Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Barbie“

Barbenheimer ist ein Kino-Phänomen wie ich schon lange keines mehr gesehen habe. Das Kofferwort hat es aus der Filmbubble in die Tagesnachrichten geschafft. Arbeitskolleg:innen machen im Firmenchat Abstimmungen, ob man Team Barbie, Oppenheimer, Barbenheimer oder nichts davon schaut. Selbst eine Woche nach Kinostart trat ich in einen rappelvollen Eingangsbereich und Kinosaal. Es ist dem Kino nur zu wünschen. Ich hätte mir auch gern das Barbenheimer-Double-Feature an einem Abend gegeben, das ließ aber meine Zeit nicht zu. Die Entscheidung „Oppenheimer“ oder „Barbie“ war für mich dann sehr einfach. Wollte ich noch mehr männliche Narrative Nolans oder wollte ich den weiblichen Take auf die Geschlechterfrage? 😉 Liegt auf der Hand. Die Besprechung ist spoilerfrei.

Barbies (Margot Robbie) Tage laufen relativ ähnlich ab. Morgens ein schönes Outfit aussuchen, vormittags dem Ernst des Lebens widmen und Präsidentinnen-Barbie (Issa Rae) oder eine öffentliche Veranstaltung besuchen, nachmittags auf zum Beach. Dort wartet vielleicht auch Ken (Ryan Gosling) oder die anderen Kens und Barbies. Dann gibt’s erstmal ganz (wortwörtlich) viel „Hi Ken“, „Hi Barbie“, „Hi Barbie“, „Hi Ken“ – und abends Party und Girls Night. Als dann aber Barbie am nächsten morgen aufsteht, hat sie die Realität eingeholt. Die Waffel ist verbrannt, sie denkt plötzlich über den Tod nach und hat Cellulite. Die anderen Barbies wissen, was hilft: sie muss in der „echten Welt“ nach dem Mädchen suchen, das mit ihr spielt. Ihre Sorgen fallen auf Barbie zurück. Und die Konfrontation mit der echten Welt ist ein Schock. Na ein Glück, dass Barbie nicht alleine da durch muss – Ken kommt mit und sie haben auch ihre Neon-Rollerblades dabei. Da kann ja nichts mehr schief gehen.


BARBIE – Trailer #2 Deutsch German (2023), Warner Bros. DE, Youtube

Es gab mehrere und v.A. lange Bestrebungen den Barbie-Film abzudrehen. Amy Schumer war im Gespräch. Ein Drehbuch von Diablo Cody, das ich tatsächlich gern gesehen hätte. Rechte liefen ab, es musste von vorn begonnen werden. Was rauskam hat mich letzten Endes einfach gut unterhalten, obwohl oder vielleicht auch gerade weil ein bisschen Cringe mitfährt. Was der Film direkt zu Beginn zeigt ist das rosafarbene Matriarchat. In Barbieland haben Frauen quasi alle Rollen des öffentlichen Lebens besetzt: vom obersten Gerichtshof bis zur Bauarbeiterin. Ihr Barbieland hat eine seltsame Symbiose mit der echten Welt. Zwar können sie Barbieland gestalten (s. Präsidentinnen-Barbie), aber was Kinder erträumen, funktioniert eben auch in Barbieland. So schweben sie eben durchaus auch mal von der obersten Etagen ihrer Barbie-Villen, weil hey, das ist eben wie Kinder spielen, warum eine Treppe einbauen? Gemäß dem Motto „Life in plastic, it’s fantastic“ ist der Pool massiv, die Teetasse immer leer, aber das ist ok: Barbieland ist ein Ort ohne Schmerz. (Fast.)

Richtig spannend wird es nach der Zuckerwatte-Dröhnung dann, wenn Barbie und Ken die echte Welt betreten und manche Dinge nicht so schnell begreifen, aber die wichtigsten. Zum Beispiel, dass flächendeckend politische Ämter und Vorstände von Männern besetzt werden und das ist nur ein großer Unterschied zu Barbieland. Natürlich begibt sich Barbie auch auf die Suche nach dem Mädchen, dem sie eigentlich ein empowerndes Vorbild sein wollte und erfährt die Wahrheit darüber, was Barbie für Menschen auch bedeutet: unrealistische Schönheitsideale beispielsweise. Auch Mattel und dessen (Film-)CEO (Will Ferrell) haben eine sehr definierte Meinung zu Barbies Ausbruch aus Barbieland. Der Film löst mit dieser Mischung an entsprechenden Stellen Cringe, Lacher oder ansprechende Denkanstöße aus – vor Allem was Geschlechterrollen, Repräsentation und Wahrnehmung betrifft.

