Nachdem sich TOS wie eine Durststrecke angefühlt hat, durch die ich mich durchkämpfen musste, machte „Star Trek: The Next Generation“ Season 1 schon deutlich mehr Spaß. TOS muss man einfach so früh wie möglich schauen, wenn man noch nicht von modernerem Storytelling „versaut“ ist oder wenn man sich komplett von Erwartungen frei machen kann. TNG Season 1 hat mich hingegen sofort gekriegt und war von der ersten Minute an unschlagbar was die Diversität des Casts betrifft. Hält die zweite Staffel das Level? Besprechung ist spoilerfrei.
Scheinbar haben die Auftaktepisoden der Staffel sowas an sich. Den Piloten der ersten Staffel fand ich schon etwas seltsam, die erste Episode der zweiten Staffel leider auch. 2×01 The Child handelt von unbefleckter Empfängnis an Bord der Enterprise. Deanna Troi (Marina Sirtis) ist plötzlich schwanger und es gibt reichlich male gaze auf die wohl erotisch verklärteste Geburt die man je gesehen hat. Was ich damit meine ist die orgasmisch wirkende Darstellung. Dass hier die Tonalität komplett missverstanden wurde, zeigt auch der weitere Verlauf, in dem die Crew der Enterprise emotionale gegen Vernunftsentscheidungen stellt. Das funktioniert bei soviel Storyline unmöglich glaubhaft in einer 40 Minuten Episode und schon gar nicht so, dass man als Zuschauende wirklich emotional investiert sein kann. Man fragt sich, was die Screenwriter da geraucht haben. Aber nach dem seltsamen Auftakt kündigt sich eine durch und durch spannende und abwechslungsreiche Staffel an. Neben den zahlreichen interessanten Cases of the Week wird zwar wieder mit wenig Erfolg episodenübergreifende Handlung „geübt“, aber mit viel Erfolg die Entwicklung der Charaktere vorangetrieben.
„Star Trek TNG Season 2 Blu-ray Trailer (v1)“, via TrekCore (Youtube)
Zu den Neuzugängen der Enterprise gehört Dr. Katherine Pulaski (Diana Muldaur), die Dr. Beverly Crusher ersetzt und wie die Recherche gerade zeigte, schon in TOS dabei war! Außerdem dürfen wir als Zuschauende das erste Mal einen Blick in die Enterprise eigene Bar Ten Forward werfen und seine Bartenderin Guinan kennenlernen, gespielt von Whoopi Goldberg. Guinan ist als Barkeeper genauso wie es uns die Medien gelehrt haben (nicht zwingend die Realität): enigmatisch, verständnisvoll, quasi Therapeut und macht nebenbei noch den eigentlich Job. Über ihren Charakter hätte ich gern mehr erfahren, aber ich bin mir sicher, dass das noch kommt. Einer der wohl interessantesten Character-Arcs ist der von Data (Brent Spiner). Was auf ihn und uns zukommt, erlebt schon Foreshadowing durch Pulaskis seit der ersten Episode bei jeder Gelegenheit vorgetragenen Vorurteile, dass Data „nur eine Maschine“ sei. Vielleicht wird sie eines besseren belehrt. Ganz sicher aber ist die Episode 2×09 „The Measure of a Man“ eine der besten der Staffel. Hier wird Datas Status als „Eigentum“ der Sternenflotte oder als lebendiges Individuum verhandelt. Es steht nichts geringeres auf dem Spiel als die Frage, ob Data „zugunsten der Wissenschaft“ auseinander genommen wird. Schade nur, das hier Datas Zwilling aus Season 1 vergessen zu sein scheint.
Auch ansonsten fällt sehr angenehm auf, dass die Charaktere anders als noch in TOS eine Vergangenheit haben, die erstens fix ist, zweitens relevant und drittens nicht vergessen wird. Picard (Patrick Stewart) und die Stargazer finden durchaus noch Erwähnung. Auch seine Einstellung zu Familie, zur Starfleet, seiner Crew und sein Stolz werden empfindlich angepackt. Etwas an den Nerven zerrt allerdings der langsam vor sich hinköchelnde Köder rund um Riker (Jonathan Frakes) und Deanna. Wie lange dauert das denn noch bis sie endlich zusammen kommen? Unter den Crewmitgliedern erfahren im Grunde alle charakterzentrierte Episoden, auch wenn man nicht bei allen etwas neues lernt (Deanna, Wesley, Dr. Crushers Weggang wird mit einem Satz erklärt). Einige mehr charakterzentrierte Episoden erfahren dafür Worf (Michael Dorn) und wir erfahren allgemein mehr über die Bräuche und Weisen der Klingonen. Riker wird auch etwas stärker zentriert, wobei ich mir manchmal noch nicht klar darüber bin, ob zwei starke Führungspersonen wirklich Platz auf der Enterprise haben. Ich schwanke. Eher misslungen erscheint aber der Versuch die Beziehung zwischen Riker und seinem Vater aufzuarbeiten. Außerdem muss ich gestehen, dass ich mich doch von der ersten Sekunde ab fragte … warum der Bart, Riker? Glücklicherweise hat das Internet eine Antwort darauf. Der Vorteil, wenn man Serien lange nach ihrem Erscheinen schaut.
