Gore Verbinski hat sich v.A. mit der Fluch-der-Karibik-Reihe einen Namen gemacht, die quasi ein Synonym für Action-Popcorn-Kino ist. Nichtsdestotrotz ist er auch der Regiesseur eines meiner Meinung nach sehr stimmigen Horror-Remakes, nämlich ‚The Ring‘ aus dem Jahr 2002. Nur über den immensen Gebrauch von Blau-Filtern muss man großzügig hinwegsehen. Ansonsten hat er schon ein Händchen für das Gruseln bewiesen. Als es hieß, dass er nun nach einigen Jahren zurückkehrt und sich wieder etwas vom klassischen Blockbuster abwendet, war ich das erste Mal nach seinen ganzen Rango und Lone Ranger Experimenten neugierig auf einen ‚Verbinski‘. Und dank des creepy Trailers war die Sache abgemacht. Review ist spoilerfrei.
Lockhart (Dane DeHaan) ist Analyst bei einem big player im Wirtschaftssektor. Eines Tages wird ihm aufgetragen eins der Vorstandsmitglieder von einem Kuraufenthalt aus der Schweiz zurückzuholen, um dringliche Angelegenheiten zu klären. Der strebsame Lockhart hat also als artiges Rädchen im Getriebe keine Wahl und fährt in die Schweiz. Dort angekommen erklären ihm die Ärzte rund um den Institutsleiter Dr. Volmer (Jason Isaacs), dass aber die Behandlung des Patienten nicht abgeschlossen ist. Alle verhalten sich sehr seltsam und verstrahlt. Hier und da heißt es, dass niemand das Sanatorium verlässt. Und schon gar nicht um sich zurück zu dem ungesunden, stressigen Lebensstil der Business-Welt zurückzubegeben. Als Lockhart einen Autounfall hat und ins Krankenhaus muss, wird er selber in das Sanatorium eingeliefert und darf aus erster Hand die Vorzüge der Kuranstalt kennenlernen.
„There Is A Cure“, via Take The Cure (Youtube)
https://www.youtube.com/watch?v=06jfhZzlzYQ
Alle Achtung: der Film wurde an mehreren Standorten in Deutschland gedreht: Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. So beispielsweise in der Schwimmhalle des Johannisbades in Zwickau und auch in den Filmstudios Babelsberg, wo man bei den Spezialeffekten ziemlich aufgedreht hat: es gab einen Brand. Und es wurde auch in den Schweizer Alpen gedreht – und das sieht man. Die Schauplätze sind stimmig und wenn man Dane DeHaan so mit Aussicht auf die Berge und Täler spazieren sieht, dann kann man sich fast vorstellen auch mal so einen entspannten Spa-Urlaub dort zu machen. Aber dann gibt es auch noch das seltsame Personal, die feindseligen Dorfbewohner die etwas gegen das Sanatorium haben und die Gerüchte um die Vergangenheit des Standorts und dann hat man doch nicht mehr ganz soviel Lust da Urlaub zu machen. Denn das gelingt dem Film ausgesprochen gut: Atmosphäre erzeugen. Da stehen sich die perfekten Gegensätze gegenüber. Das Versprechen auf ein langes Leben, gesunde Luft, heilende Eigenschaften des Wassers und auf der anderen Seite die vorrangig älteren Patienten, an deren hängenden Titten und fehlenden Zähnen gezeigt wird wie der Zahn der Zeit an ihnen nagt und die Gesundheit unwiederbringlich erscheint. Dazu kommen die Bilder von den Menschen, die freiwillig ihre Gesundheit opfern . Der Film beginnt statt in den Tälern der Schweiz in den Fluchten zwischen Wolkenkratzern in der Großstadt wo sich einer wortwörtlich zu Tode arbeitet. Selten habe ich eine bessere Main-Title-Sequenz gesehen. A CURE FOR WELLNESS steht in großen Lettern in einem nächtlichen Büro, nur beleuchtet von zahlreichen Monitoren auf denen Analysen laufen. Lockhart selber hat eine traumatische Geschichte, sein Vater hat den Freitod gesucht. Stilecht im Anzug und mit Aktentasche. Aber die Erlösung wartet nicht in den Schweizer Alpen. Patienten verschwinden, lange Korridore, seltsame Geräusche in der Nacht und dann ist da noch Hannah (Mia Goth), die schon in dem Sanatorium lebt, seit sie denken kann. Der Film ist stimmig und lädt zum gruseln ein, brauch dafür kaum große Gesten oder Effekthascherei. Es reicht das seltsame Verhalten der Krankenschwester, die sagt sie würde einen Anruf machen, aber einen stattdessen nur anstarrt. Oder der kurze Blick, den man auf ein schmutziges Kissen erhascht – war das Blut? Aber gegen Ende verliert der Film es.
Da haben sich Verbinski und Justin Haythe zuviele Motive aufgeladen. Als ob die zahlreichen Andeutungen über die Behandlung, das Wasser, das sich selbst Ausliefern des Menschen und das Auszehren des Menschen als Ressource durch die Businesswelt noch nicht genug Motive wären, brauchte man auch noch die unheilvolle Hintergrundgeschichte des Barons und der Baronin, die einst auf dem Berg residierten wo jetzt das Sanatorium steht und eine inzestuöse Beziehung hatten. Während der Film es sich vorbehält viele der widerlichen Praktiken des Sanatoriums nicht zu erklären, wird sehr wohl die Hintergrundgeschichte thematisiert und fährt gegen den Baum, was so gut angefangen hatte. Die unheilvolle Stimmung und das Rätseln über die Praktiken wird gegen eine geschmacklose, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt vorhersehbare Geschichte eingetauscht. Der Überfluss an Motiven wird erweitert um sexuelle Anspielungen, das Erwachen der Geschlechtsreife und all möglichen Kram. Der Gedanke der Menschen, die sich selber krank machen wird verworfen genauso wie der ganze Gedanke der ‚cure for wellness‘ und selbst die virale Aktion ‚There is a Cure‘ wird damit frucht- und nutzlos gemacht. Selbst Lockhart, der sich anfangs noch ganz schlau angestellt hat, erlebt die eine oder andere Erkenntnis bedauernswert spät. Und was man gegen Ende als Effekt aufgetischt bekommt ist ein krasser Gegensatz zu dem subtilen Grusel und der Ästhetik vom Beginn. Kein guter Deal, wo doch die Motive des Sanatoriums an sich so vielversprechend waren. Schade!
A Cure for Wellness, USA/Deutschland, 2016, Gore Verbinski, 147 min, (6/10)
„A Cure for Wellness | Official Trailer [HD] | 20th Century FOX“, via 20th Century Fox (Youtube)
Habt ihr den Film schon gesehen und hat er euch besser gefallen als mir? Ich bedauere es ein bisschen, dass der Film gegen Ende so in den trash abdriftete, wo es doch auch mal ganz cool war deutsche Namen im Cast zu sehen. Sehr schmunzeln musste ich ja über die Auswahl an deutschsprachiger Musik, beispielsweise von Oomph! und Spliff. Wem ist es aufgefallen? 😉 Normalerweise freue ich mich immer Jason Isaacs zu sehen, aber so mit der Zeit wünsche ich ihm wirklich mal wieder mehr Rollen in denen er nicht der Bösewicht ist. In ‚Awake‘ hat er doch sein dramatisches Talent beweisen können. Ihn nach The OA auch hier wieder als zweifelhaften Doktor zu sehen sorgt langsam dafür, dass ich Ärzten nicht mehr traue. Gebt Jasoon Isaacs endlich andere als Villain-Rollen!
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