Serien-Besprechung: „Will & Grace“ Season 9

Normalerweise finde ich Revivals blöd. Und ich finde sie gelingen auch in den wenigsten Fällen. Die Meldungen solcher Revivals, insbesondere von Serien, die ich mag, lösen daher gerne bei mir Entsetzen aus. Aber dann war da „Will & Grace“. Eine Serie, die ich gerne in einem Atemzug mit Serien wie „Friends“ nenne, die mich als Teenager begleitet haben und die ich enorm feiere. Ich würde sogar behaupten, dass die Serie ohne große Mühe ein Bewusstsein und Akzeptanz für andere Lebensweisen als die eigene schafft und die LGBT-Community auf die vielleicht beste Weise vertritt – mit Humor. Die Charaktere aus „Will & Grace“ sind mir echt ans Herz gewachsen und sie zählt zu einer meiner ersten, frühen Lieblingsserien – da kann selbst ich nicht anders. Review ist spoilerfrei für Season 9, spoilert aber Season 8.

Wiedersehen nach elf Jahren, oder: Wie man ein Serienfinale ignoriert

Nach dem unglücklichen Ende ihrer Beziehungen beschließen Will & Grace wieder zusammen zu ziehen. Und so scheint sich verhältnismäßig wenig geändert zu haben. Die beiden bestreiten ihren Alltag, Will (Eric McCormack) ist Anwalt und Grace (Debra Messing) Innenarchitektin. Sie teilen sich ein New Yorker Appartement und ihr Nachbar und langjähriger Freund Jack (Sean Hayes) geht bei ihnen ein und aus. In Graces Firma arbeitet außerdem immer noch Karen (Megan Mullally) – natürlich nur zur Show und frönt nebenbei den einen oder anderen Spirituosen und ihrer schwierigen Beziehung zu Demokratie und der Mittelschicht. An Karen wird gleich in der ersten Staffel ein Exempel statuiert, mit dem die Serie ein sehr konkretes Statement setzt. Während Karen (natürlich) glühende Trump-Anhängerin ist und ist Melania auf der Schnellwahl hat, sind Will und Grace empört und geraten in das eine oder andere moralische Dilemma als sie dem Weißen Haus und Trump näher kommen als sie anfangs wollten. Eine schöne Botschaft mit mehr als nur einem Augenzwinkern. Schließlich entstand das Revival maßgeblich aus einem Spot, den der Cast 2016 aufnahm um für Wahlbeteiligung zu werben.

Und tatsächlich spart sich die Staffel nichts und greift viele aktuelle Themen (mal mehr oder weniger ernst auf): aber der Trump und die amerikanische Regierung bekommen ordentlich ihr Fett weg und es ist eine Freude dabei zuzusehen. Was aber sehr befremdet ist wie die kreativen Köpfe mit dem einstigen Serienfinale umgegangen sind. Staffel 8 endete mit Will & Grace, die nach Umwegen ihre Partner fanden, Familien gründeten, aber sich auseinander lebten und erst als ihre Kinder aufeinandertreffen wieder in Kontakt treten. Das alles ignoriert die Serie, sogar mit Anspielung und wehenden Fahnen. Angesichts des gelungenen einstigen Finales mit ein bisschen Wehmut und Trennungsschmerz hinterlässt das einen seltsamen Beigeschmack. Immerhin hat man als Zuschauer ihr Leben zum Teil mitgelebt und es fühlte sich nach einem Ende an – undzwar einem guten, das nun verpufft.

Das was die Staffel bietet, übertüncht den seltsamen Beigeschmack immerhin ein wenig. So erlaubt sie Einblicke und Weiterentwicklung der Charaktere. Beispielsweise was ihre berufliche Laufbahn betrifft oder ihre Einstellungen. Wer hätte Jack beispielsweise für den Beziehungstypen gehalten!? Von anderen Charakteren gibt es einen traurigen Abschied. Und die Serie erlaubt sich zu demonstrieren, dass Zeit vergangen ist und Charaktere altern. Natürlich bis auf Karen.

Was früher funktioniert – und heute?

