Literarische-Fundstücke: Musik in Büchern I

Während mein letztes Literarisches Fundstück eher ambivalenter Natur war, komme ich heute wieder zu einem, dass mehr Spaß macht und v.A. das tut, was die Fundstücke meist gut können: an Lese-Augenblicke erinnern. Nicht selten untermalen Autoren Szenen im Buch mit Musik. Damit legen sie oftmals ein Stück von sich selbst in die Geschichte. Vielleicht wählen sie ja die Songs aus, weil sie gut passen. Aber oftmals drängt sich der Verdacht auf, dass die Stücke auch für sie eine Bedeutung haben und ihren Geschmack oder gar ihre Persönlichkeit wiederspiegeln. Ich finde ja manchmal schmuggelt sich so der Autor sehr offensichtlich in sein Werk. Von Murakami ist bekannt, dass er ein Jazz-Liebhaber und begeisterter Plattensammler ist und das sickert bis in seine Geschichten hinein, womit er für mich wohl das prominenteste Beispiel ist. 😉 Ich finde die Stellen meist unendlich interessant. Passt die Stimmung angedeutet durch die Musik zu meiner Vorstellung? Kenne ich das Lied? Kenne ich es nicht? Ich gehöre zu den Lesern, die dann durchaus während des Lesens oder danach mal den Song anspielen. Ein paar sind bei mir hängen geblieben und sogar untrennbar mit dem Buch verbunden.

„Leos Janacek Sinfonietta WDR-Sinfonieorchester (2007)“, via MD051 (Youtube)

Leoš Janáček „Sinfonietta“ (Haruki Murakami „1Q84“ Band 1)

Mein erster Murakami war 1Q84 (Band 1). Ein Einstieg der das Potential hatte schwierig zu werden. Schließlich ist es eine Trilogie und gehört vielleicht nicht zu den zugänglichsten Stoffen Murakamis. Aber manchmal ist so ein Sprung ins kalte Wasser ganz gut. Es zeigte mir zumindest sehr deutlich wofür Murakamis Bücher stehen. Noch heute erinnere ich mich an die Begegnung mit Aomame, der weiblichen Haupfigur. Einer ungewöhnlichen Frau in einer ungewöhnlichen Geschichte. Während sie in einem Taxi sitzt, spielt dort Janáčeks „Sinfonietta“. Kurz darauf wird sie durch Zufall in einer anderen Welt landen. Oder viel mehr einer anderen Version unserer Realität. Der Komponist sagte mir zu dem Zeitpunkt gar nichts und blieb genauso deswegen bei mir hängen. Zwar bin ich kein leidenschaftlicher Janáčeks-Hörer geworden, aber der Song taucht immer mal wieder in meinen Playlisten auf und ich mag den Anfang besonders. Der zeichnet eine viel feierlichere Atmosphäre als ich Aomames ungewollte Reise in „1Q84“ zugeschrieben hätte. Erst als sich Aomames Suche zu einer Rückkehr zu ihr selbst wandelt, verstand ich besser, warum Murakami den Beginn der Reise mit der „Sinfonietta“ verbindet.

„The Smiths How Soon Is Now?“, via Emir Israel (Youtube)

The Smiths „How Soon Is Now?“ (Rainbow Rowell „Eleanor & Park“)

Es ist nicht so einfach mich mit Liebesgeschichten zu begeistern, aber Rainbow Rowells Eleanor & Park traf mitten ins Herz. Eleanor gibt sich nicht so wie die Highschool-Sweethearts und hat es zuhause schwer mit ihrem richtigen Vater, der sich einen scheiß für sie interessiert und einem gewalttätigen Stiefvater und verängstigter Mutter. Eleanor ist nicht superschlank und hat nicht die neusten oder coolsten Klamotten. Park ist Halb-Koreaner und hat es augenscheinlich aufgrund seines Äußeren nicht so schwer wie Eleanor. Aber seine asiatischen Wurzeln machen ihn zur Zielscheibe für Vorurteile und sein Vater stellt hohe Anforderungen an ihn wie ein Mann zu sein hat. Eleanor und Park mögen sich nicht auf den ersten Blick, aber finden Gehör beim Anderen und bald Liebe. Bei ihren Treffen geht es um Comics und Mixtapes. Musik spielt eine große Rolle. Wie wahrscheinlich wir alle sehen die beiden Teenager Musik als Ausdruck ihrer selbst. Park hört u.a. einmal „How soon is now?“ von The Smiths und bleibt insbesondere an den Zeilen „I am the son, and the heir, […]“ hängen. Ein Ausdruck der Erwartungen, die an ihn gestellt werden und die er als faul und überholt empfindet. Rainbow Rowell hat übrigens eine ganze Playliste zu Eleanor & Park auf Spotify.

