angelesen: „Akamatsu & Seven“ Bd. 3, „On or Off“ Bd. 1 & „heimkehren und neu anfangen“

Bei den heute besprochenen Manga und Manhwa handelt es sich komplett um Boys Love bzw Queere Manga. 🙂 Einer davon ist der letzte Band einer Reihe („Akamatsu & Seven“), ein anderer ist ein erster Band („On or Off“) einer Reihe und einer ist ein Oneshot und in einem Band (mehr oder weniger) abgeschlossen („heimkehren und neu anfangen“) – also ein buntes Gemisch aus neuen Eindrücken und Abschlüssen. Ich bemühe mich tunlichst nicht zu spoilern. 😉

„Akamatsu & Seven“ Bd. 3; SHOOWA, Hiromasa Okujima (KAZÉ Manga)

Nachdem der zweite Band mit einem fiesen Cliffhanger endete, konnte ich den dritten kaum erwarten. Wie zum Ende des zweiten Bands angedeutet, wurde Seven von seiner Vergangenheit in Form seines Adoptivbruders Eight eingeholt, der immer noch für die kriminelle Organisation arbeitet, der Seven entkam. Eight ist wütend, enttäuscht und fühlt sich verraten, dass Seven ein Leben außerhalb gewählt und ihn verlassen hat. Nachdem er sich an den ahnungslosen Akamatsu rangemacht hat, zieht Seven die Konsequenz und bei Akamatsu in einer Nacht- und Nebel-Aktion aus. Während Leser*innen nun das Herz blutet, muss man sich beim Anblick des Covers dritten Bandes fragen, ob das ein massiver Spoiler ist. Da sieht man zumindest Akamatsu und Seven wieder in trauter Zweisamkeit. Ich verrate nichts, außer dass Akamatsu versucht herauszubekommen, was mit Seven passiert ist und natürlich leidet. Es gab einige Stellen, an denen mir das Herz brach. So beispielsweise wenn Seven sich an Akamatsu erinnert und feststellt, dass das Leben mit ihm nur ein schöner Traum war und eine andere, für ihn unerreichbare Welt.

Der letzte Band tut genau das, was ein letzter Band machen soll: Er räumt auf. Es wird eine Lösung geben und die hat mir recht gut gefallen. In einigen Gesichtspunkten fand ich wie der Konflikt gelöst wird angemessen kompliziert, in anderen dann irgendwie sogar noch zu „einfach“. Lesende werden vermutlich wissen, was ich meine. Mit dem Ende kann zumindest ich sehr gut leben. 🙂 Was mich überrascht hat ist, dass sich das kreative Gespann aus SHOOWA und Okujima sogar noch Zeit nimmt die Geschehnisse nach der Lösung des Konflikts zu thematisieren und das mit soviel comic relief löst. Unter Weinkennern würde man wohl sagen: sehr schön im Abgang.

„On or Off“ Bd. 1, A1 (Altraverse)

Mit On or Off hat sich Altraverse eine weitere Lizenz eines ursprünglich als Webtoon veröffentlichten Manhwa gesichert. Der typisch Manhwa vollfarbige Comic handelt von Yiyoung, einem Studenten, der zusammen mit einigen anderen Studierenden ein Start-Up gegründet hat. Sie suchen einen Sponsor der ihnen unter die Arme greift ihre App zu vermarkten und zu verkaufen. Weil sein Team aus einer sympathischen Designerin, einem etwas kratzbürstigen Programmierer und einer zurückhaltenden Projektmanagerin allesamt schüchtern bis socially awkward ist, soll er den alles entscheidenden Pitch in der großen SJ Corporation selber abhalten. Leider geht alles schief was schief gehen kann und das auch noch vor Augen aller Vorstandsmitglieder inklusive des Direktors Kang Daehyung, der Yiyoung wegen seines guten Aussehens und seiner ruhigen, gewissenhaften Art sofort aufgefallen ist. Yiyoung versucht voll des schlechten Gewissens das noch zu kitten und geht dem Direktor nach. Was danach kommt ist voll von weiteren Missverständnissen, Überraschungen und wird Folgen haben.

Ja, der arme Tropf Yiyoung hat es nicht leicht. Seine Versuche doch noch die Unterlagen beim Direktor unterzumogeln, sorgen für etwas dicke Luft zwischen dem Direktor und ihm. Basis des Dilemmas ist ein großes Missverständnis und erzeugt leider ein vollkommen falsches Bild ihrer Charakterzüge beim jeweils anderen. Kurzum. Sie landen im Bett, der Direktor hält Yiyoung für einen windigen Typen und Yiyoung den Direktor für kaltherzig. Das klingt erstmal alles nicht besonders neu, tatsächlich ist der Manhwa aber sehr erfrischend, modern und bricht mit einigen Boys Love Klischees und überbeanspruchten Mustern. Am auffälligsten ist wohl der Humor von On of Off und wie warmherzig die Charaktere entwickelt und betrachtet werden. Yiyoung und sein Team geben alles für einander und haben einige Schrullen, die sie sehr sympathisch und menschlich machen. Außerdem fällt die Diversität des Manhwa sehr angenehm auf.

