Final Season“, via TV Promos (Youtube)

Hidden Agenda

Das mag etwas hochgestochen klingen, aber so ist es letzten Endes. Spätestens, wenn ein Charakter, der damit es spannend bleibt hier nicht genannt werden soll, auf Philip zugeht und ihn bittet Elizabeth auszuhorchen und an ihn zu reporten, entsteht zu der sowieso gespannten Stimmung eine zusätzliche Note des gegenseitigen Misstrauens. Tatsächlich ist inzwischen auch Elizabeths Auftrag so prekär, dass man ihr die Pille anbietet und sagt sie dürfe unter keinen Umständen entdeckt und festgenommen werden. Was beide erst schmerzlich spät erfahren werden ist, dass die Agentur in zwei Lager gespalten ist. Die einen wollen den Frieden und sind Pro-Gorbatschow, die anderen nicht. In der sechsten und letzten Staffel sind Elizabeth und Philip vollends zu Schachfiguren auf dem Spielbrett von Machthabern geworden, die alle ihre eigene kleine Hidden Agenda durchsetzen wollen. Neben all dem wird kunstvoll Stan (Noah Emmerich) eingesetzt, der ihnen das erste Mal so nahe kommt, dass man wirklich jede Sekunde vermuten muss „Jetzt fliegen sie auf“.

Wenn mich jemand fragt, ob sich The Americans lohnt, sage ich immer „Ja, aber die Staffeln sind Slowburner. Sie beginnen gemächlich und enden dann mit einer zähneknirschenden Spannung wie ‚Dexter‘ zu besten Zeiten.“ Die sechste Staffel beginnt wieder deprimierend und gemächlich, nur um dann zu machen, dass ich nicht mehr ruhig auf der Couch sitzen kann. Die Empathie für Elizabeth, Philip, Paige und soviele andere basiert auf ihrer Menschlichkeit. Sie lassen sich täuschen, sie denken sie stehen für etwas wichtiges ein, sie handeln aus absoluter Überzeugung – Elizabeth und Paige sicherlich mehr als Philip. Matthew Rhys und Keri Russell sind unglaublich gut in dieser Staffel. Man wünscht ihren Serienfiguren, dass sie davon kommen. Und v.A. dass auch Elizabeth realisiert, dass sie eine Spielfigur ist, die manipuliert und nach Belieben eingesetzt wird. Dass sie nicht viel besser dran ist als die Menschen, die sie manipuliert. Absolut lachhaft und schmerzhaft ist wie sie vor Paiges bohrenden Fragen versucht eine Atmosphäre der Ehrhaftigkeit zu erzeugen und verneint, was sie doch offensichtlich tut. Natürlich tun sie niemandem weh, natürlich würden sie niemals jemanden verführen. Aber wer die Serie sechs Staffeln lang verfolgt, weiß woher diese lachhafte Überzeugung kommt. Und wie Elizabeth so wurde.


„The Americans Season 6 „Prepare for the End“ Promo (HD) Final Season“, via TV Promos (Youtube)

Über das Finale

Unter diesem Abschnitt lauern Spoiler … ausklappen auf eigene Gefahr.

Am Ende der Staffel haben sich einige meiner Hoffnungen erfüllt. Elizabeth und Philip aka Nadezhda und Mischa wurden nicht entzweit, hatten aber den rasanten, spannenden und schonungslosen Abgang, von dem wir Zuschauer immer befürchtet haben, dass es den geben würde. Dass einer von ihnen „im Dienst“ umkommt und der andere alleine fliehen muss, war die andere Angst. Für ihr Entkommen zahlen sie aber einen enormen Preis. Sie akzeptieren, dass Henry und Paige sie für das Zurückgelassenwerden hassen, aber ein besseres Leben haben werden. Vielleicht ist das der ultimative Liebesbeweis zwischen Eltern und Kindern!? Denn ehrlich: eine Rückkehr ins Land, wo Milch und Honig fließen wird es für Mischa und Nadezhda nicht. Wir können nachlesen wie es Ex-KGB-Spionen nach dem Zusammenbruch der SU erging. Für sie ist es ein Gang ins Ungewisse. Neben diesen stark rührenden und aufwühlenden Szenen, hat die Serie es aber auch geschafft den Konflikt um Stan und Philip auf die Spitze zu treiben und einem gebührenden Ende zuzuführen. So gesehen in der exzellenten und extrem spannenden Parkhaus-Szene, aber auch am offene Ende um Stans Freundin, zu dem sich auch bis dato die Serienschöpfer im Schweigen üben und nicht verraten wollen, ob sie nun ebenso eine Spionin ist oder nicht. Normalerweise hasse ich offenen Enden, aber dieses hier ist eine Meisterleistung und auf köstliche Art grausam. Die Staffel enthält mehrere wirklich große Serienmomente.

