„Matrix Resurrections“ ja oder nein? Als der Film 2019 angekündigt wurde, war ich alles andere als begeistert. Schon „Matrix Reloaded“ und „Revolutions“ haben dem Kanon des ersten Films viel spannendes hinzugefügt, aber auch vieles verwässert. Wenn schon die beiden ein schwieriges Erbe antraten wie würde das dann einem vierten Teil ergehen, der sich wahrscheinlich von Anfang an den Vorwurf gefallen lassen muss eine unnötige Fortsetzung und Money Machine zu sein? Haha, machine, ihr wisst schon, weil… ja. Obwohl ich also anfangs gar nicht gehen wollte, war ich dann doch zu neugierig. Und – war es so wie befürchtet? Besprechung ist spoilerfrei, nicht für die Vorgängerfilme.
Dabei ist es gar nicht so abwegig, dass Matrix fortgesetzt wird. Als ob sich die Wachowski-Schwestern die Tür offen halten wollten, endete schon Revolutions mit der Frage wie lang der Frieden halten kann und der sinngemäßen Antwort „solange es eben hält.“ Zu Beginn von Matrix Resurrections begegnen wir Bugs (Jessica Henwick), die einen Mod der Matrix untersucht, der eine leicht veränderte Version der Geschehnisse rund um Trinity und Neo zu Beginn ihrer Revolution durchspielt. Dort begegnet sie einem Agenten (Yahya Abdul-Mateen II), der aber offenbar erweckt wurde, sich Morpheus nennt und weiß, wo sich „Thomas Anderson“ befindet. Tatsächlich wusste niemand, ob Neo noch lebt. Lebt Neo aber? Denn „Thomas Anderson“ (Keanu Reeves) ist in der Matrix Game Designer der viel gehypten Matrix-Reihe. Für ihn verwischen die Grenzen der Realität und er erörtert seine Psychose regelmäßig mit seinem Psychoanalytiker (Neil Patrick Harris). Nur aus der Ferne betet er die Familienmutter Tiffany (Carrie-Anne Moss) im Coffee Shop seines Vertrauens an, hat bisher nicht gewagt sie anzusprechen. Bis Morpheus und Bugs an seine Tür klopfen und ihn erneut vor die Wahl stellen: rote oder blaue Pille?
„MATRIX 4: Resurrections Trailer 2 German Deutsch (2021)“, via KinoCheck (Youtube)
Zwar fühlt sich das erste Drittel von Matrix Resurrections leider deutlich mehr nach Popcornkino an und eigentlich will man unseren Neo nicht erneut als gefangenen Zweifler sehen, aber alles andere daran macht durchaus Spaß. Die Grenzen zwischen (einer) Realität und (einer) Fiktion verwischen und Games (wie alle Medien?) werden als ein selbst gewählter Eskapismus aber vielleicht auch ein Wunsch nach Simulation und Emulation dargestellt. Freier Wille bedeutet hier auch: du kannst eben auch die blaue Pille nehmen, wenn du zufrieden mit dem bist, was du hast.
Thomas Anderson denkt einerseits er ist Neo, aber andererseits hat er vielleicht auch einfach eine fatale Psychose? Vielleicht kann er fliegen, vielleicht ist es aber auch ein Selbstmordversuch, wenn er versucht vom Hochhaus zu springen? Die Pillen, die ihm sein Therapeut verschreibt sind halt zufällig blau. Dann soll ein vierter Teil seiner Game-Reihe erscheinen. Aber eigentlich wollte er doch nicht zurück in die Matrix. Das alles fühlt sich herrlich meta an und zieht durch die Game-Metapher eine Parallele zu unser aller Leben. Denn jeder von uns wählt Eskapismus in irgendeiner Form. Danach beginnt eine logisch funktionierende Geschichte darum wie es kommt, dass Neo und (vielleicht auch) Trinity überlebt haben. So bahnbrechend und rebellisch wie die ersten drei Teile kann es sich aber allein schon deswegen nicht anfühlen, weil es einzig darum geht, dass unsere einstigen Held*innen eben doch wieder gefangen wurden und wieder befreit werden sollen. Es ist ein Ausweg um nun vielleicht doch zu sehen wie Neo und Trinity am Ende glücklich und vereint sind. Vielleicht. Matrix Resurrections kann nur symbolisch sein – es ist nicht die Befreiung der unterjochten Menschheit, sondern zweier Personen. Müssen Held*innen auch Märtyrerstatus haben oder dürfen die auch in den Sonnenuntergang reiten? Ist das nun weniger wert? Das müssen Zuschauer*innen für sich selber entscheiden.
Eigentlich will ich Lana Wachowski die volle Punktzahl geben können. Die Wachowski-Schwestern persönlich bekommen von mir die volle Punktzahl, weil sie bahnbrechende, visionäre Ideen auf die Mattscheibe birngen. Dabei spreche ich nicht nur von Matrix, sondern auch von Sense8. Von Cloud Atlas. Sie treten außerdem ohne sich beirren oder den Mund verbieten zu lassen in die Öffentlichkeit und demonstrieren allyship für die queere Gemeinde, derer sie teil sind. Und der hier am Drehbuch mitwirkende David Mitchell – der kriegt von mir auch volle Punktzahl für sein David-Mitchell-Sein. Deswegen würde ich Matrix Resurrections liebend gern supertoll finden. Auch aus Nostalgie – ich bin mit der Matrix-Filmreihe groß geworden und habe die Ideen darin etliche Male neu denken und entdecken müssen. Gehirne im Tank, Gegenkultur und Gnostizismus hat bei mir als der erste Teil erschien (ich war 11) nicht soviel gesagt wie zehn oder zwanzig Jahre später. Obwohl das erste Mal Schauen von Matrix schon eine Offenbarung war, blieb es nicht die letzte.
