Filmbesprechung „Hit Me Anyone One More Time“ & „BOLT“ (Nippon Connection 2021)

Das mit den Vorurteilen ist ja so … man kann schwer vermeiden, dass sie aufkommen, aber man kann sie hinterfragen. Das Promobild von „Hit Me Anyone One More Time“ und Lesen der Beschreibung hinterließ bei mir den Eindruck genau zu wissen, dass mich hier eine ulkige Komödie erwartet, die wenig Neues erzählt und die mein Humorzentrum nicht wirklich erreichen wird. Falsch gedacht – ich wurde ganz gut unterhalten. Bei „BOLT“ wiederum lief das alles ganz anders … Besprechunge sind spoilerfrei.

Hit Me Anyone One More Time

Keisuke Kuroda (Kiichi Nakai) ist Japans Premierminister, nur leider weiß er das nicht mehr. Nachdem bei einem seiner öffentlichen Auftritte ein Zuschauer einen Stein nach ihm warf und ihn am Kopf traf, hat er sein Gedächtnis verloren. Da wacht er nun auf und steht vor einem ziemlichen Schlamassel. Er ist extrem unbeliebt bei der japanischen Bevölkerung und zahlreiche politische Gegner warten auf einen Fehler oder eine Unpässlichkeit, weswegen seine Berater seinen Zustand verschweigen wollen. Neben dem politischen Rummel in den er nun relativ unwissend geht, muss er auch entdecken, dass sich seine Familie von ihm entfremdet hat und findet einigen Schmutz über sich selbst heraus. So ganz unbedarf in sein Leben als Premier zu stolpern, birgt aber offenbar auch die Chancen aufzuräumen. Und ist dabei höchst unterhaltsam.


„Hit Me Anyone One More Time (ENG Subtitle) 【Fuji TV Official】“, via フジテレビ公式 (Youtube)

Es hilft nichts zu leugnen: der Film ist ja auch u.a. deswegen so unterhaltsam, weil Japan scheinbar einen umstrittenen Premierminister nach dem anderen aus dem Hut zaubert. Wo kommen die nur immer her? Und wer wollte die mal haben? Kiichi Nakai sieht man dankbarerweise nur rückblickend als Premier, der ein echtes Arschloch ist. Der etwas ratlose Premier, den wir als Zuschauer live kennenlernen durchlebt alles, was man von einem Premier unter Gedächtnisverlust erwartet. Dementsprechend sind nicht alle Gags neu, wenn er beispielsweise stets und ständig den Namen seines eigenen Sohns vergisst. Aber andere haben durch das Setting an sich schon wieder Charme. Eine der für mich witzigsten Szenen war wie er im Kabinett vor den Reportern flieht und selbstbewusst in einen Raum geht, der sich als Besenkammer offenbart. Ganz selbstverständlich drückt er seinem Beraterstab dann Mopp und Besen in die Hand und sie tun so als ob sie „geplant“ die Halle wischen. Ach schön. ^^ Also ja: der Film, die Gags und wo er sich hinentwickelt ist absolut durchschaubar. Dass seine Berater ihn ausnutzen, dass einige Leute umdenken und ihn neu bewerten und dass er sein Leben umkrempelt – all das ist zu erwarten. Aber es ist überraschend sympathisch anzuschauen.

Hit Me Anyone One More Time (OT: 記憶にございません! „Kioku ni gozaimasen!“), Japan, 2019, Koki Mitani, 127 min, (7/10)

Sternchen-7

BOLT

In drei Segmenten widmet sch BOLT verschiedenen Aspekten der Dreifachkatastrophe von Fukushima, das inzwischen zehn Jahre her ist, aber noch lange nicht ausgestanden für die Bevölkerung. Dabei setzt das Segment um die titegebende Schraube, die im Kernreaktor festgezogen werden muss einen anderen Maßstab als die dramatischeren, nachdenklicheren beiden Episoden. Denn hier gelingt es nicht den Mittelweg zwischen Dramatik (Aufopferung und Aussetzen einer unsichtbaren Gefahr), Kampf gegen Windmühlen und einen unterschwelligen Fantasy-Horror-Aspekt aufrecht zu erhalten. Mal wird suggeriert, dass dort etwas im Wasser ist, aber nie besonders konkret. Die Reaktoren und das Innere des Kraftwerks haben mit einem echten so gar nichts gemein. Die Beleuchtung innerhalb ihrer Anzüge dürfte es relativ unmöglich machen, dass sie überhaupt ihre Umgebung sehen, weil es sie stark blendet!? Es ist einfach schwer sich etwas daraus zu machen, wenn alles so widersprüchlich und dysfunktional ist und man „nur Atmosphäre“ und gute Bilder hat. Die anderen beiden Segmente adressieren die Hilflosigkeit der Bevölkerung, die ihre Lebensgrundlage verloren hat – und die der Helfer, die nicht wissen, was sie als „Dank“ für ihre Hilfe erwartet und hauen mehr rein. Auch das Surreale ist hier besser platziert, weil unterschwelliger.

BOLT, Japan, 2019, Kaizo Hayashi, 80 min, (5/10)

Sternchen-5


„BOLT // Trailer“, via NipponConnectionTV (Youtube)

Ja, aufmerksame Leser*innen haben es gemerkt: die heutigen Reviews haben keinen gemeinsamen Nenner außer, dass ich sie zur „Nippon Connection 2021“ gesehen habe. Es sind eben die beiden übrigen Reviews, die bisher in keine Schublade passten. Nebenbei stelle ich auch die Vermutung an, dass mich „Hit Me Anyone One More Time“ auch deswegen so gut unterhalten hat, weil doch das restliche Festivalprogramm (wie bei den meisten Filmfestivals) anspruchsvolle Filme voller zeitgeistig-kritischer Themen und dramatischen Schwerpunkten enthält. Eine Komödie dazwischen tut da schon mal gut. Habt ihr die Filme auch gesehen? Und wie haben sie euch gefallen? Habt ihr vielleicht in „BOLT“ etwas anderes gesehen als ich?

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