Uh, eine Serie, die sich um einen Jazz-Club in Paris dreht mit André Holland in der Hauptrolle auf Netflix? Bin dabei. Nach der ersten Episode tauchte mit Damien Chazelle dann auch noch ein sehr bekannter Name in der Endroll auf, den ich zuvor nicht auf dem Schirm hatte. Warum die Serie trotz bester Zutaten unheimlich anstrengend ist … spoilerfrei.
The Eddy ist der Name des Clubs, den der frühere Jazz-Pianist Elliot Udo (André Holland) und sein bester Freund Farid (Tahar Rahim) in Paris eröffnet haben. Elliot spielt nicht mehr und schreibt stattdessen für die Band des Hauses. Der Segen zwischen ihm und der Lead-Sängerin Maja (Joanna Kulig) hängt schon schief, bald auch der der ganzen Band und die Anzahl der Gäste im Club sind überschaubar. Als Elliots Tochter Julie (Amandla Stenberg) zu Besuch kommt, umweht ihr Gezanke der Hauch einer dysfunktionalen Vater-Tochter-Beziehung. Und als ob all das noch nicht ausreicht, wird Farid hinter dem Club erstochen. Im Einen Moment kämpfen Elliot, die Band und Farids Familie mit der Trauer – bald schon aber mit der Erkenntnis, dass Farid in halbseidene Geschäfte verwickelt war. Und seine „Geschäftspartner“ wollen zurück, was ihnen gehört.
Mit jeder Episode widmet sich die Serie einem anderen Mitglied der Band oder den Leuten, die im The Eddy ein und aus gehen. Sie handelt gleichermaßen von Elliot als Clubbesitzer mit viel Ballast aus der Vergangenheit wie auch von Farids Frau Amira (Leïla Bekhti), die mit dem Tod ihres Mannes fertig werden muss, während sie zwei Kinder erzieht. Aber auch von Sim (Adil Dehb), dem Barkeeper und Kellner des The Eddy, der versucht sich und seine kranke Großmutter durchzubringen oder von Julie, die ihrem Vater vorwirft sie seit der Scheidung von ihrer Mutter und dem Tod ihres Bruders wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen zu haben. Als sie beschließt bei ihrem Vater in Paris zu bleiben und nicht zurück zu ihrer Mutter in die Staaten zu fliegen, ist Krawall vorprogrammiert. Schließlich will sie Aufmerksamkeit und er ist viel zu beschäftigt damit, dass sein Club nicht von Gangstern abgefackelt wird. Klingt kompliziert? Ist es!
„The Eddy | Official Trailer | Netflix“, via Netflix (Youtube)
Es macht anfangs alles andere als Spaß Elliot und Julie dabei zuzuschauen wie sie hektisch in der Gegend rumlaufen, mit allen streiten, nie etwas richtig klären und so alles nur viel schlimmer machen. Das ist eher ein Fast-Burner als ein Slow-Burner, denn er verbrennt die Zuschauer, bevor die Lust bekommen das Schicksal der Charaktere zu verfolgen. Dabei ist das durchaus der Trumpf der Serie – neben der erstklassigen Musik.
The Eddy mag die Geschichte eines ehemaligen Jazz-Stars sein, ist aber bodenständig und einfühlsam für die Einzelschicksale. Wir werden Zeuge wie Amira ihren Mann nach muslimischer Tradition für die Beerdigung vorbereitet und auch wie sich die Band durchschlägt als der Club zwischenzeitlich schließen muss (Stichwort Hochzeits-Gigs). Wie einzelne von ihnen mit Drogensucht zu kämpfen haben und wie sie sich am Rande der Legalität bewegen. Kein Plattenvertrag, kein Glamour, sondern der Realismus des Künstlerlebens, wo man schaut, dass man dem Traum mit etwas Glück so nah wie möglich kommt und trotzdem was zu essen hat. Auch der ethnische Schmelztigel des Pariser Banlieue spielt eine Rolle. Kein Schischi, sondern Überleben – ein dankenswerter Gegenentwurf zu verblendetem Pop-Mist.
Dem Realismus dient auch das Engagement der echten Künstler. Der Komponist der Serie, Randy Kerber spielt hier gar selber eine Rolle. Als Kontrasbass-Spieler wurde Damian Nueva Cortes in seiner soweit ich weiß ersten Fernsehrolle verpflichtet, genauso wie die kroatische Schlagzeugerin Lada Obradovic. Joanna Kulig (u.a. bekannt aus Cold War – Der Breitengrad der Liebe) mimt die Lead-Sängerin der Band und Gewissen Elliots. Ludovic Louis spielt Ludo und hat als Trompeter im echten Leben u.a. Lenny Kravitz begleitet. Jowee Omicil ist Alt-Saxofonist und den kann man im echten Leben z.B. hier hören. Und wer genau hinsieht, merkt, dass er in der Serie sein eigenes Instrument spielt oder zumindest auch dort sein Erkennungsmerkmal (die bunten Bänder) benutzt. Das alles ist echt.
Man möchte die Serie als Jazz-Fan oder einfach Idealist schon alleine deswegen gut finden. Aber die Narrative geht ganz und gar nicht auf – und noch schlimmer. Deutet an, dass hier noch nicht Schluss ist. Zwar kündigen die Episodentitel (insbesondere mit Blick auf die letzte Episode) an, dass sich alle irgendwie zusammenfinden und zu einem harmonischen „The Eddy“ zusammenwachsen, die Handlung aber geht nicht auf. Der ganze konfuse Mist, den Elliot zu Beginn veranstaltet, lässt die Serie einfach so arg ins Unglaubwürdige abdriften. Schon klar, der Club ist ihm wichtig. Am Leben bleiben vielleicht auch? Ein Glück, dass André Holland so ein guter Schauspieler ist, sonst hätte man ihm das nicht ansatzweise abgekauft und nach der ersten Episode nicht wieder eingeschalten. Tausendsassa Jack Thorne und Damien Chazelle haben ein ehrgeiziges Projekt auf die Beine gestellt, dass nur dank der Musik und großartigen Darsteller funktioniert. Der Rest ist Käse.
(6/10)
Jetzt bin ich umso gespannter: habt ihr die Serie vielleicht auch gesehen und wie hat sie euch gefallen? Seid ihr Musiker und wie empfindet ihr die Darstellung der Künstler hier? Kennt ihr ähnliche Musikserien? Ich bin etwas Saxophon-fixiert – vielleicht habt ihr einen Tipp für mich?
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