Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Oppenheimer“

Es ist der zwölfte Spielfilm Christopher Nolans und der zwölfte, in dessen Zentrum ein männliches Genie steht. Als „Oppenheimer“ angekündigt wurde, musste ich etwas mit den Augen rollen. Nicht wegen Robert Oppenheimer oder der Person Christopher Nolan per se. Sondern weil es eben sehr nach dem Stoff klingt, der zunehmend „Nolans Ding“ zu sein scheint. Mich aber davon im Kino zu überzeugen, war auch eine klare Sache. Die Besprechung ist spoilerfrei.

Christopher Nolan erzählt hier nach eigenem Drehbuch die Geschichte Julius Robert Oppenheimers (gespielt von Cillian Murphy), beginnend bei seiner Zeit als junger Physiker in Cambridge und Göttingen. Gefolgt von seiner Professur an der University of California, wo er die Quantenphysik in den USA bekannt macht, was ihm wiederum zu Anerkennung in Forscherkreisen verhilft. Der Film ist aber auch einer über das Manhattan-Project und dessen Produkt – dem „Gadget“, der Atombombe. Es erzählt davon wie Oppenheimer zum Vater der Atombombe erklärt wird, von Spionage und der Frage, ob es zwischen all dem Moral gibt.

Es ist eine wahre Geschichte – es ist eine von Spionage, Wettrüsten und Forscherdrang. Zu großen Teilen konzentriert sich der Film auch auf die spätere Neubewertung Robert Oppenheimers Sicherheitsfreigabe während der McCarthy-Ära und welche Rolle Lewis Strauss (Robert Downey Jr.) darin spielt. Dieser Aspekt nimmt einen unerwartet großen Teil des Films ein und verleiht ihm die Aura eines Politthrillers, der v.A. durch gekränkte Egos entfacht wird. Es ist entsetzlich wieviel Banalität hinter den großen Ereignissen der Politik-Kulisse steht und wie diese Leben vieler Menschen beeinflussen. Die Neubewertung hatte das Potential Oppenheimers Karriere und Ruf zu zerstören. Der Rest ist Geschichte wie man so schön sagt.

Oppenheimer | Official Trailer, Universal Pictures, Youtube

Zwischen den vielen Zeitebenen wird insbesondere zu Beginn des Films oftmals hin- und hergesprungen. Einige Designentscheidungen helfen der Nachvollziehbarkeit, aber nur minimal. So sind die Passagen rund um Lewis Strauss Anhörung in Schwarzweiß gehalten – sie markieren die Abschnitte des Films, in denen Oppenheimer nicht auftritt. Insbesondere in der ersten Hälfte des Films ist es trotz visuellen Hilfen (Schwarzweiß-Zeitebene, Alter/Maske, etc.) konfus bis schwierig manche Szenen korrekt in die Zeitebenen einzusortieren. Die vielen auftretenden Personen erschweren es zusätzlich, obwohl das Namedropping all der bekannten Wissenschaftler und Politiker natürlich aufhorchen lässt. Viele Storylines werden nicht komplett ausformuliert und manchen Gedankengängen kann man schwer folgen in den schnellen, stress erzeugenden Cuts. Zwar fügt sich einiges gegen Ende, aber der Film wird dadurch anstrengend und zuweilen langatmig.

In all dem nimmt für mein Empfinden der Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki eine viel zu kleine Rolle ein. Klar, es soll ein Film über Robert Oppenheimer sein, ein Biopic. Aber es gelingt nicht voll hervorzuheben was das mit ihm gemacht hat. Rühren in die Ereignisse? Oder dass er darin eine maßgebliche Rolle spielte? Es hätte dem Film gut getan den erzählerischen Rahmen rund um Strauss so klein zu halten wie möglich. Denn letzten Endes: es ist kein Lewis Strauss Biopic, oder?

Der Film Oppenheimer macht keinen guten Job darin die zwei Bestrebungen aus dem Polit-Thriller und dem Biopic zu verbinden. Aber natürlich ist es eine teilweise mitreißend gefilmte Chronologie der Ereignisse. Die für mich beeindruckendsten Szenen waren die, in denen sich Christopher Nolan & Crew Metaphern zunutze machen. Oppenheimers Rede nach Hiroshima und der anschließende Applaus ohne „akustischen Applaus“ war fast alptraumhaft und unheimlich gut. Die Gesichter im Publikum sind kaum einordbar – sind sie in Ekstase oder Verzweiflung? Für den traumatisierten Oppenheimer erscheinen sie bizarr. Ebenso die Metapher auf das Nacktsein, das Waschen der Schmutzwäsche, das Durchleuchten seines Privatlebens während Oppenheimers „Anhörung“. Dass Nolan weitestgehend auf CGI verzichtet, kommt dem Film in allen Belangen zugute. In seinen Schlüsselszenen war der Film unheimlich gut. Genauso wie Cillian Murphy Oppenheimer unheimlich gut verkörpert.

Oppenheimer, USA/UK, 2023, Christopher Nolan, 181 min, (7/10)

Sternchen-7

„Oppenheimer“ bestätigt meine oben leicht durchschimmernde Kritik an Nolans männlichen, glorifizierten, geschundenen Protagonisten. An seinen sehr „männlichen“ und „elitären“ Filmen. Nolan kann keine Frauen schreiben. Sie sind entweder Femme Fatale oder Damsel in Distress. Auf jeden Fall nehmen sie nie ihr Schicksal selber in die Hand, sondern warten auf unseren bekümmerten (Anti)Helden – mit wechselnden Motiven.

Vielleicht hat Nolan kein Interesse dran. Vielleicht muss er das auch nicht. Eine Freundin mit Autorinnenambitionen sagte mal, dass sie lieber über Menschen schreibt, deren Gefühle sie versteht und das sind in ihrem Fall nun mal Frauen. Vielleicht ist das bei Nolan so und das kann man ihm eigentlich schwer vorwerfen. Aber ich finde es aus vielerlei Hinsicht inzwischen ermüdend, dass Nolan so visionär sein kann, was die Ideen seiner Filme betrifft, aber so vorhersehbar, was die Charaktere angeht. Wenn es nun um Barbenheimer geht, dann liegt für mich tatsächlich Barbie vorn. Allerdings v.A. weil ich „Oppenheimer“ zu lang finde und es seinen Job als Biopic wie auch als Politthriller in meinen Augen nicht gut macht.

Davon abgesehen kann ich sehr die Doku The Bomb empfehlen, die noch bis Dezember in der Arte Mediathek verfügbar ist. Zur Vorbereitung auf den Film war es hilfreich wie auch faszinierend. Man wird einige Personen wiedererkennen und auch welche Testläufe es außerdem gab – mit faszinierendem Bildmaterial.

Eine Antwort

  1. „Nolan kann keine Frauen schreiben.“ Na dann ist es ja gut, dass er es mittlerweile einfach auch gar nicht mehr versucht! Ist ja jetzt auch nicht so, als würde er es schaffen, dass man ein tiefergehendes Verständnis für die männlichen Figuren entwickeln würde. Das Emotionale ist einfach nicht seine Stärke.

    Im Vergleich fand ich „Barbie“ auch den gelungeneren Film.

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