ausgelesen: Patricia Highsmith „Der talentierte Mr. Ripley“

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Inhalt

Tom Ripley hat seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden. Im New York Mitte des 20. Jahrhunderts umgibt er sich mit Menschen, die er als unangenehm und dumm empfindet. Die aber zweckmäßig für ihn sind. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit Betrügereien. Unterschriften fälschen, sich verstellen und lügen – das liegt ihm. Eines Tages tritt der gut betuchte Herbert Greenleaf mit einer Bitte an ihn heran. Tom soll zu Greenleafs Sohn Dickie nach Italien fahren und ihn davon überzeugen endlich heimzukehren. Zwar kennen sich Tom und Dickie praktisch überhaupt nicht, aber es dämmert dem jungen Mann, dass Italien vielleicht eher sein Ort ist. Ausbrechen, die Welt sehen, feine Gesellschaft, bella italia – er sagt zu. Tom reist zu Dickie, der seine Tage am Strand verbringt oder malt. Er ist ganz der Dandy und gebildeter Lebemann, der Tom gerne wäre. Fast sofort ist klar: Dickie gibt dieses Leben nicht auf, um wieder nach Hause zu Mutter und Vater zu fahren. Und Tom auch nicht. Er wird von Dickie integriert und lebt das schöne Leben bis die Fassade bröckelt und das Geld knapp wird. Als Dickie der Freundschaft zu Tom überdrüssig wird, plant Tom ihn zu töten und seine Identität anzunehmen. Und das ist erst der Anfang der Taten des talentierten Mr. Ripley.

Hintergrund

Ich muss gestehen, dass ich zuerst den Film mit Matt Damon als Ripley gesehen habe. Und den fand ich gut! Sehr gut sogar! Umso seltsamer war es dann das Buch zu lesen, denn die Unterschiede sind essentiell. Mal abgesehen von Figuren die nur in Film oder Buch vorkommen und abgeänderten Handlungen, liegt auch in der Figur des Tom Ripley und seinen Motiven ein gewaltiger Unterschied. Während Ripley im Film Dickie scheinbar im Affekt tötet, wird sich Tom in der Vorlage langsam bewusst wie sich die Beziehung zu den anderen abkühlt und er nicht länger erwünscht ist. Da er dann nicht mehr bei Dickie wohnen darf, den Kontakt verliert und auch kein Geld mehr für seine Bemühungen von Greenleaf senior bekommt, hätte das schöne Leben ein Ende. Ab dann plant er den Mord akribisch im Vorfeld. Im Buch wird noch viel deutlicher warum der Titel ist wie er ist. Welche Gedanken sich Ripley um sein Erscheinungsbild macht, wie er sich verstellen muss und wie er neue Identitäten bildet und lügt, betrügt und sich neu erfindet macht ganz klar, dass er dazu geboren wurde Identitäten zu stehlen. Das ist sein Talent.

Ein schöner Nebeneffekt des Buches ist das Flair. Reisen, Urlaub, Sonne, Freizeit, laissez-faire, fremde Sprachen, gutes Essen, schöne Kleidung – der Lebensstil der an jeder Stelle beschrieben wird, macht ein bischen Fernweh und passt so gut in den Sommer. (Habe es auch mit Absicht im Juli/August gelesen ;)) Die Dekadenz und das Materielle werden regelmäßig gefeiert. Nach dem was man über Ripleys Kindheit, Jugend und Zeit in New York weiß, verwundert es kaum, dass er so eine Liebe für die Dinge entwickelt. Allerdings kann man fast sagen, dass er einen Fashion-Fetisch hat. Viele Aspekte der Geschichte spiegeln sich in der Kleidung wieder. Steckt er in Dickies Klamotten ist er unangreifbar und zu allem fähig, ein anderer Mensch. Ist er wieder Tom Ripley wirkt er mausgrau und verletztlich. Ein weiteres Motiv ist Homosexualität. In der damaligen Zeit offensichtlich noch ein Tabu-Thema. So bezichtigen Marge und Dickie Tom schwul zu sein und grenzen ihn aus. Ihre Reaktionen und Toms Einstellung zu dem Thema treten immer wieder auf und sind für ihn ein so großes und belastendes Thema, dass man sich unweigerlich fragt, inwiefern seine Faszination für Dickie nicht eher einfach Anziehung ist? Ein Motiv, das für den Film offensichtlich sehr ausgeweitet wurde.