Ohne große Umschweife oder Erklärungen gibt es einen schwangeren Nebencharakter und eine lesbische oder bisexuelle Nebencharakterin. Direktor Kang macht keinen Hehl daraus, dass er kürzlich mit einer Frau zusammen war, aber dass er auch mit einem Mann zusammen sein kann. Durch die Erwähnung von Millenials, einer relativ realistischen Darstellung des Arbeitsalltags von Büro-Arbeiter*innen, der sexuellen Aufgeschlossenheit und Yiyoungs ähm kreativen Tagträumen über Direktor Kang ( 🙂 ) wirkt der Manga allgemein frisch, locker und modern. Obwohl der Direktor und Yiyoung sich auf dem falschen Fuß erwischen, werden Tropen der (fiktionalen?) Geschäftswelt smart aufgelöst wie beispielsweise Ausnutzer-Maschen und „Eine Hand wäscht die Andere“.

Dass zuviele Boys Love Manga bzw Queere Manga in die Rape-Masche verfallen („Jetzt sagst du, dass du es nicht magst, aber ich werde dir zeigen wie gut es sich anfühlt und dann siehst du das ganz bestimmt ganz anders„-Bullshit) wird hier von Anfang an auf Konsens geachtet. Danke!!! Die Zeichnungen sind dynamisch, haben eine angenehm weiche Farbpalette und auch explizite Szenen bringen einen gewissen Realismus abseits der typischen BL-Tropen mit sich. Band 1 endet an einer Stelle wo relativ klar ist, dass Yiyoung mit den Gefühlen für den Chef seines Chefs seines Chefs […] in einer nicht gerade einfachen Position ist. Aber zumindest haben beide trotz ihres schwierigen ersten Treffens ein Gefüh dafür bekommen, dass der jeweils andere doch ein guter Kerl ist. Und man darf sich auf Band 2 freuen.

„heimkehren und neu anfangen“ Cocomi (Egmont Manga)

Der Titel ist im Grunde auch die Zusammenfassung des Inhalts. Mitsuomi ist ein Mittzwanziger, der kürzlich aus seinem Bürojob gefeuert wurde und zurück in die Heimat gegangen ist. Wieder bei seiner Familie tun sich alte Quärelen auf. Davon abgesehen weiß er noch nicht, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen will. Mitsuomis grantiges Gemüt wird von seinem in etwa gleichaltrigen, neuen Nachbarn Yamato aufgefangen. Der ist immer fröhlich, zufrieden mit seinem Job, aber hat etwas nicht, das Mitsuomi als selbstverständlich erachtet – Familie. Yamato wurde erst als schon fast Erwachsener adoptiert. Das Thema der Vergangenheitsbewältigung und gefühlten Orientierungslosigkeit ist denke ich für viele Erwachsene Leser*innen ein immer mal wieder aufkeimender persönlicher Konflikt. Habe ich den richtigen Weg eingeschlagen? Breche ich doch nochmal alle Zelte ab und mache etwas ganz anderes? Was nicht heißt, dass jüngere Leser*innen hier keine Anknüpfungspunkte finden. Als Shounen Ai Titel ist „heimkehren und neu anfangen“ vor Allem empfindsam (und übrigens jugendfrei). Das Thema Familie vermissen vs familiäre Konflikte verarbeiten bietet für so ziemlich alle Lesenden eine Projektionsfläche. Auch mich hat Yamatos Vergangenheit und die Freundschaft der Beiden mit aufkeimenden Gefühlen berührt.

Cocomis Artwork ist schön, schnörkellos und verzichtet dankbarerweise auf blumige Stilmittel. Das Landleben spielt eine Rolle, aber leider gibt es wenig Hintergründe in den Panels. Das schöne Artwork auf beispielsweise dem Cover hätte ich mir in ähnlicher Form im Manga gewünscht um die Weite der ländlichen Regionen zu illustrieren, auf deren Straßen Mitsuomi und Yamato beispielsweise oft mit dem Auto unterwegs sind. Obwohl der Manga in einem Band abgeschlossen ist, gibt es ein Sequel unter dem Namen neu anfangen und glücklich sein, das offenbar ab dem 08.02.2022 bei Egont verfügbar ist.

Das Ende von „20th Century Boys“ und „Akamatsu & Seven“ hat mich auch seit langem mal wieder vor die Frage gestellt, ob ich die letzten Bände in „angelesen“ noch besprechen oder das überspringen und die ganze Reihe in einem extra Beitrag diskutieren will. Bei beiden Reihen werde ich beides machen. Eigentlich fände ich es charmant, wenn interessierte Leser*innen, die noch darauf warten den letzten Band zu lesen hier einen kleinen, spoilerfreien Einblick bekommen können. Bespreche ich die komplette Reihe, gehe ich wahrscheinlich weniger auf den letzten Band ein. Aber andererseits … wieviele Leser*innen hat denn „angelesen“? Mein Eindruck ist manchmal gar keine (gemessen an Likes und Kommentaren), manchmal ein paar. Schwierig. Vielleicht verratet ihr mir in den Kommentaren eure Präferenz!? 🙂 Zusammenfassend haben mir die drei oben besprochenen Manga sehr gefallen. Wie ging es euch mit denen? Habt ihr die zufällig auch gelesen?

In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂

2 Antworten

  1. […] On or Off, Bd. 1 Midnight Mass Benjamin Myers „The Offing“ […]

  2. […] die schon stärker auffallen als in anderen Webtoon-to-Print Konvertierungen. Ich denke da an On or Off uvnm., die sicherlich aber auch den Vorteil haben, dass sie allgemein wenige lange, vertikale […]

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