Serien-Besprechung: „Mad Men“ Season 6

Wir sind hier in dieser seltsamen Grauzone angekommen, in der eine Serie zu alt ist und man keine Trailer zu ihr auf Youtube findet, aber populär genug, dass die Plattform vor denkwürdigen Momenten der Serie nur so wimmelt. Zu dumm, dass ich euch die in den seltensten Fällen zeigen kann, weil Spoiler. Tja. Da müsst ihr einzig mit meiner Besprechung vorlieb nehmen. Geht auch mal, oder? Die Besprechung ist spoilerfrei für die sechste Staffel, nicht aber für vorhergehende.

„We want you to be yourself“

Das sagt ein Fotograf zu Beginn der Staffel zu Don Draper (Jon Hamm) als sie anlässlich der Eröffnung der neuen Etage Fotos der Agentur und ihrer Mitarbeiter*innen aufnehmen. Zuschauende der Serie wissen inzwischen nur zu gut wie ironisch die Aufforderung ist und wie Drapers Ohren dabei klingeln müssen. In seiner Ehe mit Megan (Jessica Paré) kriselt es, was beide wissen, aber noch nicht aussprechen. Eben noch im Traumurlaub auf Hawaii, kann Don es kaum erwarten nach Hause zu kommen und mit seiner Nachbarin Sylvia Rosen (Linda Cardellini) fremdzugehen, obwohl er verheiratet ist. Und obwohl sie verheiratet ist. Obwohl ihr Mann sein Freund ist – zumindest sieht es danach aus. Alles neben Sylvia verblasst, was das Ende der fünften Staffel angedeutet hat, tritt ein – Don verfällt in alte Muster. Was damit zutun hat ist Megans Karriere, die wie erwartet durch den von Don eingefädelten Werbespot tatsächlich einen Kickstart genossen hat. Inzwischen spielt sie in einer Seifenoper mit und ist wenig zuhause. Keine Entschuldigung für das Fremdgehen ihres Ehemannes. Aber der Anfang des Auseinanderdriftens, als Don empfindet, dass eine weitere Frau in seinem Leben „nicht mehr nur für ihn da ist“.

Nach dem Verlust einiger Kunden hat SCDP das Gefühl nicht mithalten zu können und im ständigen Ringen um dieselben Kunden wird ein Merger zwischen Sterling Cooper Draper Pryce (SCDP) und Cutler Gleason Chaough (CGC) vorgeschlagen. Der daraus entstehende Name ist entsprechend sperrig und lange offen. Trotz oder gerade wegen des Mergers gibt es entsprechend einige Hahnenkämpfe über Positionen, Rollen und Büros. Peggy (Elisabeth Moss) findet sich in der unbequemen Lage wieder nun erneut mit den Menschen zusammenzuarbeiten, die sie schon einmal hinter sich gelassen hat. Zuerst einmal hat sie aber großartige Episoden, in denen v.A. auch ihre angedeutet Büro-Romanze mit Ted Chaough (Kevin Rahm) für Knistern sorgt.

Chaough wurde in vergangenen Staffel eher als der Buhmann und naseweißer Rivale gezeigt, bildet hier aber einen wortgewandten und idealistischeren Counterpart zu Don, der meistens sogar eine sehr faire und reflektierte Haltung einnimmt. Wird so einer nun von Don Draper zerquetscht? Apropos fair und unfair … Sally (Kiernan Shipka) sieht etwas, dass sie nicht sehen sollte und zieht daraus ihre Schlüsse, die Konsequenzen haben. Ihre Rolle wird größer und sie wird eine der autonomsten Figuren, aber zumindest auch vom Trauma her eine der Verliererinnen des Treibens aller um sie herum. Vorerst. Sally ist stets das Versprechen darauf über all den Mist hinauszuwachsen oder das Trauma fortsetzen. Als ob sich der Bockmist der Elterngenerationen wie DNA vererben könnte.

Okay, vielleicht doch ein Video. Weil ich nicht egozentrisch bin/zu sein versuche, hier eine wirklich schöne Analyse der ersten beiden Folgen, die viel von der Stimmung der Staffel auffängt. 😉


„Mad Men Recap – Season 6, Episodes 1 & 2: The Doorway“, via The Marvelous TV Club (Youtube)

History repeating

Die Staffel schaut sich wie ein großes Déjà-vu – und das ist offenkundig beabsichtigt. Während Don seine wirklich nahezu verzweifelte Affäre pflegt und kultiviert, hat er viele Rückblicke in seine Zeit als Jugendlicher, das Frauenbild mit dem er aufgewachsen ist. Entweder die strenge Hand oder die nachgiebige verständnisvolle und schöne Sex Workerin. Kann man süchtig nach Zuwendung, Liebe und Leidenschaft sein, auch wenn man dafür andere verletzt und Vertrauen missbraucht? Dons Impulskontrolle sagt „ja“. Warum eine Beziehung abhaken, statt zu versuchen sie zu retten und sich verzweifelt in eine neue stürzen? War es schon früher absolut abartig wie er durch fremde Betten springt, so hat die Serie nichts an ihrem Reiz verloren. Auch in punkto Blickfang für sensationsgeile, die darauf warten, wann er auffliegt. Besonders bitter ist wie er Megan dafür verurteilt, dass sie vor der Kamera Liebesszenen spielt oder viel mehr spielen muss, aber sich selber gar nicht scheinheilig findet.

