Über Season 1 von „Heartstopper“ habe ich mich in Worten so verausgabt und so gelobt, dass ich wohl direkt vergessen habe mit dem Lob in Staffel 2 weiterzumachen? 🤔 Deswegen gibt es heute das Doppelpack, gleich noch mit der dritten Staffel. ♥ Die Besprechungen selbst sind spoilerfrei, enthalten aber welche für vorhergehende Staffeln. „Is everyone ready for Paris?“ 😉
„Heartstopper“ Season 2
Charlie (Joe Locke) und Nick (Kit Connor) sind inzwischen ein Paar, wobei sie das Thema Outing (verständlicherweise) weiterhin beschäftigt. Während Charlie es seinen Eltern sagt und nicht die erhoffte Reaktion erlebt, hadert Nick mit sich, ob er bereit ist sich vor anderen als seiner verständnisvollen Mutter (Olivia Coleman) als bisexuell zu outen. Währenddessen ringt Tao (William Gao) mit sich, ob er Elle (Yasmin Finney) seine Gefühle gestehen soll. In all dem Gefühlschaos stehen dann auch noch Abschlussprüfungen an (weniger heiß ersehnt) und danach die (schon eher heiß ersehnte) Paris-Klassenfahrt.
Genau die ist nicht nur innerhalb des Heartstopper-Kanons mit vielen Erwartungen verbunden, sondern auch unter Fans der Comics. Denn es passiert eine Menge. 😁 Ohne zu viel verraten zu wollen ist eins der Details, die ich selber auch im Comic schon sehr mochte die Lehrerromanze zwischen Mr. Ajayi (Fisayo Akinade) und Mr. Farouk (Nima Taleghani), die sich allerdings auch nicht so ganz einfach gestaltet. Abgesehen davon hat die zweite Staffel das große Plus, dass sie den Nebencharakteren ausführlichere und rundere Storylines gibt und mehr Raum zur Charakterentwicklung. Wir erfahren mehr, deutlicher und schmerzhafter wie Darcy (Kizzy Edgell) zu Hause behandelt wird und wie es ihre Beziehung zu Tara (Corinna Brown) beeinflusst. Das ist schon etwas mehr real talk in der Staffel als all die super unterstützenden und verständnisvollen Familien, die uns die erste Staffel mit auf den Weg gegeben hat. In all dem blickt Isaac (Tobie Donovan) zwischen all den Paaren hin und her und sucht seinen Platz darin. Ein kleines Highlight ist wie Heartstopper Season 2 hier beginnt die Aro/Ace Lücke zu schließen, die Begriffe zumindest fallen zu lassen.
Natürlich kommt all diese Charakterentwicklung zu einem gewissen Preis. Der Anfang der Staffel ist eher disharmonisch und streckt sich dadurch sehr. Gerade Kenner:innen der Comics warten auf Paris, müssen aber aushalten bis serieneigene Storylines wie die um die Abschlussfeier im Wald durch sind. Das trifft sicherlich nicht alle Zuschauende gleichermaßen. Auffälliger ist aber wohl noch wie sehr die Serie auf Musik zur Erzeugung von Stimmung setzt, was der Atmosphäre gar nicht so zuträglich ist und sich stellenweise eher wie Dauerbeschallung anfühlt. Gerade in Serien, die sich an (vorrangig) an Teenagerpublikum richten, sieht man das sehr häufig und es hilft sicherlich dem vermitteltem „Energielevel“. Aber ist das so schick, wenn einem die Gefühle vorgegeben werden, die man empfinden soll? Denn das geschieht zwangsläufig durch den Einsatz von Musik. Weniger wäre hier mehr gewesen in einer natürlich immer noch sehr schönen und wertvollen Serienstaffel. (9/10)
„Heartstopper“ Season 3
Vorweg: Euros Lyn hat in Staffeln 1-2 einen hervorragenden Job gemacht, Andy Newbery setzt hier genauso hervorragend als Regisseur an. Genauso wie Alice Oseman in der Adaption ihres Comics als Drehbuch und alle Darsteller:innen. Heartstopper ist in der dritten Staffel immer noch eine Augenweide und trifft den richtigen Ton. Nachdem Nick bereits in Paris eine Ahnung bekommen hat, dass Charlie ein Problem mit Essen hat, bestätigt sich der Verdacht und er versucht ihm zu helfen. Dass das sehr schwierig ist und eine große Last auf den Schultern des Betroffenen wie auch in diesem Fall seines festen Freundes muss er während des Urlaubs auf Menorca lernen, wo er immerhin (anders als im Buch) mit seiner Tante (Hayley Atwell) eine kompetente Ansprechpartnerin hat. An Charlie wiederum wird demonstriert wie zerrissen Menschen angesichts der langsamen Realisierung sind, dass sie vermutlich vor einem Problem mit mentaler Gesundheit stehen. Anders als ein gebrochenes Bein sieht einem das niemand an und Gefühle werden schnell verletzt, Symptome schlimmer. Die Serie vermittelt das sehr empathisch und geht wohl eines der schwierigsten Kapitel des Heartstopper-Comics sehr bewusst an.
