Auf der Nippon Connection 2021 hatte ich meine Erstbegegnung mit den Filmen Toshiaki Toyodas – und dafür immerhin gleich mit Dreien. 🙂 Da ich schon länger ein Fan von traditioneller japanischer Musik und Taiko (japanischen Trommeln) bin, regelmäßig die Auftritte der örtlichen Taiko-Gruppe besuche und auch „Kodo“ vorher kannte, dachte ich, dass man mich kaum überraschen kann. Falsch gedacht – „Shiver“ hat mich umgehauen!
Shiver passt in keine Schublade und müsste ich mich bemühen es in eine zu stecken, würde ich es als erzählenden Konzert- oder Musikfilm bezeichnen. Ohne auch nur eine einzige Dialogzeile, aber mit Musik und Gesang, begleitet der Film das Taiko-Ensemble Kodo, das u.a. für das Mitwirken bei Filmsoundtracks wie beispielsweise zu Zhang Yimous „Hero“ bekannt ist, und den Komponisten Koshiro Hino, die auf der Insel Sado zusammenkommen um Stücke spielen, die abwechselnd nach spirituellem Einklang und Kraftakten vergleichbar mit Naturgewalten klingen.
„Shiver // Trailer“, via NipponConnectionTV (Youtube)
Leider kann ich nicht annähernd alle Instrumente bennen, die abgesehen von Taikos benutzt werden und kann hier also nur versprechen, dass es sehr vielfältig ist. Es gibt Stücke, die ein kleines und welche die ein großes Ensemble vereinen, einige gleichem einem enormen Kraft- und Ausdauerakt, andere sind eher leiser, aber alle scheinen sie eine Geschichte zu erzählen, die von fantastischen Naturaufnahmen begleitet wird. Die meisten Stücke beginnen sehr ruhig, schrauben sich dann aber klimaktisch nach oben und verursachen eine Sogwirkung, die einen alles um einen herum vergessen lässt. Meditation, nur lauter.
Ohne Dialog ist der Film zudem grenz- und sprachübergreifend verständlich. Durch das Interview mit Regisseur Toshiaki Toyoda und Kiyohiko Shibukawa erfährt man, dass Shibukawa-san bisher in jedem Film Toyodas dabei ist. So auch in Shiver, nur sieht man sein Gesicht nicht. 😉 Die konkrete Geschichte, die hinter den Figuren steckt, mag zwar nicht im üblichen Sinne erzählt werden, aber wird durch die Atmosphäre erlebbar gemacht. Sehr zu meiner Freude wurde in demselben Interview verraten, dass Shiver noch dieses Jahr durch Rapid Eye Movies ins Kino-Release geschickt wird, denn ich kann es kaum erwarten den Film nochmal zu sehen. Die übersprudelnde Begeisterung zeigt sich auch in meiner Punktzahl. Das Zusammenspiel aus Kameraarbeit von Kenji Maki, den Naturbildern, der gefühlten Botschaft und Musik von Kodo und Hino ist einfach perfekt und wie eine spirituelle Auszeit und Moment der Rückbesinnung, der automatisch die Welt vor der Tür zurücklässt. Die Floskel lässt sich nicht vermeiden, denn hier ist der Name tatsächlich Programm.
Shiver (OT: 戦慄せしめよ „Senritsu seshimeyo“), Japan, 2021, Toshiaki Toyoda, 89 min, (10/10)
Es ist schon etwas traurig, aber das ist einer der bisher wenigen Filme aus dem Jahr 2021, die ich in 2021 sehen konnte. Ich habe das nicht erwartet, weil ja doch das eine oder andere auf Streamingplattformen verfügbar ist oder man doch mal die Gelegenheit bekommt auf einem Online-Filmfestival etwas zu sehen. Aber man kann es drehen und wenden wie man will: das Kino fehlt so sehr. Umso schöner, dass dieser Film auf der „Nippon Connection“ zu sehen war. Wenn sich die Ankündigung bewahrheitet und „Shiver“ im Herbst/Winter auf der großen Leinwand und mit entsprechender Audio-Installation zu sehen sein wird, werde ich garantiert im Saal sitzen, denn das wird sicherlich noch mitreißender und immersiver als ohnehin schon.
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