In punkto Diversität ist TNG erneut sehr innovativ. Ich mochte die Folge 2×05 „Loud as a Whisper“, in der ein taubstummer Mediator Völkerverständigung herbeiführen soll. Er kommuniziert durch drei Freunde mittels Telepathie, die jeweils einen eigenen Persönlichkeitsaspekt vertreten. Etwas seltsamer ist es um Episode 2×18 bestellt, in der Picard die Bevölkerung eines Planeten retten will, deren Entwicklungsstand dem Europas des Jahres 2123 entspricht. Sie sind alle ausschließlich Bauern und reisen mit Hühnern und allem drum und dran an. Das ist ja schon … sehr einseitig. In der Folge hat die Serie aber auch die Gründung der EU vorhergesagt (hier: „European Hegemony“). Auch sehr spannend: die Erwähnung von Fermats letztem Theorem. TNG bildet. Okay, ich kenn’s noch aus dem Studium. Besonders launig ist auch die Episode 2×03 in der Data sein Idol Sherlock Holmes spielen darf.
Natürlich steht wie so oft der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen und die Völkerverständigung auf dem Programm. Neben vielen spannenden Einzelfällen, fand ich die Episode auch sehr sehenswert in der Riker eine Art Arbeitsplatz-Austauschprogramm mitmacht und für eine gewisse Zeit „der Neue“ auf einem Klingonischen Schiff ist. Zu den episodenübergreifenden oder sogar staffelübergreifenden Handlungsfäden gehört der um Wesleys Ausbildung, die lobenswerterweise nicht vergessen wird. Aber auch die um Q, die nun etwas deutlicher zeigt, auf was genau Q die Crew der Enterprise vorbereitet. Damit geht der erste Auftritt der Borg einher. Ich könnte kaum überraschter sein, hatte ich mich doch emotional darauf vorbereitet nicht so bald von den Borg zu hören, auf die ich aber mit viel Spannung gewartet habe. Es würde der Serie noch besser zu Gesicht stehen, wenn sich auch mal eine Doppelfolge konsequent einem Thema widmet. Das hätte auch Episoden wie denen mit Deannas plötzlicher Schwangerschaft etwas mehr Bedeutung verliehen.
„Star Trek: The Next Generation Season Two Blooper Reel“, via CBS Home Entertainment (Youtube)
Die Staffel endet mit einer etwas deplatziert wirkenden Rückblick-Episode, die sich Riker widmet und alles zusammenfasst, was ihn an- und umtreibt. Aber wie das mit Zusammenschnitten eben ist: es geht selten ohne dass es sich redundant oder sogar überflüssig anfühlt. Das ist v.A. deswegen schade weil Riker angesichts des Themas Tod einige starke Charaktermomente hat. Wie schon oben erwähnt ist mir noch nicht so ganz klar wo die Serie mit Riker hinwill. Ist er einfach „nur“ der aufstrebende Hotshot und reicht das aus? Umso launiger ist aber die Episode 2×21 in der Picard und Riker in einem simulierten Kampf gegeneinander antreten. Riker erinnert hier etwas an Kirk. Was die Staffel hingegen nicht so wahnsinnig gut handhabt ist die Einführung Pulaskis. Eigentlich ist es gut einen Charakter an Board zu haben, dessen Tonalität und Weltsicht sich etwas von der der anderen abhebt. Aber ihre Rolle wird zu oft als Deus ex Machina benutzt. Als Rolle, die in ihrer Funktion aufgeht. Ich stelle die Vermutung an, dass Pulaski nicht bis Schluss dabei sein wird. Jetzt wo man die Enterprise und ihre Crew kennengelernt hat, sieht man deutlicher durch die Muster in der sich die Serie entwickelt – und eben auch, wo sie es nicht gleichermaßen stark tut. (8/10)
Wie vielleicht schon aufgefallen ist, sperre ich mich etwas gegen den deutschen Titel „Das nächste Jahrhundert“, damit ich mich an den weit verbreiteten Abkürzungen TOS, TNG usw langhangeln kann. Und weil ich auf Englisch schaue. Übrigens bin ich gerade bei der dritten Staffel. 🙂 Wie hat euch die zweite gefallen? Welche ist eure liebste TNG Staffel? Und werde ich „Q“ irgendwann mehr mögen als jetzt?? Tatsächlich bin ich aber sehr vorsichtig mit Recherche zur Serie, da ich insbesondere über Guinan, Q und die Borg nicht gespoilert werden möchte. Es ist nicht einfach … ich bin schon neulich über etwas zu Tasha und auch zu Riker & Deanna gestolpert, was ich vielleicht lieber nicht gewusst hätte. Die Nachteile, wenn man soviel später eine gehypte Serie schaut.
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