Es ist bezeichnend, wenn Barbie und Ken in der echten Welt ankommen und durch ihr grelles Outfit auffallen. Wie die Leute sie anschauen, was Barbie und Ken darüber denken ist der Stoff unserer tagtäglichen Debatten. Sie fühlt sich beobachtet, empfindet es unangenehm und gar als Bedrohung wahr. Ken hingegen findet nix dabei – und merkt gar nicht, dass auch er Teil des Spotts und der anzüglichen Blicke ist. Das Drehbuch von Greta Gerwig und Noah Baumbach ist die Geschlechterrollen-Debatte in a nutshell. Es stellt vorsichtig die Frage, ob eine von Frauen regierte Welt eine glücklichere ist? Fairerweise: es gibt im von Frauen geführten Barbieland keinen Krieg. Aber wie der Film selber anmerkt, heißt das auch nicht, dass niemand „hinten runterfällt“. In einer Szene wird gefragt: wo wohnen eigentlich die Kens?

Trotzdem gibt es einige Dinge, die Barbie nicht auflöst oder nur anreißt und außer Acht lässt. Die Frage ist: bewusst oder unbewusst? Beispielsweise, dass die Mutter des Mädchens, America Ferrera, vorrangig als Mutter auftritt, ihr eigentlicher Name aber sehr wenig fällt? Eigentlich fiel mir erst in der Endroll auf, dass sie Gloria heißt. Oder dass die Barbies es nach all dem was sie gesehen haben, beschließen wieder zum Status Quo zurückzukehren – ok, mit einigen kleineren Ausblicken für die Zukunft zumindest … . Letzteres sehe ich als den gewollten Denkanstoß für Zuschauende, ersteres ist vielleicht nur meiner Wahrnehmung geschuldet. Fakt ist aber auch: er enthält viel Werbung und viel Inhalte, die man auch gut und gern hätte streichen können wie die Mattel-Exkurse. Wiederum sehr witzig sind die zahlreichen Gastauftritt und namhaften Schauspieler:innen in Nebenrollen. Beachtenswert ist die Mischung zwischen teenagergerechten Gags und welchen, die wahrscheinlich eher die erwachsenen Zuschauenden zum Lachen oder diskutieren bringen.

Selbstironie hin oder her ist er kein künstlerischer Film oder definiert das Genre neu. Aber er bricht eine Lanze für Filme von Frauen, für diverses Casting und Repräsentation. Er zeigt wie Kino sein kann, dass zum diskutieren bringt, Debatten und gesellschaftspolitische Stimmungen einfängt und trotzdem unterhält. Wir haben vom Verlassen des Kinosaals, in der Straßenbahn bis Zuhause diskutiert und es waren gute Diskussionen. Diskussionen, positive Gefühle und Lacher, die mich länger begleitet haben als nach manch anderem Film. Wegen des Mangelns an wegweisendem Erzählen, manchen Lücken, der sehr stark in zwei Lager getünchten Optik (pink vs grau) und Werbe-Ballast bleiben ihm für mich die 10 von 10 Sterne verwehrt. Ich wäre aber enttäuscht gewesen, wenn ein Barbie-Film nicht augenzwinkernd selbstironisch ist. Ich will lauthals lachen können – und das habe ich, das hat der Saal. Barbie funktioniert ausgezeichnet und ich hoffe, dass mehr darin die zahlreichen Anspielungen an den Unsinn unserer Geschlechterrollen sehen.

Barbie, USA, 2023, Greta Gerwig, 114 min, (7/10)

Sternchen-7


Billie Eilish – What Was I Made For? (Official Music Video), Youtube

Übrigens bin ich kein striktes Barbiegirl. Als Kind hatte ich eine sehr hübsche Meerjungfrauenbarbie, die ich wie einen Schatz gehütet habe. So habe ich aber auch meine Legosammlung geschätzt und damit genauso viel gespielt. Was man dem Barbiefilm zugute halten muss ist, dass er einen auf Nolan machen könnte und am Ende eben rein einseitige Perspektive erzählt. Statt dem männlich heroischen, das weich-weibliche Narrativ? Damit gibt sich Barbie aber nicht zufrieden, weswegen ich (heute vor de Wahl gestellt) wieder zuerst in den Barbiefilm gehen würde. Oppenheimer schaue ich sicherlich auch noch irgendwann und klar, optisch ist der wahrscheinlich mehr für die große Leinwand. Aber hier gilt nun mal für mich: es geht ums Prinzip. Und so wie ich sehe, dachten das viele. Welchen habt ihr zuerst geschaut? Und wenn die Wahl auf Barbie fiel: warum? Oder warum nicht? Wie hat er euch gefallen?

