Inhalt
Tom Ripley hat seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden. Im New York Mitte des 20. Jahrhunderts umgibt er sich mit Menschen, die er als unangenehm und dumm empfindet. Die aber zweckmäßig für ihn sind. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit Betrügereien. Unterschriften fälschen, sich verstellen und lügen – das liegt ihm. Eines Tages tritt der gut betuchte Herbert Greenleaf mit einer Bitte an ihn heran. Tom soll zu Greenleafs Sohn Dickie nach Italien fahren und ihn davon überzeugen endlich heimzukehren. Zwar kennen sich Tom und Dickie praktisch überhaupt nicht, aber es dämmert dem jungen Mann, dass Italien vielleicht eher sein Ort ist. Ausbrechen, die Welt sehen, feine Gesellschaft, bella italia – er sagt zu. Tom reist zu Dickie, der seine Tage am Strand verbringt oder malt. Er ist ganz der Dandy und gebildeter Lebemann, der Tom gerne wäre. Fast sofort ist klar: Dickie gibt dieses Leben nicht auf, um wieder nach Hause zu Mutter und Vater zu fahren. Und Tom auch nicht. Er wird von Dickie integriert und lebt das schöne Leben bis die Fassade bröckelt und das Geld knapp wird. Als Dickie der Freundschaft zu Tom überdrüssig wird, plant Tom ihn zu töten und seine Identität anzunehmen. Und das ist erst der Anfang der Taten des talentierten Mr. Ripley.
Hintergrund
Ich muss gestehen, dass ich zuerst den Film mit Matt Damon als Ripley gesehen habe. Und den fand ich gut! Sehr gut sogar! Umso seltsamer war es dann das Buch zu lesen, denn die Unterschiede sind essentiell. Mal abgesehen von Figuren die nur in Film oder Buch vorkommen und abgeänderten Handlungen, liegt auch in der Figur des Tom Ripley und seinen Motiven ein gewaltiger Unterschied. Während Ripley im Film Dickie scheinbar im Affekt tötet, wird sich Tom in der Vorlage langsam bewusst wie sich die Beziehung zu den anderen abkühlt und er nicht länger erwünscht ist. Da er dann nicht mehr bei Dickie wohnen darf, den Kontakt verliert und auch kein Geld mehr für seine Bemühungen von Greenleaf senior bekommt, hätte das schöne Leben ein Ende. Ab dann plant er den Mord akribisch im Vorfeld. Im Buch wird noch viel deutlicher warum der Titel ist wie er ist. Welche Gedanken sich Ripley um sein Erscheinungsbild macht, wie er sich verstellen muss und wie er neue Identitäten bildet und lügt, betrügt und sich neu erfindet macht ganz klar, dass er dazu geboren wurde Identitäten zu stehlen. Das ist sein Talent.
Ein schöner Nebeneffekt des Buches ist das Flair. Reisen, Urlaub, Sonne, Freizeit, laissez-faire, fremde Sprachen, gutes Essen, schöne Kleidung – der Lebensstil der an jeder Stelle beschrieben wird, macht ein bischen Fernweh und passt so gut in den Sommer. (Habe es auch mit Absicht im Juli/August gelesen ;)) Die Dekadenz und das Materielle werden regelmäßig gefeiert. Nach dem was man über Ripleys Kindheit, Jugend und Zeit in New York weiß, verwundert es kaum, dass er so eine Liebe für die Dinge entwickelt. Allerdings kann man fast sagen, dass er einen Fashion-Fetisch hat. Viele Aspekte der Geschichte spiegeln sich in der Kleidung wieder. Steckt er in Dickies Klamotten ist er unangreifbar und zu allem fähig, ein anderer Mensch. Ist er wieder Tom Ripley wirkt er mausgrau und verletztlich. Ein weiteres Motiv ist Homosexualität. In der damaligen Zeit offensichtlich noch ein Tabu-Thema. So bezichtigen Marge und Dickie Tom schwul zu sein und grenzen ihn aus. Ihre Reaktionen und Toms Einstellung zu dem Thema treten immer wieder auf und sind für ihn ein so großes und belastendes Thema, dass man sich unweigerlich fragt, inwiefern seine Faszination für Dickie nicht eher einfach Anziehung ist? Ein Motiv, das für den Film offensichtlich sehr ausgeweitet wurde.
Meinung
Patricia Highsmiths klare, schnörkellose Sprache hat mir Ripley zu anfang alles andere als zu einem sympathischen Missetäter gemacht. Auf den ersten Seiten konnte ich ihn noch nicht wirklich leiden.Das wenige was man über ihn erfahren hat, wirkte auf mich etwas abstoßend und ich rechnete schon damit, das Buch wegzulegen. Da ich den Film schon kannte, versuchte ich aber auch krampfhaft, den netten und verzweifelten Matt Damon darin zu sehen. Das konnte nicht klappen. Gibt man dem Buch 20, 30 Seiten Zeit, bekommt man ein klareres Bild von Tom Ripley. Seine Lust am Luxus und Reisen hat mit der Zeit so einen Charme wie ihn vielleicht auch nur die Nicht-Millionäre nachempfinden können und macht ihn erstaunlicherweise plötzlich sympathisch. Wie er sich Dickies Identität aneignet und auch im folgenden ein wahres Katz-und-Maus-Spiel durchläuft, hat mir regelrecht Freude gemacht. (Ich denke mal lieber nicht darüber nach, was das über mich aussagt. ;)) Identitätsraub ist ein furchtbares aber faszinierendes Vergehen. Ripley dabei zuzusehen wie er sich immer wieder aus einer kniffligen Situation windet ist unglaublich spannend und macht fast atemlos. Was er alles bedenken muss, wirkt fast übermenschlich aber immer noch glaubwürdig. Wann war er wo? Was hat er zu wem gesagt? Wessen Wege könnte er kreuzen? Wie muss er auftreten? Wie werden sich die anderen Verhalten? Er muss mehr als nur einen Zug vorraussehen, wobei sich die Schlinge um seinen Hals immer fester zu zieht. Gute Unterhaltung in allerbester zeitloser Krimi-Manier.
Fazit:
sehr lesenswert
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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