Der Auftakt zum „Japanuary“ hätte nicht besser sein können! Mit einem Film, an den ich die Erwartung hatte, dass er große Klasse wird. Einem, von dem ich die Befürchtung hatte, dass er nicht so toll wird, aber sehr war und einem, der genauso war wie ich dachte, dass er werden würde. Ihr könnt gern raten, welche gemeint sind. 😉 Die Besprechungen sind spoilerfrei.
Die Unschuld
Wahrscheinlich besser bekannt unter seinem internationalen Titel Monster beginnt der Film mit der Alleinerziehenden Saori (Sakura Andō), die befürchtet, dass ihr Sohn Minato (Soya Kurokawa) in der Schule gemobbt wird. Sie verdächtigt insbesondere den Lehrer Hori (Eita Nagayama) und fühlt sich hilflos und nicht ernst genommen bei Gesprächen mit dem Schulpersonal. Im Folgenden wird das Geschehen aus Sicht mehrerer Personen erzählt, auch der des Lehrers und Minatos. Jedes Mal gewinnen wir Wissen dazu, das unsere Einschätzung der Personen und Situation komplett dreht. Faszinierend: manchmal ist es nur ein Geräusch, dessen Ursprung wir kennenlernen, manchmal eine Phrase, manchmal eine bis dahin nicht erklärbare Handlung der Personen.
Besonders spannend ist auch die Frage, wer die titelgebenden Monster sind. Für Saori in der Mutterrolle sind das erstmal die Mobber. Später werden wir die Lehrer darüber referieren hören, dass Eltern oftmals anstrengender als die Kinder seien. Wir finden Beweise für beides, je nachdem aus welcher Perspektive gerade erzählt wird. Auch verblüffend: jede Perspektive erscheint nachvollziehbar. Wo die Bezeichnung Monster dann wirklich herkommt, überrascht und schockiert. Hirokazu Koreeda hat den Film nach einem Drehbuch von Yūji Sakamoto exzellent komponiert und Fingerspitzengefühl dafür bewiesen eine emotionale Geschichte zu erzählen, in der früher oder später der Satz fällt „Wenn es nicht für jeden da ist, sollte man es nicht Glück nennen“. Darüber hinaus ist es der letzte Film, zu dem Ryūichi Sakamoto einen Soundtrack beisteuern konnte.
Die Unschuld (OT: 怪物 „Kaibutsu“, international: „Monster“), Japan, 2023, Hirokazu Koreeda, 125 min, (10/10)
Golden Kamuy
Der Anime hat mir schon sehr gut gefallen, die Live-Action-Adaption als Spielfilm wiederholt in etwa das Material der ersten Staffel. Darin wird der Soldat Saichi Sugimoto (Kento Yamazaki, kennt man vielleicht auch aus Alice in Borderland und The Yin Yang Master Zero) in der Meiji-Zeit und unmittelbar nach dem Russisch-Japanischen Krieg auf eine Legende aufmerksam. Nach der ist in der nördlichsten japanischen Region, Hokkaidō, ein legendärer Goldschatz versteckt. Der Weg dorthin ist auf die Körper einiger kürzlich flüchtig gewordener Gefängnisinsassen tätowiert. Sugimoto glaubt zwar anfangs nicht daran, braucht aber Geld, ist in Hokkaidō und tatsächlich fällt ihm ein solcher Tätowierter quasi vor die Füße – dann ist bald der Plan geboren den Schatz aufzuspüren.
Ein großer Bestandteil der Handlung, der Golden Kamuy auch so wichtig und cool macht ist das Involvieren der Einheimischen Ainu, einer Völkergruppe, die heute kaum noch existiert. Sugimoto begegnet in der Wildnis Hokkaidōs zuerst Asirpa (Anna Yamada), einem jungen Ainu-Mädchen, das sich dort sehr natürlich durchschlägt und ihm mehrere Male das Leben rettet. Auch die Ainu haben ein berechtigtes Interesse an dem Schatz und sie beschließen zusammenzuarbeiten. Im Laufe des Films (und Mangas und Animes) lernt man daher einiges über die Ainu und ihre heute fast ausgestorbene Sprache. Davon abgesehen ist Golden Kamuy feinste Blockbuster-Kost und eine sehr gute Anime-Verfilmung. Die Kostüme und Kulissen sind klasse, die Handlung macht wenig Abstriche und hält sich größtenteils an die Vorlage. Anpassung an Timing, Dramaturgie und Rückblicken (wann was erzählt wird) dienen der Sache. Okay, ein bisschen Pathos muss man abkönnen.