Meinung

Patricia Highsmiths klare, schnörkellose Sprache hat mir Ripley zu anfang alles andere als zu einem sympathischen Missetäter gemacht. Auf den ersten Seiten konnte ich ihn noch nicht wirklich leiden.Das wenige was man über ihn erfahren hat, wirkte auf mich etwas abstoßend und ich rechnete schon damit, das Buch wegzulegen. Da ich den Film schon kannte, versuchte ich aber auch krampfhaft, den netten und verzweifelten Matt Damon darin zu sehen. Das konnte nicht klappen. Gibt man dem Buch 20, 30 Seiten Zeit, bekommt man ein klareres Bild von Tom Ripley. Seine Lust am Luxus und Reisen hat mit der Zeit so einen Charme wie ihn vielleicht auch nur die Nicht-Millionäre nachempfinden können und macht ihn erstaunlicherweise plötzlich sympathisch. Wie er sich Dickies Identität aneignet und auch im folgenden ein wahres Katz-und-Maus-Spiel durchläuft, hat mir regelrecht Freude gemacht. (Ich denke mal lieber nicht darüber nach, was das über mich aussagt. ;)) Identitätsraub ist ein furchtbares aber faszinierendes Vergehen. Ripley dabei zuzusehen wie er sich immer wieder aus einer kniffligen Situation windet ist unglaublich spannend und macht fast atemlos. Was er alles bedenken muss, wirkt fast übermenschlich aber immer noch glaubwürdig. Wann war er wo? Was hat er zu wem gesagt? Wessen Wege könnte er kreuzen? Wie muss er auftreten? Wie werden sich die anderen Verhalten? Er muss mehr als nur einen Zug vorraussehen, wobei sich die Schlinge um seinen Hals immer fester zu zieht. Gute Unterhaltung in allerbester zeitloser Krimi-Manier.

Fazit:
sehr lesenswert

„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂

8 Antworten

  1. Klingt interessant, kenne auch nur den Film, den ich aber nicht so gut fand. Ich finde es auch immer schwierig Film und Buch gleichermaßen zu mögen. Wäre ja auch mal ein schönes Blog Thema. Ich habe zb den Herr der Ringe zuerst gelesen und das fehlen einiger Passagen sehr bedauert, beim Hobbit ging es mir dann genau andersherum, den fand ich zu lang… Das Parfum fand ich als Buch super, der Film ist schön, kommt aber an das Buch nicht heran. Und Harry Potter hab ich garnicht erst zuende gesehen.
    Hm, mir fällt gerade auf, das mir doch meistens die Bücher besser gefielen, bis auf John Irvings Garp und wie er die Welt sah, da habe ich das Buch gekauft nachdem mir der Film sehr gut gefiel und ich war sehr enttäuscht.

    1. Geht mir ähnlich – ich mag selten Buch und Film gleichzeitig. Meistens bin ich immer mit einem nicht einverstanden. Ausgerechnet hier mag ich beide Versionen – wenn die auch von der Ausgangsprämisse her total unterschiedlich sind (Buch: Ripley plant Mord perfide, Film: Ripley handelt aus Verzweiflung). Ansonsten mag ich häufig das was ich zuerst gesehen habe lieber. Das ist dann irgendwie für mich ‚Gesetz‘ und alles was ich danach mitbekomme wirkt auf mich wie die Abweichung … bischen naiv, ich weiß.

      Und du hast Recht, das ist wirklich ein schönes Blogthema 😉 Du hast ja oben schon ein paar Beispiele genannt wie du das empfunden hast

  2. Ich gebe zu, mein Fall war es nicht. Das erste Kapitel fand ich furchtbar unspektakulär zu lesen. Es wirkte nicht wirklich souverän, sondern eher nach „die lustige Tante versucht sich im Schreiben“. Dann wurde es erst einmal ein bisschen interessanter, weil psychologischer. Aber lange hielt das Interesse nicht. Mich packten weder die Figuren noch die Handlung noch Highsmiths Stil und so habe ich es weggelegt.

    1. Am Anfang hat es mir das Buch auch schwer gemacht und ich fand ihren Schreibstil seltsam, aber mich haben die Figuren und ihre offensichtlichen … nennen wir es mal Neurosen … neugierig gemacht. Den Film kannte ich ja schon vorher und habe die Charaktere dort total anders erlebt. Das musste ich mir mal genauer anschauen 🙂

      1. Die DVD hatte ich da schon zuhause und habe sie nach der Leseerfahrung ungesehen aussortiert. Vielleicht war das etwas voreilig! 🙂

        1. Schwer zu sagen 🙂 Im Film sind Ripley und Marge jedenfalls total anders. Da wirkt Ripley eher unbeholfen und es wird deutlich gemacht, dass er wohl homosexuell ist und in Dickie verliebt war. Im Buch kommt das eher so rüber, als ob er entweder asexuell ist oder sich was noch nicht eingestehen will. Ich fands eigentlich ganz spannend, aber tatsächlich sehr anders als das Buch. Gib dem Film doch eine Chance 😉 er kann doch nichts dafür

          1. Nee, kann er nicht, da hast du schon recht. Nur habe ich die DVD schon verschenkt. 😉 Aber danke für den Vergleich zwischen Film und Buch!

  3. […] des Januars basiert auf dem gleichnamigen Buch von Patricia Highsmith, aus deren Feder auch Der talentierte Mr Ripley stammt. Beide Bücher haben einige Dinge gemein: Menschen, die einen mondänen, erschwindelten […]

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