Ach ja. Mit „Ichi the Killer“ geriet mein Japanuary etwas ins Straucheln. Die bestellte DVD enthielt eben doch nur die geschnittene Version, was relativ schnell klar wurde. So musste ich die Extrameile gehen und hatte den Film für den diesjährigen Japanuary schon abgeschrieben. Dann hat es aber doch noch geklappt. Oben drauf gab es einen auf andere Art rasanten Film: „Dead End Run“, der genau das enthält, was der Titel verspricht.
Ichi the Killer
Was die Zuschauer wissen: Yakuza-Boss Anjo ist tot. Das wissen aber weder seine Gang, noch seine rechte Hand Kakihara (Tadanobu Asano – eben noch in Vital gesehen). So nehmen sie erstmal an, dass Anjo abgehauen ist oder entführt wurde und lassen nichts unversucht ihn zu finden. Der auf Schmerzen spezialisierte Kakihara findet dabei kreative Wege etwaige Mitwisser zu foltern. So kreativ, dass das schnell selbst der Yakuza zu krass wird. Währenddessen kennt jemand ganz anderes das Geheimnis um Anjos Verschwinden. Genauer, dass der psychotische Ichi (Nao Omori) der Mörder ist.
Takashi Miikes Ichi the Killer ist eine wohl stark abgewandelte Adaption eines Manga. Personen, die im Film ebenso noch eine nennenswerte Rolle spielen sind u.a. der ehemalige Polizist Kaneko (Sabu), inzwischen ein Handlanger wider Willen der Yakuza. Außerdem die Prostituierte Karen (Alien Sun) und der Informant Jijii (Shinya Tsukamoto), der sich in die Geschäfte der Yakuza einmischt. Damit sind hier zwei namhafte Regisseure auch gleichzeitig Darsteller. Miikes Film zeichnet sich v.A. durch Gewalt (auch sexuelle), Groteske wie auch die ziemlich schlechten Effekte aus. Ob letzteres so gewollt ist, überlasse ich der Spekulation, wundern würde es mich nicht.
In Summe zeichnet der Film ein Bild über die verschiedenen Formen von Gewalt. Kakihara lechzt danach, die Prostituierten sind ihre Opfer, der titelgebende Killer Ichi ist Opfer wie Täter, Kaneko ist durch Gewalt in die Enge getrieben. Am Ende lernen wir wie Gewalt ähnlich der Gesetze der Thermodynamik nicht verschwindet, sondern eine Energie ist, die sich weiter manifestiert und zwangsläufig Reaktionen fordert. Sei es auch nur, dass sie weitervererbt wird wie am Ende anzunehmen ist. Inmitten stehen die Yakuza als treibende Kraft, die andererseits auch als planlos und unorganisiert dargestellt wird. Damit ist Ichi eine Satire auf den Gangsterfilm, gleichzeitig aber schonungslos in der Darstellung von Verderbtheit, Ausbeutung und Gewalt. Ob man das alles so explizit gebraucht hätte oder sehen will, entscheidet zwangsläufig jeder selbst. In seinen Motiven und Charakteren ist der Film optisch so stark wie auch zuweilen abstrus. Die Wahl der Farbgebung und Motive ist meisterhaft.
Ichi the Killer (OT: 殺し屋1), Japan, 2001, Takashi Miike, 130 min, (7/10)
Dead End Run
Mein erster von Gakuryū Ishii. Der Film besteht aus drei Episoden, die alle mit demselben Motiv beginnen. Ein Mann flieht vor einem oder mehreren Verfolgern und landet in einer Sackgasse. Wie es dann weitergeht ist sehr unterschiedlich. Mal surreal-absurd, mal emotional, mal melodramatisch und mit einem Hauch magischem Realismus. In der ersten Geschichte beispielsweise will sich ein Mann seines Verfolgers entledigen, muss aber feststellen, dass er eine harmlose Passantin mit einer Eisenstange niedergeschlagen hat. Die Schuld wiegt schwer und alles nimmt eine seltsame Wendung als sie wieder aufsteht – und beginnt zu tanzen. Die drei Segmente des insgesamt recht kurzen Films eröffnen spannende Sichtweisen auf das Geschehen, die nicht unbedingt naheliegen, aber verblüffen. Nur das zweite Segment ist eher unwirsch und das dritte begeistert recht wenig durch die massive shaky cam.
Alle drei haben insofern Bezug zu dem Titel, dass sie die Flucht und Sackgasse beinhalten. Die Auslegung hätte gern noch etwas unterschiedlicher sein können. Die Sackgasse ist im ersten und zweiten Segment beispielsweise eine kleine, finstere Nebenstraße ohne Ausweg, im dritten Segment ist das begehbare Dach eines Gebäudes die Sackgasse – spannend! Daneben gibt es aber einige weitere Motive, die mehrfach auftauchen und zum Entdecken einladen. Ein kitschiger Ring, ein roter Mantel, etc. Besser nicht entdeckt hätte ich den Green-Screen-Einsatz im letzten Segment. In Summe: ein interessantes und sehenswertes Spiel mit drei Versionen eines ähnlichen Auftakts und überraschend vielschichtigen Charakteren in jeweils kaum zwanzig Minuten.
Dead End Run, Japan, 2003, Gakuryū Ishii, 58 min, (7/10)
Mal abgesehen von Filmen …
… lese ich immer noch an Hideo Yokoyamas Krimi 64! Wird keinen wundern, die knapp über 700 Seiten lesen sich zwar gut weg, aber ganz so schnell bin ich dann doch nicht. Parallel dazu gibt es einige Manga. U.a. lese ich RG Veda weiter, weil mich die vielen Parallelen zu X-1999 angenehm an die Zeit erinnern, in der ich anfing Manga zu lesen. Viele davon ebenso von CLAMP. 😊 Außerdem schaue ich gerade den Anime Onmyōji auf Netflix.
Zu den bisherigen Artikeln
Ankündigung
Besprechung zu „Perfect Days“
Besprechung zu „Der Junge und der Reiher“
Besprechungen zu „Pompo: The Cinéphile“ & „Vital“
Header Image Photo Credits: Andre Benz
Hat sich das jetzt gelohnt sich so viele Umstände zu machen, um „Ichi the Killer“ zu schauen? Man versteht jedenfalls, woher der Kultstatus kommt. Nur insbesondere die Darstellung sexualisierter Gewalt macht den Filmabend dann zu einer Tortur. Dass man im Zusammenhang mit dem Film vorrangig Bilder Tadanobu Asanos als Kakihara statt von Ichi sieht, ist auch spannend. Man kann jedenfalls eine Weile im Nachgang über den Film reden. Die kleinen drei Absätze da oben sind mein Versuch mich kurz zu fassen. Tadanobu Asano ist großartig in allem, was ich bisher mit ihm gesehen habe. Hollywoodfilmen hat ihn zwar auch für sich entdeckt, aber die wissen scheinbar nicht, was sie mit ihm machen sollen.
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