7 Antworten

  1. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Ja, dass am Ende einfach nur ein Status Quo erreicht wird, fand ich auch mehr als nur merk- und fragwürdig. Ist auch irgendwie eine doofe Botschaft, mit der uns der Film dann zurück lässt…

    Barbie ist schwierig, aber vielleicht ist der Film deswegen auch gut. Weil er eben sehr viel aneckt und eine Diskussion auslöst, die im Kino auch mal sein muss.

    Trotzdem war ich am Ende enttäuscht. Ich hatte mehr Witz, mehr Ironie erwartet. Aber das ganze Set-Design, die Kostüme und der Cast waren toll.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Naja ganz Status Quo war es ja nicht. Es ist denke ich nicht zuviel gespoilert, wenn ich sage: es gab da ja diese Szene „Die Kens sind noch nicht soweit. Aber bald.“
      Das alles spiegelt eben sehr den Zustand der Frauenrechte Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Oder heute noch je nach Haushalt…

      Ich fand den gut, genau weil er soviel reibungspotential hat. Manchmal bin ich sogar richtig enttäuscht, wenn manche Filme so wenig davon haben. Zum Beispiel fand ich neulich „Die Chroniken von Narnia“ sogar ziemlich schlimm, weil er aus der ganzen Kriegsthematik so wenig macht. Ich meine … klar, es ist ein Film, der sich vorrangig an junge Fantasyfans richtet. Aber hallo: sie schicken Kinder in den Krieg, die ein Königreich retten sollen. Äääääh bitte!?

      1. Avatar von donpozuelo
        donpozuelo

        Die ganzen Narnia Sachen kenne ich alle gar nicht. Da will ich mich aber demnächst auch mal ransetzen… jetzt, wo Greta Gerwig ja auch die Neuverfilmung machen wird. Da lese ich dann aber erstmal vorher die Bücher.

  2. Ich habe zuerst Oppenheimer geschaut, weil unser gesamter Bookclub ihn sehen wollte. Barbie hätte ich ohne den ganzen Hype wahrscheinlich nicht sehen wollen, weil ich mit Barbies nie was anfangen konnte. Je mehr ich aber darüber gehört und gelesen habe, desto mehr möchte ich ihn jetzt auch sehen. Der Plan ist dies im Laufe des Augusts im OpenAir Kino zu tun. Freu mich schon sehr drauf und bin – insbesondere nach deiner Besprechung – noch mal mehr gespannt drauf.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Barbies sind auch nicht mein Lieblingsthema gewesen – vorher. Ich habe auch vor einer Weile angefangen auf Barbies und alle ähnlichen Puppen und stark gender-gebrandmarkten Produkte eher herabzusehen, weil mir das Bild nicht schmeckte, das es vermittelt. Halt im Nachhinein betrachtet, weil mit Barbies habe ich tatsächlich gespielt. Aber eben auch mit Lego … wenn man diese Parallele heranziehen will.

      Anfangs war ich auch nicht gerade euphorisch als der Film das erste Mal angekündigt wurde. Als es aber hieß, dass Amy Schumer und später Greta Gerwig involviert sein würden, hatte ich Hoffnung, dass das gut wird und sehr selbstironisch. Und ich hatte echt Spaß im Kino. Kanns also nur empfehlen.

  3. […] was die Charaktere angeht. Wenn es nun um Barbenheimer geht, dann liegt für mich tatsächlich Barbie vorn. Allerdings v.A. weil ich „Oppenheimer“ zu lang finde und es seinen Job als Biopic […]

  4. […] als auf „Barbie“ zu freuen, die Freizügigkeit erwähnten, es als das bessere „Barbie“ betrachten. Klar – in der Wahl seiner Mittel ist „Poor Things“ einfach […]

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