Da war ich dann doch etwas perplex. Eigentlich wollte ich „Stolz und Vorurteil“ mit Colin Firth und Jennifer Ehle für meine zweite Jane-Austen-Adaptionen-Werkschau gucken im Glauben, dass es sich dabei um einen Film-Mehrteiler handelt. Dann aber listen Webseiten die 1995er-Adaptionen als Serie. Ok. Ja. Spaß gemacht hat es so oder so. Und am Ende muss ich nochmal die unbequeme Frage aus der Mottenkiste holen: welche ist am Ende die beste Adaption? 🤔
Mrs. Bennet (Alison Steadman) hat es schon nicht leicht. Sie hat fünf Töchter, die es zu verheiraten gilt. Denn Tradition und Gesetzgebung der damaligen Zeit sehen vor, dass aller Besitz der Familie an den männlichen Erben übergeht. Und das ist ein Cousin der Familie. Wo würden die Bennet-Frauen landen, wenn Mr. Bennet (Benjamin Whitrow) das Zeitliche segnet? Besonderes Augenmerk liegt auf den beiden ältesten Töchtern: die freundliche und schöne Jane (Susannah Harker) und die belesene und nicht auf den Mund gefallene Elizabeth (Jennifer Ehle) sind im heiratsfähigen Alter. Während sie dem Trubel mit Gelassenheit begegnen, können es ihre Schwestern Kitty (Polly Maberly) und Lydia (Julia Sawalha) gar nicht erwarten auf den nächsten Tanz zu gehen. Ihre Schwester Mary (Lucy Briers) empfindet eher Abneigung gegen den Trubel.
Bei all den Wünschen nach Bräutigamschau kommt es den Bennets nur recht, dass der betuchte Mr. Bingley (Crispin Bonham-Carter) plant in die Gemeinde zu ziehen und offenbar ein Auge auf Jane geworfen hat. Sein Freund Mr. Darcy (Colin Firth) könnte ein Match für Elizabeth sein, fällt aber unangenehm durch sein herablassendes Verhalten gegenüber der Landbevölkerung auf. Kurz: er hat schnell verkackt bei Elizabeth. Sie bleiben nicht die Einzigen, die den Weg der Bennets kreuzen und vielleicht Herzen brechen.
Gesehen habe ich die Serie auf der DVD aus der Reihe BBC Literatur Classics – überraschenderweise in der deutschen, um 30 Minuten kürzeren Fassung. Und leider nur mit der synchronisierten Version. Zum Vergleich des „Flairs“ der Serie habe ich mir aber jede Menge Clips auf Youtube angeschaut, die mich dann die Originalversion auch nicht zu stark vermissen ließen. Die Disc-Version könnte aber ein Remaster gebrauchen, denn alles war sehr ungesättigt und die Farben nicht gerade vibrierend. Wenn man sich aber eingroovt und ein paar Minuten geschaut hat, gewöhnt man sich dran. Die Unzulänglichkeiten der Disc bewerte ich nicht. Allerdings auch nicht wie froh ich bin, dass es die Disc immerhin gibt.
Was mir unabhängig von der Fassung Probleme bereitet hat ist die Langatmigkeit im ersten Drittel – und das obwohl ich schon die gekürzte Fassung gesehen habe. Was sicherlich für Freude bei einigen Fans sorgt ist der Umstand, dass die 1995er Serie eine sehr ausschweifende Adaption des Romans ist. Sie spart nichts aus, sondern fügt eher hinzu. Komplett werksgetreu ist sie also auch nicht – aber das ist eh ein Widerspruch. Nach hinten raus nimmt sich die Serie nochmal Zeit Kapitel zu zeigen, die es so im Buch nicht gibt wie die Passagen rund um George Wickhams (Adrian Lukis) Vergangenheit und Gegenwart. Kurzum: nicht alles davon hätte ich so gebraucht, anderes war eine gute Ergänzung. Eine Adaption hat letzten Endes die Freiheit von Adaptionen. D.h. langatmige Passagen auch mal zu kürzen – Schere hätte man definitiv mehr ansetzen können.
Was mir auch ein wenig den Spaß verdorben hat ist, dass meine Sehgewohnheiten und das unvorteilhafte Styling in Kostüm, Maske und Frisuren sich nicht so recht vertragen wollten. Die Serie wird zu recht dafür gelobt, dass sie (auch anhand von zeitgenössischen Illustrationen) sehr viel Wert darauf legt das Leben zur Zeit Austens (Ende 18., Anfang 19. Jahrhundert) möglichst realitätsgetreu abzubilden. Das tut es, soweit es mich meine begrenzten Kenntnisse über Landschaft, Architektur, Kleidung , etc. der damaligen Zeit bewerten lassen. Es wirkt ein wenig so als ob den Hauptfiguren die meiste Beachtung und das ästhetischste Outfit gegeben wurde. Wohingegen die Nebencharaktere nicht ganz so viel Glück hatten. Es sei denn sie bekamen Perücken. Dass Charaktere wie Mrs. Bennet und die jüngeren Schwestern so arg drüber wirken trägt leider zum Cringe bei. Ich wünschte ich hätte die Regie-Anweisung gehört.
Was absolut und ungehindert Spaß macht ist aber die Chemie der Hauptcharaktere. Sowohl Janes als auch Bingleys romantische Verbindung und Strahlen, wenn sie sich begegnen, geht ans Herz wie auch das langsame Will-they-won’t-they von Elizabeth und Darcy. Beide kämpfen auf hervorragende Weise mit dem titelgebenden Stolz und Vorurteil. Es sind winzige Ausdrücke in Mimik und Gestik, die verraten wie arg Jennifer Ehle ins Wanken kommt, ob sie sich des Vorurteils gegenüber Darcy schuldig gemacht hat und ein sehr dezentes, aber spürbares Flehen in Darcys Gesicht, dass sich dieses Unglück noch irgendwie auflöst. Und das funktioniert. (8/10)
So. Jetzt zur Frage, welche die beste Adaption ist. Kurze Antwort: die, die euch am besten gefällt. Schöne Antwort, oder? So frei. Warum stelle ich die Frage überhaupt? Weil ich dafür gerügt wurde, dass ich in diesem Artikel den Keira-Knightley-Film als beste Adaption von „Stolz und Vorurteil“ bezeichnete habe ohne die mit Jennifer Ehle und Colin Firth zu kennen. Jetzt kenne ich sie und meine Antwort bleibt dieselbe. 😅 Mir hat leider diese Adaption hier zu viel Cringe bereitet. Mit den Nebencharakteren bin ich gar nicht warm geworden und musste mich anfangs etwas überwinden überhaupt weiterzuschauen. Aber das schöne ist ja eben: dass das nicht schmälern muss, wenn sie euch besser gefällt und ihr bei der anderen die Vibes empfangt, die ihr in „Stolz und Vorurteil“ sucht. Jede:m das seine, das ihre, das eure.
Und ja. Es wird viel gestarrt. Bevor ihr euch wundert die Sättigung im Video ist stärker als auf der Disc.
Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).
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