Abby (Kristen Stewart) und Harper (Mackenzie Davis) sind seit ca. einem Jahr ein Paar, aber das große Kennenlernen mit den Schwiegereltern fand bisher nicht statt. Gehyped und überwältigt von der beginnenden Weihnachtszeit lädt Harper Abby ein die Feiertage mit ihr bei ihren Eltern zu verbringen. Abby hat ihre Eltern leider bereits verloren und würde das Fest ansonsten alleine verbringen. Sie ist kein großer Weihnachtsfan, lässt sich aber von dem Gedanken hinreißen – mit Harper zusammen am Weihnachtsmorgen aufwachen, tausendmal besser als die andere Aussicht. Da war Harper aber wohl etwas vorschnell. Kurz bevor sie bei Schwiegermama und -papa eintrudeln, gesteht sie Abby, dass sie nie ein Coming-Out vor ihren Eltern hatte und sie Abby kurzerhand als eine, aber nicht die Freundin vorgestellt hat. Ups. Abby ist nicht begeistert aber sagt „It’s just five days. How bad can it be?“
„Happiest Season – Trailer (Official) • A Hulu Original“, via Hulu (Youtube)
Tatsächlich kann es ganz schön krass werden, denn Harpers Familie engagiert sich politisch. Ihr Vater will als Bürgermeister kandidieren und alles ist so halbwegs Teil einer Kampagne. Für die sozialen Netze müssen lustige gestellte Fotos gemacht werden. Oh nein, unscharf? Nochmal! Ganz nebenbei ist die Beziehung Harpers zu ihren Schwestern schwierig. Zu Sloane (Alison Brie) steht Harper im ständigen Machtkampf, wohingegen Jane (Mary Holland, auch Drehbuchautorin) ständig von allen runtergemacht wird. Die Atmosphäre ist unterschwellig toxisch, getrübt vom Stress, dass alles perfekt sein muss. Und als ob das noch nicht genug wäre, läuft ständig Harpers sehr männlicher Ex Connor (Jake McDorman) überall rum – aber auch Harpers Ex-Freundin Riley (Aubrey Plaza). Der Film kann das insbesondere im ersten Drittel als eine sehr witzige, queere Komödie verpacken. Für den Comic Relief sorgt nebenbei auch noch Daniel Levy als Abby und Harpers schwuler Freund John.
Aber irgendwann kippt die Stimmung. Dass Abby für die Familie quasi unsichtbar ist, nagt an ihr. Statt als integraler und wichtiger Bestandteil von Harpers Leben wird sie als die aus Nettigkeit aufgenommen Fremde betrachtet. Ständig gibt es unpassende Vorurteile gegenüber ihr als Waise. Wie sehen da wohl erst die Vorurteile aus, wenn sie erfahren, dass Abby und Harper lesbisch sind!? Harper selber verfällt in alte Muster und Abby erkennt sie kaum wieder. Ab dann ist der Film nicht mehr lustig, sondern eine tragische Abwärtsspirale, die die Beziehung der Beiden bedroht und zwischenzeitlich Panik weckt. Aber es wäre kein Weihnachtsfilm, wenn sich da nicht noch irgendwas tun würde, oder!? 😉
Gegen Ende schafft er es mit allseits wunderbar weihnachtlichem Anstrich daran zu erinnern, worauf es innerhalb einer Familie ankommt und was die Werte sind, nach denen diese zusammen leben sollten. Dann entwickelt sich Happiest Season dankbarerweise weder zu einem echt schönen Feelgood-Movie. Da ich eine langweilige Hete bin, stellt sich natürlich die Frage, ob die queere Community den Film auch witzig findet oder die Gags rund um „Zurück in den Schrank“ eher nicht mehr besonders lustig sind!? Der Slapstick-Anteil, die Gags und Anekdoten finde zumindest ich sehr lustig und herzerwärmend mit einem guten Gespür für Timing und Spannungskurve.
Auch die Charaktere und der großartige Cast (ernsthaft, die versammeln hier eine Menge meiner Lieblings-Seriendarstellerinnen) alleine sind schon ein Argument für den Film. Erfrischend empfand ich auch die Nebenhandlung um die von Mary Holland gespielte Schwester Jane, die mit ihren Hobbys und Fähigkeiten versucht aufzufallen und sich in das Familienbild zu quetschen, in dem ihr trotz Allem nie Platz eingeräumt wird. Selbst sie wird vom Film nicht vergessen. Bei all dem kommt fast Kristen Stewart als Abby zu kurz – aber der Film schafft hier noch haarscharf gegen Ende den Bogen zu bekommen und erinnert alle, die nie ein Coming-Out haben oder um die Akzeptanz bei ihrer Familie bangen mussten wie gut oder schlecht das ausgehen kann. In jedem Fall wieviel Mitgefühl und Unterstützung dieser Schritt verdient hat.
Es ist schon ein Jammer, dass der Film aufgrund der COVID-Pandemie der reguläre Kinostart verwehrt bleib, schließlich wäre es für das Weihnachtsprogramm im Kino höchst stimmungsvoll und macht echt Spaß. Aber man hat sich dazu entschlossen den Film für die Veröffentlichung auf Streamingplattformen in der Weihnachtszeit freizugeben anstatt den Kinostart immer weiter zu verschieben wie es das Schicksal vieler Produktionen in diesem Jahr war. Liegt aber auch auf der Hand – im Sommer will halt keiner einen Weihnachtsfilm sehen. Und so muss der Film wenigstens zu Weihnachten nicht „im Schrank bleiben“. Und tatsächlich ist Happiest Season der erste Weihnachtsfilm, der mehrere homosexuelle Protagonist*innen hat. Mehr davon!
Happiest Season, USA, 2020, Clea DuVall, 102 min
Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
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