Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „The Grudge“ (2020)

Eigentlich habe ich „The Grudge“ schon vor über zwei Wochen im Kino geschaut. Aber ich hatte keine Lust den zu besprechen. Das war quasi die Review in kurz. XD Wenn ihr jetzt neugierig seid, was an dem Film nicht funktioniert, könnt ihr natürlich gern die längere Analyse da unten lesen. 😉 Zur Anamnese des Falls: Ich kenne sowohl den japanischen Ju-On: The Grudge aus dem Jahr 2002 als auch das Remake mit Sarah Michelle Gellar und mochte beide. Aber das zweite Remake des Stoffs wird wohl (hoffentlich) der schlechteste Film bleiben, den ich 2020 im Kino gesehen habe. Besprechung ist spoilerfrei.

Der Film beginnt mit einer Frau, die nach einem Japan-Aufenthalt zu ihrer Familie in die USA zurückkehrt. Das nächste Mal, wenn der Zuschauer das Haus sieht, wird es in einer Polizeiakte sein und dort verzeichnet als Tatort eines blutigen Familiendramas. Die Frau hat ihre ganze Familie umgebracht. Die Polizistin Muldoon (Andrea Riseborough) tritt im lokalen Police Department eine neue Stelle an. Neuer Bundesstaat, neuer Job – sie und ihr Sohn verarbeiten noch den Tod des Vaters und Ehemannes nach schwerer Krankheit. Als ihr neuer Partner Detective Goodman (Demián Bichir) sich weigert den Fall des Familiendramas weiter zu untersuchen, wird Muldoon neugierig und betritt das Haus. Nichtsahnend was für einen Schrecken sie damit in ihr Heim einlädt.


„THE GRUDGE Trailer German Deutsch (2020)“, via KinoCheck (Youtube)

Die Grundidee ist eigentlich nicht schlecht. Als Kenner der Ju-On-Film weiß man, dass der titelgebende Groll den gewaltsam zu Tode gekommener auf lebende Menschen bezeichnet und in einen Fluch mündet. Die Geister der Verstorbenen verfolgen die Lebenden, töten sie, ernähren sich von ihrer Lebensenergie, infizieren sie mental – was auch immer es braucht um sie ihrer Leben zu berauben. Das 2020er Remake hat nun gezeigt, dass der Fluch nicht an der japanischen Landesgrenze halt macht, sondern importiert werden kann. Was dem Grauen also ein grenzenloses Ausmaß geben könnte, der wie ein Virus um sich schlägt, hat auch hier wieder viele Infizierte. Muldoon läuft relativ blind in die Gefahr, der Immobilienmakler Peter Spencer (John Cho) und seine von Betty Gilpin gespielte Frau ebenso. Andere Involvierte bleiben hier ungenannt, da die Zusammenhänge zu erkennen den (einzigen?) Reiz des Films ausmacht. Gerade mit den Spencers und Detective Muldoon hat der Film die Möglichkeit Protagonisten zu schaffen, für die der Zuschauer die Daumen drückt. Die Familie Muldoon, die das Ableben des Vaters und Ehemannes verarbeiten muss. Und die Familie Spencer, die lange damit gewartet hat ein Kind zu bekommen und dann erfährt, dass es eventuell krank oder behindert zur Welt kommt. Und trotz dieser Schicksalsschläge spielt ihnen das Leben nochmals übel mit. Das hat Potential um Empathie zu fördern. Stattdessen gibt es seltsame, kalte Dialoge und einen Film, der in trübes Sepia getaucht ist.

Irgendwie liest man was von Sam Raimi als Produzent, von Andrea Riseborough, John Cho und Demián Bichir im Cast und denkt sich: joar, das wird schon gut werden! Trailer hatte ja auch ein paar Schockmomente und oh: dieses Mal darf John Cho scheinbar die damsel in distress sein und bekommt die Duschszene ab. Schön, schön – das wird geschaut. Man hätte misstrauisch werden müssen, wenn man merkt, dass der Protagonistin „Detective Muldoon“ kein Vorname spendiert wird. Ein namenloser Protagonist ist ein Kunstgriff, aber kein Vorname – da muss was faul sein! (Ich schreibe das nicht ohne einen gewissen Sarkasmus 😉 ) Nun muss man sich fragen: wie konnte das schief gehen? Dadurch, dass man alles ignoriert hat, was das Erfolgsrezept von Ju-On: The Grudge und asiatischen Horrorfilmen allgemein ist, weil man etwas anders machen wollte. Einer der größten Fehler hierbei ist wohl, dass zuerst die Protagonisten als potentielle Opfer dargestellt werden und dann zu Geistern werden, die stets Täter sind, weil sie immer wieder andere mit dem Fluch infizieren. In den früheren Filmen war es stets der Fall, dass die Geister zuerst als Täter auftraten, aber dann klar wurde, dass sie Opfer waren und sind. Die Reihenfolge spielt hier eine dramatische Rolle, die etwas grundverschieden anderes im Zuschauer auslöst. Zuerst Empathie, dann Abstoßung ist etwas anderes als zuerst Abstoßung, dann Empathie.