Natürlich vergisst Heartstopper dabei nicht all die anderen liebenswerten Charaktere. Es werden weiter die Belange der anderen aufgegriffen und manche davon auch tiefer als in den Comics oder gar mit serieneigenen, bereichernden Storylines. Beispielsweise Isaacs Sinnsuche zwischen all den Paaren oder auch die Zukunftsängste Taras (Corinna Brown). Von der scheinen alle zu wissen, dass sie mal in Oxbridge oder etwas äquivalentem studieren sollte. Aber will sie das auch? Darcy (Kizzy Edgell) muss sich derweil fragen, ob sie wirklich weiter bei Tara wohnen kann oder ihre familiäre Situation neu bewerten muss. Auch stellt sich für ein Mitglied des Freundeskreises die Frage, ob bisherige Geschlechterbezeichnungen sich noch richtig anfühlen. Zwar wird das nur sehr kurz angerissen, aber auch hier entwickelt die Serie die Handlung aus dem Comic (meiner Meinung nach) konsequent weiter. Was es bedeutet, wenn die großen Fragen öffentlicher Debatten auf Schultern junger Menschen abgeladen und ausgetragen werden, muss wiederum Elle (Yasmin Finney) merken. Stark!
Das ist eine Menge, oder? Ist es! Die Serie adaptiert damit sogar weitestgehend bereits den fünften Band des Comics und Alice Osemans Roman This Winter, über den ihr bei Little Queer Review ausführlicher lesen könnt. 😉 Damit hat die Serie nun den Veröffentlichungsstand der Comics in Deutschland (fast) eingeholt. Und: wie der Titel This Winter wohl schon verraten hat, beschert es uns eine Weihnachtsepisode. ♥🎄 Wem das noch nicht an queer und wholesome genügt, kann sich ja mal von Isaacs Leseliste inspirieren lassen. (Externe Links zu Listen für Season 1-2 bei Goodreads, Season 3 bei Den of Geek – übrigens mit einem Buch, das in den USA in einigen Staaten verboten wurde!)
Was die dritte Staffel auch hat: dass sie Tori (Jenny Walser) mehr mit einbezieht. Es wurde stets gezeigt wie viel sie sich um Charlie sorgt und nun konsequenterweise auch wie schmerzlich es für sie ist, dass er sich anderen hilfesuchend zuwendet. Darüber hinaus trumpft Heartstopper seit jeher mit Support von großen Schauspielnamen in Nebenrollen. Neben beispielsweise Olivia Coleman in früheren Staffeln, dieses Mal Hayley Atwell, Jonathan Bailey und Eddie Marsan. 👏 Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht was zu meckern hätte. Zumindest kann ich das kurz halten. Heartstopper ist wunderbar, aber meine Kritik mit dem Überstrapazieren von Musik bleibt. Auch finde ich, dass Heartstopper seit der zweiten Staffel seltsame Stellen für den Staffelschnitt findet. (9/10)
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An dieser Stelle noch ein Geständnis über die Gründe, warum ich Staffel zwei so lange nicht besprochen habe. Ich finde die Teenies sehr laut und anstrengend und manchmal die ständige Fröhlichkeit etwas aufgesetzt. Jetzt zeigt Miss Booleana ihre dunkle Seite, mh? Aber wie ich in der dritten Staffel gelernt habe, geht es Charlies Schwester da ähnlich. Also. Don’t blame me. 😉
Das ist übrigens einer der Aspekte, die mir zu subjektiv erscheinen, um sie in die Wertung aufzunehmen wie auch den Fakt, dass alle der Familien ziemlich privilegiert wirken. Es gäbe der Serie noch einen weiteren, realistischeren Angle, wenn unsere Teens mit Mittelknappheit zu kämpfen hätten oder ihre Freunde nicht nur ein paar Straßen weiter wohnen und damit ein sehr einfach erreichbarer Rettungsanker sind. Aber was soll’s. Eine Serie muss nicht alles leisten. Erfreuen wir uns an „Heartstopper“ wie es ist. Das meine ich auch so. Dieser Post ist Teil des Booleantskalenders 2024. Unter dem Link findet ihr alle Türchen, d.h. alle Beiträge aus der Vorweihnachtszeit. 🎄
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