Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Evil Does Not Exist“

Vor einer Weile wollte ich Ryusuke Hamaguchis „Wheel of Fortune and Fantasy“ schauen. In den örtlichen Kinos, gar im ganzen Bundesland, war aber der um das angedachte Startdatum herum nicht aufzufinden herum. Gelinde gesagt, war ich verwundert. Schließlich hatte Hamaguchi im selben Jahr den Oscar in der Kategorie „Best International Feature Film“ für Drive my Car gewonnen. Hätte das nicht wirken sollen? Was war es das bei „Evil Does Not Exist“ wirkte? Die Qualität? Oder dass er bei den Filmpreisen in Venedig prämiert wurde?

Takumi (Hitoshi Omika) lebt mit seiner Tochter Hana (Ryo Nishikawa) in einer kleinen Gemeinde in Japan. Ihr Leben könnte man als naturnah bezeichnen. Hana stromert oftmals durch die umliegenden Wälder und Takumi hilft im Dorf aus, um beispielsweise das lokale Soba-Restaurant mit frischem Quellwasser zu versorgen. Eines Tages meldet sich beim Gemeindevorsteher eine Firma, die eine „Glamping“-Anlage bauen möchte. Die Ansässigen und zwei Vertreter der Firma treffen bei einer Informationsveranstaltung aufeinander, stehen Rede und Antwort. Gut läuft es nicht. Als die Firma ihr Vorhaben weiter vorantreibt, passiert unerwartetes.

Am Ende dieses Unerwarteten steht eine kleine Katastrophe. Aber es wäre kein Hamaguchi-Film, wenn das am Ende in hemmungslosen Gore abdriften würde. Hamaguchi findet seit jeher andere Wege um eine deutliche Botschaft zu hinterlassen. Und die ist hier ganz klar der Titel des Films: Evil Does Not Exist. Üblicherweise geschieht alles aus einem Grund, der selten damit zutun hat, dass irgendetwas nur rein gut oder rein böse ist. Die Natur ist dafür Erklärung und Vorbild. Greifen auch Rehe Menschen an? Wird Takumi einmal gefragt. Darauf antwortet er, dass sie das tun, wenn beispielsweise ihr Junges verwundet ist und jemand zu nahe kommt. Sie schnappen über, weil sie schützen wollen. Ein Instinkt. Hamaguchi verbindet das mit dem Konflikt zwischen Erhaltung der Umwelt und Kapitalismus.

EVIL DOES NOT EXIST – Official US Trailer, Janus Films, Youtube

Auch die Angestellten der Firma, die die Glamping-Anlage bauen wollen, sind nicht per se die Bösen. Sie sind die Überbringer einer Nachricht. Wie sich durch die kritischen Nachfragen der Ansässigen offenbart, hat aber ihre Firma frappierend wenig über einige Aspekte nachgedacht. Es ist ein schlauer Move wie Hamaguchi die beiden Lebensweisen und Motivationen zusammenbringt. Während sich der Anfang des Films vor Allem dem Leben Takumis und der Dorfbewohner widmet, wird in der zweiten Hälfte auch Augenmerk auf die beiden Angestellten gelenkt. So viel sei aber auch angemerkt: es passiert „nicht viel“ abgesehen von dem hier geschilderten. Das kommt natürlich darauf an, wie man „passieren“ definiert. Die Beschreibung oben deckt gut zwei Drittel des Films ab und bis es zur Infoveranstaltung der Firma und dem Aufsprudeln des Konflikts kommt, vergeht die Hälfte des Films.

Bis dahin beobachtet man die Ansässigen bei ihrem Leben und dem Verrichten von alltäglichen Arbeiten. Alles in Begleitung von wunderschönen Naturbildern und der Musik Eiko Ishibashis. Denn ursprünglich sollte oder wollte Hamaguchi eigentlich einen 30-minütigen Musikfilm ohne Dialog machen. Nur entstand daraus dann eben doch die Idee zu dieser Handlung. So oder so lebt Evil Does Not Exist eben doch von den Bildern und der wunderbar ruhigen, erdenden Musik Ishibashis. Der Film ist wie ein langer Spaziergang und hat zumindest mich auf angenehme Weise in meinen Ruhemodus runtergefahren. Trotz der sich nur sehr langsam entwickelnden Storyline, fühlt er sich nicht langatmig an – und endet mit einem „Bäm“, das Eindruck hinterlässt. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass das Ende von manchen gelesen wird als „vollkommen klar, was da passiert ist“ bis hin zu „keine Ahnung wie ich das jetzt deuten soll“. Meinen Erklärungsversuch habe ich in der Review versteckt. 😉

Evil Does Not Exist (OT: 悪は存在しない „Aku wa Sonzai Shinai“, Japan, 2023, Ryusuke Hamaguchi, 106 min, (8/10)

Sternchen-8

Meine etwas ketzerisch-kritischen gemeinten Worte im Einleitungstext gelten wie man der Bewertung entnehmen kann nicht dem Film, sondern der manchmal schwer zu durchblickenden Frage danach welche Filme es in die Kinos schaffen und welche nicht. Ich bin jedenfalls froh, dass wir „Evil Does Not Exist“ auf der großen Leinwand OmU sehen konnten. Auch wenn meine Begleitung sich nur schwer mit dem Ende versöhnen konnte. Habt ihr den Film gesehen und wie hat er euch gefallen?

3 Antworten

  1. Den Film möchte ich auch gerne im Kino sehen, jetzt nach deiner Besprechung noch mehr. Aber ja – schon seltsam, nach welchen Kriterien es so geht.
    Dabei fällt mir auf, das ich „Drive my Car“ immer noch nicht gesehen habe. Muss ich jetzt dringend mal nachholen.
    Liebe Grüße, Sabine 🙂

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      „Drive my Car“ ist meine ich noch bis Ende Mai in der Arte Mediathek, wenn ich mir das richtig gemerkt habe 🙂 Da hast du also evtl gute Karten.
      Ich freue mich derweil, dass „Wheel of Fortune and Fantasy“ bei der Nippon Connection in Frankfurt läuft, yay 😀

  2. […] habe, kamen Serien und Filme eher etwas kurz. Immerhin war ich mit einer lieben Freundin zu Evil Does Not Exist im Kino. Wie ihr schon nachlesen könnt, hat mir der sehr gefallen. Ansonsten habe ich ein paar der […]

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