„20th Century Boy / Marc Bolan / T.REX [HQ]“, via WeilderOfWords (Youtube)

T-REX‘ „20th Century Boy“ (Naoki Urasawa „20th Century Boys“)

Naoki Urasawas 20th Century Boys haben gerade ihr Comeback bei mir. So richtig weg waren sie nie. 🙂 Den Manga habe ich als Studentin das erste Mal gelesen und war schwer begeistert. Obwohl ich kein Fan langer Reihen bin, lese ich sie aktuell wieder, da der Manga neu in schmucken Ausgaben als „Perfect Edition“ von VIZ bzw. „Ultimative Edition“ von Panini erhältlich ist. Und auch weil ich Kathrin scheinbar erfolgreich damit angefixt habe 😉 Es ist aber auch eine großartige Geschichte. Eine Verschwörung, die in der Kindheit unserer Helden wurzelt und immense Ausmaße annimmt. Ein unglücklicher Geist, der letzten Endes die ganze Welt im Griff hat. Kindheit ist ein Motiv und eine Zeit, die prägt und Urasawas Manga weckt soviele Erinnerung. Man merkt, dass er auch mal ein Kind war 😉 LOL. Unser Held Kenji ist ein großer Fan von Rockmusik und einer der Songs, den er liebt und der einen von der ersten Seite an begleitet und auch im Titel des Manga steckt ist T-REX‘ „20th Century Boy“. Zwar nicht ganz mein Rockmusik-Geschmack, aber hier trifft es den Nagel auf den Kopf. Vom Sound her fängt es die Zeit ein, in der unsere Helden groß geworden sind und das Riff könnte nicht besser zu einem passen, der gerade sein Helden-Gen wiederentdeckt und sich dem Bösen in der Story stellt.

Header image/photo credit: Janko Ferlič

Der einzige Song, den ich bereits während des Lesens kannte war „How soon is now?“. Einerseits ist es schön die anderen Songs zu entdecken, aber am meisten zündet doch der Funke, wenn man das Lied bereits kennt oder es gar den eigenen Geschmack trifft. Mit den Songs, die ich durch Bücher kennen gelernt habe, verbinde ich auch heute v.A. noch die gelesenen Szenen. Welche Songs habt ihr durch Literatur kennen gelernt und verbindet ihr das Gelesene auch immer noch damit? In meiner Playlist gibt es noch einige Musik-Fundstücke aus Büchern … der nächste Beitrag wird bestimmt ein Special zu Büchern Haruki Murakamis 😉

2 Antworten

  1. XD Irgendwie habe ich schon bei der Überschrift gewusst, dass „20th Century Boy(s)“ dabei ist. Warum nur? 😉

    Bei mir ist es auch so: Wird auf einen Song oder Musiker/Band verwiesen, höre ich auch direkt rein. Für mich untrennbar verbunden sind „In the Mood“ und Kings „Der Anschlag“ (und zack, habe ich wieder einen Ohrwurm).

  2. Als erstes fiel mir hier tatsächlich Stuckrad-Barres „Soloalbum“ ein, aber nutzt ja ’nur‘ Oasis Songs als Kapitelüberschriften, obwohl die stellenweise natürlich gut zum jeweiligen Inhalt des Artikels passen. Ich hab ja in meiner Kurzgeschichte „Heimkehr“ auch einen Smiths-Song prominent verarbeitet. Als Musikfan gehört für mich die passende Musik zur Untermalung einer Szene eben nicht nur in einen Film sondern auch in ein Buch.

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