Vor Jahren dachte ich schon mal, dass sich die Anthologieserie „American Horror Story“ (AHS) für mich tot gelaufen hat. Nach Freak Show war der Punkt für mich gekommen. Aber „Hotel“ und „Roanoke“ waren wirklich gut. „Cult“ wiederum ein neuer Tiefpunkt. Ab da konnte man sagen, dass AHS durchaus Hit & Miss ist. So ähnlich wie der Mythos, dass jeder zweite Star-Trek-Film Mist ist. Wie ist nun die neunte Staffel, die sich anders als der Titel vermuten lässt, nicht mit Orwellscher Überwachungsdystopie auseinandersetzt, sondern mit Sommercamp-Slasher und Serienkiller-Tropen!? Die Besprechung ist spoilerfrei.
Brooke (Emma Roberts) ist kaum in der Stadt und wird schon prompt fast das Opfer des Serienkillers Richard „Nighstalker“ Ramirez (Zach Villa). Als sich also die Gelegenheit bietet mit den Leuten, die sie in ihrem Aerobic-Kurs kennengelernt hat, in einem Sommercamp als Betreuerin zu arbeiten, greift sie zu. U.a. gehören zu der Gruppe Aerobic-Fanatikerin Montana (Billie Lourd), Xavier (Cody Fern) mit Schauspiel-Ambitionen und Chet (Gus Kenworthy), der gerade frisch wegen wegen Dopings von den Olympischen Spielen ausgeschlossen wurde. Sie treffen im Camp Redwood die christlich verklärte Leiterin Margaret (Leslie Grossman), die das Camp als einen Ort sieht, wo im Gegensatz zum Rest der Welt Zucht und Ordnung herrscht. Unter dem strengen Regiment Margarets stehen auch die Camp-Ärztin Rita (Angelica Ross), die nicht ist, wer sie vorgibt zu sein und der Betreuer Trevor (Matthew Morrison). Neben all den persönlichen Geschichten und Dilemmas wird aber das vorrangige Problem der Gruppe, dass in Camp Redwood einst der Serienkiller Mr. Jingles (John Carroll Lynch) umging, der gerade frisch aus der Psychiatrie ausgebrochen ist und auf Rache sinnt. Und Überraschung: auch der Nightstalker will sich das Opfer, das ihm durch die Lappen gegangen ist, holen.
„American Horror Story Season 9 Trailer (HD) AHS 1984“, via TV Promos (Youtube)
AHS: 1984 feiert erfolgreich seit der ersten Staffel typische Muster und Tropen des Horrorgenres und bricht erfolgreich andere, die sich zu oft in Serien einschleichen. AHS ist seit jeher twistreich, inklusiv, divers und nicht selten over-the-top und gesellschaftskritisch, wenn nicht sogar politisch. In der inzwischen neunten Staffel ist es nun also das wohl von Tropen, d.h. wiederkehrenden Mustern, gerade zu wimmelnde Genre der Slasherfilme. Die ungnädige bis diskriminierende Note, dass die schwarzen Darsteller gefühlt immer zuerst sterben, dass die Jungfrau als Trope der Unschuld verschont wird und es häufig zum final girl schafft, sind dabei wohl nur einige der bekanntesten Muster. Bloß nicht trennen! Und natürlich ist der Strom gekappt, das Licht geht nicht und v.A. nicht das Telefon um Hilfe zu rufen. Wer hat etwas anderes erwartet!? Mit all dem spielt natürlich auch AHS und das macht richtig Spaß in der ersten Hälfte. Die Muster, die es bricht sind beispielsweise, dass die klassische Szene in der die Camp-Bewohnerinnen beim Duschen von Spannern beobachtet werden, dieses Mal nicht den Frauen, sondern Männern gilt. 🙂 Hier erkennt man auch leicht das unterschwellige Motiv der bebenden 80er, sexuellen Revolution, aber auch der züchtig-christlichen Verklärung, die immer mal leicht durchschimmert. Davon mal abgesehen mischt sich auch das Motiv der Teufelsanbetung bzw. des Satanismus in die Staffel.
„AHS 1984: Workout Scene“, via Travis Wanderly (Youtube)
Auffälligstes Merkmal ist aber wohl, dass sich auch dieses mal wieder die Staffel einiger Zeitsprünge bedient und quasi zweigeteilt ist. Die Stimmung kippt etwas zur Staffelhälfte hin. Während man in der ersten Hälfte noch richtig mit den Charakteren mitgelitten hat, sind zur zweiten Hälfte (das überrascht jetzt sicherlich niemanden) die meisten der Charaktere tot und was danach kommt bedient sich (leider) eines in AHS viel zu oft auftretenden Geister-Tropes. Das wirkt anfangs viel zu repetitiv, entwickelt aber im Staffelfinale einen angenehmen Charme. Dadurch verschiebt sich auch die Atmosphäre der Staffel. Anfangs noch Slasher, sind die Gewaltexplosionen und Blutfontänen größer als in der ersten Hälfte, sodass irgendwann der Punkt erreicht ist, wo es in Gore abgleitet und nicht mehr so wie in der ersten Hälfte gruselt. Man akzeptiert nur noch das ganze Blut und fragt sich, wo die Reise hingeht. Das Interesse sinkt im selben Maß wie die Empathie und der Eindruck von realistischem Terror oder Tragödien. Wer das also bei Slashern nicht toll findet, hat hier wahrscheinlich ähnliche Probleme. Dafür nimmt die Satire zu (Stichwort Dark Tourism) und bringt v.A. anhand John Carroll Lynchs Charakter und Geschichte einen Drama-Aspekt mit hinein, der wirklich gut gelungen ist und mitreißt. Lynch brilliert hier erneut in der Rolle eines Serienkillers wider Willen und darf dieses Mal auch mehr Bandbreite zeigen. Interessanterweise ist 1984 dann eine der wohl am versöhnlichsten endenden Staffeln. Und eine, die auf Crossover vorheriger Staffeln verzichtet. Damit ist AHS: 1984 nach hinten raus sehr stark – man muss es nur bis hierhin schaffen, wenn man den Sprung zwischen den Stimmungen und Themen in der Staffelmitte abkann. Nebenbei gesagt hat 1984 das wohl so ziemlich coolste Opening der Reihe.
(7/10)
„American Horror Story Season 9 Opening Credits (HD) AHS 1984“, via TV Promos (Youtube)
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Seid ihr noch dran geblieben bei „American Horror Story“ oder habt ihr die Serie irgendwann aufgegeben? Offenbar stellen sich durchaus auch bei Anthologieserien mal Ermüdungserscheinungen ein wie man auch bei einst schwer begeisterten „Black Mirror“-Zuschauer*innen beobachten kann. Für mich ist es jedenfalls eine der besseren Staffeln, wenn auch nicht die beste. Welche Anthologieserien könnt ihr empfehlen? Oder „entpfehlen“?
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