Umso bitterer ist wie er auch die Beziehungen anderer sabotiert, indem er sich in die Belange Ted Chaoughs und Peggys einmischt. War ich schon vorher wütend auf Don und hielt ihn für einen Mistkerl, schafft er es definitiv sich noch zu steigern. Hat Peggy doch zuerst ihr Leben selbstbestimmt in die Hand genommen und gesteuert, wird sie mit der Rückkehr ins alte Umfeld wieder in alte Rollen gedrängt und andere bestimmen über ihr Leben. Dass die Frauen der Weisung, Meinung und Launen der Männer ausgesetzt sind, wird auch erneut an Joans (Christina Hendricks) Beispiel bewiesen. Das mag alles spannend sein, aber zermürbend wegen der Wiederholung. Das Problem dabei ist nur: in den vergangenen fünf Staffel hat das noch unterhalten und war gemein. Jetzt ist es repetitiv.

Was man sät

Ein paar große Chancen birgt die Staffel allerdings noch und deutet den letztendlichen Fall Don Drapers an. Zum Einen durch das Staffelfinale, das mal nach echten Konsequenzen schnuppert und zum Anderen durch eine geschickte Parallele. Ein Mitarbeiter in der Agentur hat mit Don mehr gemein als irgendjemand weiß. Der Betrug ist ein geschicktes Spiegelbild, das v.A. dadurch verstärkt wird, dass er einst von Pete (Vincent Kartheiser) abgenickt wurde. Die Würze in dieser Mischung: Pete wiederum hat stets Don nachgeeifert. Was man sät … . Das sorgt für eine sehr kurze, aber anfangs witzige und später interessante Nebenhandlung, bei der es fraglich ist, ob sie eine nette Anekdote bleibt oder noch ernsthafte Konsequenzen haben wird. Gerade solche spannenden Nebenhandlungen ließ die Serie in der Vergangenheit leider zu oft fallen.

Repetition vs Zeitgeist

Was den Mad Men auch hier wieder gelingt ist das Spiel mit dem Zeitgeist. Sei es der Kinobesuch von Planet of the Apes und Einblick in die Reaktionen, die der Film auslöste oder der Tod Martin Luther Kings. Die Serie schafft es nach wie vor den Zeitgeist gekonnt zu platzieren, nicht zuviel, aber gerade genug um einen Punkt zu machen. Ebenso wie die unterschwelligen Motive. So gibt es eine Parallele zwischen Leben und Tod, Hawaii und Beerdigung, die Don in ein seltsames Gefühl von Vanitas stürzt. Was der Serie aber mäßig gelingt ist erklärbar zu machen, dass Don wieder mit sovielem was er tut durchkommt. Vielleicht hat erst die letzte Staffel darauf eine Antwort. Vielleicht hat er seine Strafe aber schon bekommen.

Betrachte ich die Serie in der Summe ihrer Teile, war ich tatsächlich eher etwas enttäuscht von der sechsten Staffel. Wie kommen die neun von zehn Sternen zusammen? Weil im Detail betrachtet alles gewohnt gut ist. Nur leider fühlt sich dieses „gewohnt gut“ eben inzwischen sehr lau an. Es wird Zeit, dass die Serie nach der tollen fünften Staffel wieder konsequenter wird und diese überlange Vorbereitung des Endes auch durchzieht. (9/10)

Sternchen-9

Immer, wenn ich die 9-Sterne-Bewertung sehe, kommt mir das zu großzügig vor. Dann erinnere ich mich aber an die denkwürdigen Szenen, denen oftmals „hat er wirklich …?“ mitschwingt oder ein bedauerndes „oh nein“. Es gab schon viele Ups und Downs. Wie hat euch die Staffel gefallen? Was erwartet ihr für die letzte, wenn ihr sie noch nicht gesehen habt? 🙂

Eine Antwort

  1. […] dachte ich, dass es nach der repetitiven 6. Staffel nicht gut werden kann, aber tatsächlich nimmt sich die Staffel Zeit für alle Personen bis hin zur […]

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