Außerdem importiert der 2020er-Film nicht alle Merkmale des Originals, sondern adaptiert sie. Markante Merkmale fehlen – der amerikanische Fluch ist anders. Das bekannte, kehlige Geräusch der Geister aus Ju-On verschwindet und wird getauscht gegen Jumpscares, die man schon auf zehn Meter Entfernung erahnen kann. Keine blassen Gesichter mit tiefen, dunklen Augenringen mehr, sondern blutige, verunstaltete, verweste Gestalten, die mehr wie Zombies aussehen. Es ist als ob man allen psychologischen Horror und alles subtile entfernt hätte, was die asiatischen Horrorfilme so gut gemacht haben. Und dann ist es ganz schnell auch gar nicht mehr gruselig. Das einzige, was der Film übrigens nicht anders macht ist, dass er die einzelnen Geschichten der Leute, die mit dem importierten Fluch Kontakt haben, episodisch und fragmentarisch erzählt. D.h. immer mal abschnittsweise und nicht in chronologischer Reihenfolge. Das hat einen netten, stetigen Erkenntnisgewinn zur Folge bis man alle Zusammenhänge der einzelnen Personen aufgedeckt hat. Das und der Gedanke des importieren Horrors plus die dramatischen Einzelleistungen der Charaktere sind die drei Punkte wert in einem Film, der ansonsten wohl nur wenige Fans finden wird.

The Grudge, USA, 2020, Nicolas Pesce, 94 min, (3/10)

Sternchen-3

Ein Glück, dass das nicht der erste Kinofilm oder Film war, den ich mir 2020 angeschaut habe. Sonst hätte ich das noch als böses Omen oder gar Fluch verstanden. 😉 Ich muss ja gestehen, dass ich tatsächlich schon nicht mit großen Erwartungen in den Film reingegangen bin, aber selbst die wurden noch untertroffen. Dabei ist auch Ju-On – The Grudge als auch das Remake mit Sarah Michelle Gellar nicht einer der besten Filme, die ich je gesehen habe. Aber kultig. Es hat trashige Momente, aber auch ein paar Kunstgriffe des Horrorkinos. Die Bettdecken- und Fahrstuhlszene jagt mir Angst ein, wenn ich darüber nachdenke. Erwartet nicht, dass die hier auftauchen. Es also eher als ein Quasi-Remake zu verstehen. Habt ihr den Film geschaut? Und wie hat er euch gefallen?

2 Antworten

  1. Guten Morgen!
    Wirklich schade, dabei fand ich den Trailer dazu wirklich recht sehenswert gerade. Aber das ist irgendwie auch das Los der heutigen Horrorfilme, kaum noch irgendwas neues kommt, dass wirklich so richtig mitreißt.
    Dieses kehlige Geräusch lässt mich übrigens auch heute noch zusammenzucken, wenn es wer von sich gibt, wohlwissend, dass es mir Angst machst

    Liebe Grüße!
    Gabriela

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Hi Gabriela ^^

      ja ging mir beim Trailer auch noch so – wirkte ja wie solider Grusel mit einigen bekannten Stellen. Aber leider verschenkt der Film irgendwie alles an Potential was die Vorlagen so erfolgreich gemacht hat. Dabei gibt es ja immer wieder Horrorfilme die was anders oder anders gut machen – zum Beispiel Midsommar oder Der Babadook. Hier ist wohl eine seltsam abgestimmte Mischung aus „bekannte Tricks“ und „neue Ideen“ im Erzählerischen schuld …

      Ebenso liebe Grüße und vielen Dank für deinen Kommentar

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