With Or Without You

Wie kann das ausgehen, was hier nach sechs Staffel nun zu einem Ende geführt wurde? Die Serie ist ganz klar über den Punkt hinaus, wo sich alle Charaktere ihr Leben aussuchen können. Und die Frage, wer das traurigste Ende hat ist durchaus valide. Es wird emotional im Finale – soviel kann ich versprechen. U2s Song With Or Without You ist gut gewählt, passend eingesetzt und der Zuschauer erschüttert. Die sechste Staffel schafft es allen Charakteren ein überzeugendes, stimmiges Ende mit entsprechender Entwicklung mitzugeben. Die Episode Jennings, Elizabeth öffnet das erste Mal die Tür Elizabeths zu ihrem Selbst – hat nur sechs Staffeln gedauert und ist dafür wortwörtlich künstlerisch ausgefallen. Meisterlich sind auch die Parkhaus- und die Zug-Szene – wenn ihr die schaut, denkt an mich. Das Finale hat mir ein bisschen das Herz gebrochen – aber wenn es das gibt, dann auf die „gute“ Weise. Das besondere an der Serie ist wie sie aus einem „Guss“ wirkt. Zwar mussten Philip und Elizabeth lange mit großer Kraft um eine unbestimmte Mitte kreisen (ihre Beziehung), aber wenn die letzten Sekunden gelaufen sind, dann liegt auf der Hand wie perfekt das Ende ist. Oder die Staffel. Selbst den globalen Auswirkungen Gewicht zu geben. Allen voran, dem Frieden, der zum Greifen nah ist. (9/10)

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Ja große Dinge münden in viel Text … ich konnte es mir nicht verkneifen hier mal so richtig die Diskussionskeule zu schwingen. Daran alleine sieht man schon wie sehr mich die Staffel bewegt hat. Aber mir ist auch schmerzlich bewusst, dass der Artikel hier wahrscheinlich wenig Diskussion hervorruft oder im Vergleich zu vielen anderen relativ ungelesen bleiben wird. Schließlich scheint die Serie nicht die Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie verdient. Oder? Schaut ihr „The Americans“? Wie hat euch die Staffel und das Finale gefallen?

3 Antworten

  1. Avatar von Lexibloog
    Lexibloog

    Diese Serie kenne ich nicht aber. Ich guck mal rein.
    Falls du Lust hast schau bei lexibloog c om.wordpress.com
    Instagram lexibloog.de.
    Ich hoffe ich kann dich für mode inspirieren.

  2. Absolut großartige Serie auch wenn ich mir etwas mehr „Abschluss“ in den USA gewünscht hätte.

    Das Leben für Philip und Elisabeth wird in der SU wohl grausam werden. Ein absoluter Abstieg und dann auch noch ohne die eigenen Kinder. Für Elisabeth fällt auch noch der Lebensinhalt weg.

    Wirklich leid tat mir auch Oleg. Er war mir am Anfang unsympathisch. Am Ende musste er für die gute Sache bluten. Ungerechtigkeit hat es in mir geschrieen. Auch vor dem Hintergrund , dass er in der Sechsten Staffel noch Kind und Frau bekommen hat.

    Das seine Ex Geliebte von Elizabeth getötet wird , war überraschend, wenn auch irgendwie nicht so schlimm, da sie sich kurz vorher und ihre böse Seele offenbart hat.

    Ob ich eine 7. Staffel sehen würde? Ich weiß es nicht . In paar Monaten ist die Serie aus dem Kopf und die Gedanken weg. Mit etwas Abstand wäre ich wahrscheinlich interessiert, doch zu sehen, was die genialen Showrunner sich ausdenken würden.

    Vor allem um die Kinder könnte man eine Geschichte aufbauen. Vielleicht zeitlich sogar in den 90er.

    Man wird es wohl nie erfahren.

    9,5/10

    0,5 Punkte Abzug für die 5. Staffel.

  3. Eine absolut grandiose Serie und ich schaue sie heute noch auf und ab.

    Die Charaktere und deren Entwicklungen. Ganz abgesehen von der Spannung in jeder Staffel die aufrechterhalten werden kann.

    Am meisten tat mir immer Philip leid. Und zum Schluss zerbrach es mir das Herz in der Parkhaus und Zug Szene einfach immer wieder sehenswert.

    Und wie schon oben gesagt, die Serie bekommt definitiv nicht die Aufmerksamkeit die sie verdient hat. Wahrscheinlich auch weil sehr komplex. Aber ein Meisterwerk ist es eindeutig.

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