Golden Kamuy (OT: ゴールデンカムイ „Gōruden Kamui“), Japan, 2024, Shigeaki Kubo, 128 min, (8/10)
Lady Snowblood
Der Rache-Thriller schlechthin. Die Inspiration Tarantinos für Kill Bill. Lady Snowblood trägt so einige Vorschusslorbeeren vor sich her. Als Adaption eines Manga erzählt es die Geschichte von Yuki Kashima (Meiko Kaji), die im Gefängnis zur Welt kommt. Ihre Mutter stirbt kurz nach der Geburt, hinterlässt ihr aber eine Aufgabe als Erbe. Sie soll die vier Personen finden, die ihre Mutter vergewaltigten und deren Ehemann töteten. Freunde und Bekannte helfen ihre Rachefantasie umzusetzen und Yuki darauf vorzubereiten. Yuki selber verfolgt dieses Ziel eisern.
Warum sie das tut, darf man nicht fragen. Dann ergibt der Film keinen Sinn mehr. Auch die Geschlechterrollen folgen (wenn auch emanzipierter) dem Muster von Exploitation-Filmen. Frauen sind stets den Blicken der Zuschauenden ausgeliefert und Opfer einer brutalen Fantasie, die oftmals Vergewaltigung beinhaltet und letzten Endes verklärt wird. Das sind die Teile, die es schwer machen den Film zu mögen, es sei denn vielleicht man kommt dafür. Dann aber wiederum sind da die einfallsreichen Actionszenen, die symbolkräftigen Bilder und die (hoffnungslos!) überspitzten Blutfontänen, die alles zu einem atmosphärischen Rachethriller machen. Auch wenn es absurd ist, dass Yuki ihr Leben in den Dienst einer Sache stellen und am Ende vielleicht sogar dafür sterben soll, ist man letzten Endes eben doch auf ihrer Seite – und erlebt wie die Rache sie ruiniert und der Pfad der Gewalt tut, was Rache eben so tut. Noch mehr Gewalt säen.
Lady Snowblood (OT: 修羅雪姫 „Shurayuki-hime“), Japan, 1973, Toshiya Fujita, 97 min, (7/10)
Mal abgesehen von Filmen …
Nicht viel! Ich habe auch angefangen den Anime Dandadan zu schauen, der ja Ende 2024 hierzulande im Stream auf Netflix und Crunchyroll erschien und sehr gehyped wurde. Tatsächlich finde ich den auch sehr witzig und spannend. Ich mag diese schnell erzählten, absurden und auf Speed abgespulten Storys wie Chainsaw Man, Dorohedoro oder eben den hier. Außerdem startete ja eine Miniserie von Hirokazu Koreeda auf Netflix, was ich eher zufällig mitbekommen habe. Dachte sowas würde im Vorfeld mehr Wellen geschlagen!? Asura heißt sie, handelt von einem Skandal innerhalb einer japanischen Familie in den 70er Jahren, der für vier Schwestern große Kreise schlägt. Erinnert mich angenehm an Yasujirō Ozu. Wenn man das schaut, weiß man auch wieder, warum Koreeda so oft mit ihm verglichen wird. Außerdem lese ich auch den Roman Butter von Asako Yuzuki. Allerdings geschieht all das derzeit im Schneckentempo. Das echte Leben ist gerade auch sehr spannend. 😉
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Header Image Photo Credits: Andre Benz
Wow – „Monster“ war auch der erste Film, den ich 2025 geschaut habe und damit nicht nur ein guter Auftakt für den Japanuary, sondern für das ganze Jahr. Nur sollte man nicht allzu viel über den Film verraten. „Leider“ muss ich schon fast sagen. Im Moment könnt ihr ihn via Prime* schauen. „Golden Kamuy“ setzte die guten Filme für den Jahresanfang fort und läuft derzeit auf Netflix. Es ist der Film, von dem ich dachte, dass er schlechter wäre. „Lady Snowblood“ war dann genauso wie erwartet. *Bei diesem Beitrag handelt es sich nicht um beauftragte Werbung.
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