Tatsächlich ist das Fundament auf dem der Film steht aber sehr wackelig. Man hätte für diesen „Meta“-Anfang um Thomas Anderson eine Menge Konstrukte wählen können. Ein Teil von mir hätte sich gewünscht, dass sie einen anderen Weg gegangen wären. Dass sie in Frage gestellt hätten, ob die Matrix vielleicht auch nur eine Matrix in der Matrix ist. Dass der erneut erwachte Neo vielleicht auch nur in einer anderen Matrix aufwacht. Dass immer noch alle im Tank liegen und Batterie spielen und es nie eine Revolution gab. Ein anderer Teil von mir hätte diese Idee in einer Filmbesprechung dann aber als „zu einfach“ kritisiert. Es ist schwer eine Trilogie nach sovielen Jahren zu Leben zu erwecken und alle macht man sowieso nie glücklich mit solchen Unterfangen. Es soll neu sein, es soll aber auch gleichzeitig alt sein. Das ist ein Widerspruch! Fangen wir mit dem an, was vom Alten fehlt: Das Cyberpunkt-Feeling. Autsch. Es ist schlimm, dass das fehlt. Matrix ist menschlicher geworden. Es bewegt sich deutlich weniger in der Theorie und Philosophie von „Hirn im Tank“ und mehr in „Hirn durch Pille in einem anderen Tank“. Vieles davon spiegelt sich in anderen filmischen Elementen wieder. Die Musik hat nicht den cyberpunk-getränkten „Mona Lisa Overdrive“-Electro und Rock-Touch. Die Verwendung von Jefferson Airplanes „White Rabbit“ ist ein erster Hinweis, dass wir hier etwas sehen, dass sich anders anfühlt. Das Problem ist: erfindest du etwas neu, dann mag das ok sein. Willst du aber etwas wiederauferstehen lassen (Hinweis zum Filmtitel), dann erwartest du, dass du bekommst was du kennst.
Was ist neu? Die herrlichen Meta-Elemente am Anfang können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Story eigentlich sehr dünn ist. Eingestreute Elemente wie die Allianzen mit Maschinen und „süßen“ Maschinen-Allieerten helfen genauso wenig wie seltsame Auftritte von „Exilanten“. Selbst die aus der Trilogie auftauchenden Figuren haben dadurch fragwürdige Cameos, die Fans nicht zufrieden stellen werden. Die anderen großen bekannten Gesichter wie Hugo Agent Smith Weaving werden vermisst, auch wenn Jonathan Groff natürlich ähnlich süffisant ist. Es macht Spaß Yahya Abdul-Mateen II als Morpheus mit reichlich Swag zu sehen. Es macht Spaß zu sehen, dass unser Max Riemelt und Wachowski-Alumn hier mitmachen darf. Jessica Henwick als Bugs ist so cool! Das Team lässt außerdem einige Botschaften einfließen, die sehr zeitgemäß sind und zum Umdenken alter Konzepte aufrufen. Das wiederum ist sehr Matrix! Mehrmals wird Ablehnung binärer Konzepte erwähnt werden, durch Bugs und Agent Smith. Die Matrix ist eine Welt von Einsen und Nullen – einem binären Konzept, weil binär bedeutet zweiwertig. Aber wir können uns dagegen auflehnen und die Realität abbilden. Shoutout zu nicht-binärer Geschlechtsidentität. Auch der spätere Vorschlag die Matrix neu zu gestalten und überall Regenbögen an den Himmel zu malen ist eine schöne Botschaft pro LGBTQ+ Community. Tatsächlich sind diese Visionen und der Meta-Thomas-Anderson die Dinge, die dem Film alle Punkte einbringen, die ich gewillt bin hier unten hinzumalen. Wenn sich der Rest doch nur etwas mehr nach Matrix und Cyberpunk anfühlen würde statt wie ein bemüht um die vorherigen Narrative gewickelter Aufguss.
Matrix Resurrections, USA, 2021, Lana Wachowski, 148 min, (4/10)
Wer ein Fan der John-Wick-Filmreihe ist, findet in dem Film übrigens in einer Nebenrolle Chad Stahelski, den Regisseur der ersten drei Teile. Es ist schon ganz witzig wie uns „Matrix Resurrections“ den Spiegel vorhält. Warner Brothers wird direkt erwähnt, wir befinden uns alle in einem Loop, suchen Eskapismus daraus, der uns einlullt … usw. Ziemlich gut, aber auch noch nicht rebellisch genug. Es war ziemlich knifflig zu formulieren, was an dem Film nicht passt. Das TLDR; würde wohl so aussehen: es fühlt sich einfach nicht nach Matrix an. Die Cyberpunk-Motive und philosophischen Konzepte fehlen. Umso gespannter bin ich nun wie ihr den Film empfunden habt? Yay or nay?
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