Als Teenager war Will & Grace tatsächlich für die Autorin dieser Review ein erster Berührungspunkt mit der LGBT-Community, dem Thema Coming Out. Die Charaktere sind mir schnell ans Herz gewachsen und ich empfand die Rollenbilder als genial. Wie Grace beispielsweise mal zuhause in Jogginghosen rumläuft oder sich ganz und gar unweiblich gibt. Neurotisch, laut – früher in Serien undenkbar, da wurde eher das Bild des RundumdieUhr-Vollweibs dargestellt, das immer gut aussieht. Oder auch das verrückte Element der Serie wie die politisch-inkorrekte Karen. Der offene und unverblümte Umgang mit Sexualität und sexueller Orientierung war damals in Serien neu. (Sex and the City kam zumindest für mich etwas später.) In der Serie war vollkommen normal, was in das Weltbild mancher noch heute nicht passt. Ich fand das fantastisch. Alles in Will & Grace war normal – selbst die meschugge Karen mit der variablen sexuellen Orientierung.

Aber so nach zehn Jahren schauen sich Serien dann vielleicht doch etwas anders, zumindest was den gesellschaftlichen Kompass betrifft. So bin ich heute hin- und hergerissen, wenn beispielsweise homosexuelle Charaktere wie Jack als stereotyp aufgedreht, mit eher weiblich-zugeschriebenen Charakterzügen dargestellt werden und Vorurteile bedienen wie Promiskuität. Andererseits sucht die Serie wahrscheinlich viel mehr die Mitte zwischen liebevoller Satire und Hervorhebung der bunten Community. Immerhin ist Jack nicht die einzige Identifikationsfigur oder das einzige Beispiel für homosexuelle Männer. Mein Problem an der Stelle ist: ich bin kein homosexueller Mann. Und keine homosexuelle Frau. Die Sichtweise aus der ich das bewerten kann ist eingeschränkt. Aber selbst ich kann fragen: Und was ist mit Lesben? Nach zehn Jahren entsteht bei mir tatsächlich der Eindruck, dass die Serie vielleicht doch ein bisschen was verpasst hat und ihren Vorreiter-Status nicht mehr aufrecht erhalten kann. Und das trotz solcher Folgen wie der, in der Jack seinen Enkel(!) aus einem Ferienlager holen muss, in dem „homosexuellen Neigungen“ vorgebeugt werden soll.

Was bleibt denn nun, wenn der Mut und das Moderne weniger mutig und weniger modern wirken? Und wenn man das einstige Staffelfinale nicht so recht aus dem Kopf bekommt? Der Witz. Wenn beispielsweise Will & Grace erkennen, dass sie mit demselben Typen ins Bett gehen, sich vor laufender Kamera wie ein altes Ehepaar streiten – daran kann man sich kaum sattsehen. Die Serie spielt außerdem gekonnt mit Running Gags – beispielsweise dem auf ewig gesichtslosen Stan.

(7/10)

Sternchen-7

Seid ihr auch Fans der ersten Stunde von „Will & Grace“ und wie seht ihr das Revival? Vermisst ihr auch das einstige Staffelfinale? Und habt ihr euch die neue Staffel zu Gemüte geführt oder macht ihr einen großen Bogen darum?

3 Antworten

  1. „Will & Grace“ habe ich immer nur so sporadisch verfolgt. Fand die Charaktere ganz witzig, aber für die große Serienliebe hat es nicht gereicht. Daher bin ich auch grad etwas überrascht zu lesen, dass es ein Revival gibt. Das scheint ja Moment der Trend zu sein (siehe – die dann ja doch schnell wieder abgesetzte – Serie „Roseanne“).

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja, in Trend, der seit einigen Jahren etwas über Hand nimmt. Auch die Remakes von Filmen als Serie, siehe Lost in Space. Oder eben die Revivals und Fortsetzungen … Fuller House. Ich mache bei dem meisten echt einen Bogen drum, weil ich das selten für eine gute Entscheidung halte.

  2. […] Will & Grace – zwar war es ganz schön die Serie wiederzusehen, aber der Humor funktioniert bei mir nicht mehr ganz so gut wie damals und ich finde es sehr schade, dass das Finale der damaligen finalen Staffel ignoriert wurde […]

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