ausgelesen: Gou Tanabe „H.P. Lovecrafts Berge des Wahnsinns“

Wenn ich derzeit rausgehe, dann fühle ich mich auch wie bei einer Arktisexpedition. Minus kosmischem Horror, dankbarerweise. Aber in der Fiktion verfolge ich es nur zu gern, was man wohl alles im ewigen Eis finden könnte. Berge des Wahnsinns zählt zu einer der bekanntesten Geschichten H.P. Lovecrafts und auch zu meinen Lieblingsgeschichten des Meisters, wenn nicht sogar Begründers, des Kosmischen Horrors. Vor einer Weile ging es hier im Blog im Zusammenhang mit Filmen genau darum. Vor Allem darum, dass Kosmischer Horror schwer abzubilden ist. So läuft das Subgenre oftmals Gefahr sich in Plattitüden und ausgetretenen Pfaden zu verlaufen, wo in der Literatur doch häufig Superlativen wie ein „unbeschreibliches Grauen“ als Beschreibung herhalten müssen. Wie zeigt man beispielsweise eine noch nie gesehene „Farbe aus dem All“, wenn die unaussprechlich, fremd und unbeschreiblich ist? Gou Tanabe hat es gewagt Lovecraft in Bilder zu gießen und mehrere Reihen von Manga-Adaptionen zu Lovecrafts bekannten Geschichten gezeichnet. Darunter 2017 Lovecrafts Berge des Wahnsinns, erschienen in zwei Bänden, die auch seit 2020 in Deutschland erhältlich sind. Soviel darf ich vorweg nehmen: das unaussprechliche hat Gou Tanabe in den Bänden meisterlich eingefangen.

Dabei hält sich Tanabe sehr dicht an die Vorlage Lovecrafts, die vom Geologen William Dyer handelt, der mit einer Expedition in die Arktis aufbricht, um dank einer neuen Bohrvorrichtung Gesteinsproben zu nehmen. Während ihrer Arbeit stoßen sie auf eine Masse an Fossilien ihnen vollkommen unbekannter Lebewesen. Vor Allem für den Biologen Lake eine sensationelle Entdeckung, die er weiter untersuchen will. Dazu trennen sich die Lager, Lake und seine Kollegen widmen sich den Fossilien und untersuchen sie auf der Stelle – mit verheerenden Folgen.

Mangaka Gou Tanabe gießt die Erzählung Lovecrafts in sehr detaillierte und realitätsnahe Zeichnungen. Wer also bisher wenig Berührungspunkte mit Comics oder Manga hat, wird hier vermutlich einen leichten Start haben. Aber es ist nicht nur, dass Tanabe sich das Quellmaterial zu Herzen genommen hat, sondern v.A. auch gelingt es die Ausmaße der Entdeckung einzufangen, was sich in einigen fantastischen Doppelseiten äußert. Dyer und Lake finden Reste ganzer Kulturen im Eis und bald auch deren Stadt, was zu meinen Lieblingsszenen gehört. Der enorme Detailgrad Tanabes Zeichnungen zeugt auch von Aufwand und Fleiß, wie ich ihn schon lange nicht mehr gesehen habe. Nicht umsonst heißt es aber Kosmischer Horror. Es gibt Anlass zum Gruseln und auch einen gewissen Anteil grafischen Gores, den man abkönnen muss. Als Gesamtpaket ein sehr lohnenswerter Manga, der nicht nur wegen der eisigen Weiten der Arktis das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Fazit

Großer Tipp, auch für Manga-Einsteiger

Besprochene Ausgabe: ISBN 978-3-551-72456-4, 978-3-551-72457-1, Carlsen Manga

Da sind wir nun also schon beim 18. Türchen des Blog-Adventskalenders. Alle anderen Artikel verstecken sich hinter dem Tag booleantskalender-2022. Welche Gou Tanabe Manga könnt ihr außerdem empfehlen? Und wie haben euch seine „Berge des Wahnsinns“ gefallen? Aus dem Interview mit Tanabe auf Manga Passion habe ich übrigens erfahren, dass Tanabe seit 17 Jahren an seinen Lovecraft-Manga arbeitet. Respekt! Das nenne ich Widmung und Ausdauer.

6 Antworten

  1. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Spannend. Ich habe das auch schon öfter mal gesehen, war mir aber nicht sicher, ob das auch was für mich wäre. Aber so von dem, was du schreibst und von den Bildern hier, sieht das sehr interessant aus. Muss ich mir wohl mal holen.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ist auf jeden Fall super detailliert gemacht – ich finde gemessen an dem Zweibänder Gou Tanabe echt stark. Die Bücher sind nur eben nicht ganz billig. Aber man bekommt was dafür geboten. Ich wüsste gern, ob Tanabe den Anflug von Rassismus Lovecrafts auslässt…aber dazu müsste ich mich erstmal erinnern, welche Lovecraft-Geschichten ich so empfunden habe.

  2. Ich habe vor einiger Zeit „Berge des Wahnsinns“ von Lovecraft als mein erstes und bisher einziges Buch von ihm gelesen und erinnere mich, dass es mich damals nicht so sehr abgeholt hat. Ich empfand alles als zu vage, auch als ein bisschen zu langweilig und dabei nicht so gruselig. Dabei find ich das Szenario „Schrecken im Eis“ klasse; ich schaue gerade die Serie „The Terror“ nach der Romanvorlage von Simmons und bin begeistert. Vielleicht hätte ich auch mit dem Graphic Novel in die Geschichte einsteigen sollen – der sieht nämlich toll aus. Grüße!

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Uh, die erste Staffel von „The Terror“ fand ich auch stark! Die zweite trotz des Themas eher mäßiger. Schaust du die auch noch!?
      Ich kann mir vorstellen, dass der Comic bzw Manga (ich bin nicht so ein Fan vom Begriff Graphic Novel) eine hervorragende Alternative ist, wenn die Geschichten von Lovecraft ein bisschen gediegen wirken. Ich hab mal eine zeitlang einige gelesen bzw gehört und fand auch, dass die immer sehr langatmig starten und dann plötzlich eskalieren, wenn man schon das Buch weglegen wollte.

      1. Die zweite Staffel schaue ich auch, aber nicht direkt im Anschluss. Muss erst mal die erste „verdauen“. Fand ich wirklich stark. Für zwischendurch steht das Finale von Brooklyn 99 an, dann werde ich mal in die zweite Staffel von Ginny & Georgia reinschauen – die erste fand ich überraschend gelungen.
        Ja, mit Lovecraft mache ich gerade eine Pause – bei den gerade herausgesuchten 23 für 23 ist er jedenfalls nicht dabei.

  3. Avatar von BoomHoschi
    BoomHoschi

    Ich fange gerade mit „Berge des Wahnsinns“ an, aber ansonsten habe ich von Gou Tanabe; bis auf „Die Farbe aus dem All“; schon die anderen Lovecraft Umsetzungen gelesen und muss sagen: ICH WAR BEGEISTERT!!
    Diese Detailveliebtheit und das Bemühen die Vorlage fast 1 zu 1 darzustellen ist bewundernswert.
    Ich bin eigentlich kein Manga-Freund, aber Tanabe hat es mir angetan!

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