Man muss die Filme nicht mal kennen, um zu erahnen, dass das Kontrastprogramm ist. Die Titel reichen aus. 🙂 Nachdem die ersten beiden Filme eher blutig waren, brauchte ich eine Abwechslung, die ich in „Herr Fuku-chan von nebenan“ fand. Und da sind wir nun im wahrscheinlich vorletzten Beitrag zum „Japanuary 2021“, der eiligen Schrittes auf ein Ende zugeht.
Creepy
Polizei Profiler Koichi Takakura (Hidetoshi Nishijima) tritt nach einem Übergriff durch einen Serienkiller aus dem aktiven Dienst aus und lehrt stattdessen Profiling an einer Universität. Dafür ziehen seine Frau Yasuko (Yūko Takeuchi) und er auch um. Aber für beide wird die Eingewöhnung schwierig. Während er es nicht lassen kann und sich doch wieder mit Fällen beschäftigt, leidet Yasuko unter Einsamkeit. Die Versuche sich bei den Nachbarn vorzustellen, bleiben relativ fruchtlos. Man ist offenbar lieber für sich alleine. Besonders der eigenwillige Nachbar Nishino (Teruyuki Kagawa) sendet seltsame Signale. Im einen Moment warm und herzlich, im nächsten schroff und unfreundlich. Dabei verströmt er stets eine Atmosphäre die dem Titel des Films gerecht wird. Hätten die Takakuras lieber nicht an seine Tür klopfen sollen?
Hätten sie nicht. Die Literaturverfilmung demonstriert an dem Ehepaar wie attraktiv Geheimnisse und Absurditäten sind. Obwohl Yasuko findet, dass Nishino seltsam ist, kann sie ihre Einsamkeit nicht einfach runterschlucken und will mehr über die Nishinos wissen. Obwohl Takakura schon einmal im Dienst verletzt wurde, zieht ihn der Cold Case um das Verschwinden einer ganzen Familie magisch an. Die Parallelen sind meisterlich umgesetzt als er später wieder in demselben Raum sitzt, in dem er einst auch schon den Serienkiller befragte, der ihn später schwer verletzten sollte. Das seltsame, gruselige, mysteriöse übt auf Menschen eine fantastische Anziehung aus. Teruyuki Kagawa spielt Nishino auch teuflisch gut. Trotzdem hat der Film eine seltsame Note, die schon auf fast fantastische Art und Weise alle Erklärungsansätze wie genau der Täter hier seine Opfer gefügig macht schluckt und aus der Formel nimmt. Vielleicht ein Mittel zum Zweck, ganz sicher sogar, aber in der Umsetzung sorgt das in der zweiten Hälfte vor Allem für Fragezeichen. Vielleicht gelingt hier der Spagat zwischen Populär-Thriller und Kunstgriff nicht, aber man versteht schwer, warum hier alle handeln wie sie handeln.
Creepy (OT: クリーピー 偽りの隣人 „Kurīpī: Itsuwari no Rinjin“), Japan, 2016, Kiyoshi Kurosawa, 113 min, (6/10)
„CREEPY Original Theatrical Trailer (English Subs)“, via Eurekaentertainment (Youtube)
Lesson of the Evil
Wieder Takashi Miike, wieder Hideaki Itō, wieder eine Literaturadaption. In Lesson of the Evil ist der Englischlehrer Seji Hasumi (Hideaki Itō) sowohl Freund seiner Schüler, ein ausgezeichneter Lehrer als auch aufmerksamer Kollege. Lediglich der Zuschauer erkennt anhand von Rückblenden in seine Jugend und Szenen aus seinem Alltag in einer verfallenen Hütte und bei American-Psycho-esquen Fitnessübungen, dass etwas unter der Oberfläche von Hasumis Zahnpasta-Lächeln brodelt. Als der Schulalltag durch übergriffige Eltern und Schüler, die nicht hören wollen, gestört wird, tickt Hasumi aus und metzelt alle ab.
Okay, okay, das war die Kurzform. Eigentlich beginnt der Film auf vielversprechende Weise in der Hasumi als smooth, evil Operator intrigiert und Hass und Zwietracht sät. Er erpresst und manipuliert in einer Weise, die verständlich macht, warum der Film auf dem westlichen Markt den Titel Lesson of the Evil abbekommen hat. Er ist das personifizierte Böse. Anfangs vermeidet der Film dabei sogar einige typische Slasher-Tropen indem ihm relativ früh Schüler auf die Schliche kommen. Als sich aber die Schlinge um Hasumi in einer Weise zuzieht, der er nicht mehr auf elegante Weise entkommen kann, entscheidet er sich für die Option mit der Schrotflinte. Ab da wird der Film relativ banal. Handwerklich und optisch ist das zwar gut gemacht, verletzt aber empfindlich wie smart der Film anfing. Zu den größten Versäumnissen zählt, dass fast alle Charaktere hilflos schreiend „einfach nur“ sterben, sodass man sich plötzlich in kopflosem Gore wiederfindet. Man kann sich überlegen, ob das eine Hommage an japanische Slasherformate sein soll und sich einreden das als blutigen Kunstgriff zu betrachten. Das macht es aber noch lange nicht „gut“. Denn was ebenso schief läuft ist die mangelnde Darstellung von Hasumis Psychogramm. Einflüsse aus deutscher Literatur und nordischen Mythen werden als Motive eingestreut, aber nie Hasumis Denke erklärt, was dem Film nach hinten raus dann einfach alle Substanz raubt. Schade – fing gut an.
Lesson of the Evil (OT: 悪の教典 „Aku no Kyōten“), Japan, 2012, Takashi Miike, 124 min, (5/10)
Herr Fuku-chan von nebenan
Herr Fukuda (Miyuki Oshima) wird von allen nur verniedlichend Fuku-chan genannt, weil er ein herzensguter Typ ist. Fuku-chan bringt sowohl für seine Arbeitskollegen als auch seine teils schrägen Nachbarn Verständnis auf und schlichtet nicht selten Konflikte. Seine Freunde versuchen öfters Fuku-chan zu verkuppeln, aber sobald sie eine Frau mitbringen ist das für ihn ein rotes Tuch. Warum erklärt sich von selbst als seine ehemalige Mitschülerin Chiho (Asami Mizukawa) auf der Matte steht und sich dafür entschuldigt, dass sie damals sein Vertrauen missbraucht und ihn schlimm gemobbt hat. Fuku-chans Leben gerät dadurch leicht aus den Fugen – aber nicht zwingend auf die schlechte Weise.
„Yosuke Fujita: FUKU CHAN OF FUKUFUKU FLATS (2014)“, via Rapid Eye Movies (Youtube)
Herr Fuku-chan von nebenan kann man gut und gerne als subtiles Feelgood-Movie bezeichnen. Es strotzt vor Charakteren, die ihr Päckchen zu tragen haben. Öffnet man die Türen, begegnet man Einsamkeit, Fanatismus, Schuld, schwierigen Entscheidungen und kurvenreichen Lebenswegen. Gerade weil Fuku-chan selber mental schwer durch das Mobbing geprägt ist, hegt er umso mehr Sympathie für die Menschen in seinem Umfeld. Dabei ist der Film ein überraschender Genderbender: der Charakter des Fuku-chan ist eindeutig als Mann angelegt, wird aber von der weiblichen Comedian Miyuki Oshima gespielt. Das funktioniert ausgezeichnet und unterfüttert den Film mit der zusätzlichen Note der steten Erwartungen, die an Geschlechter gerichtet werden. Frauen sind empathisch, hier wird aber eine jemandem ordentlich eins auf die Mütze geben und nicht nur nett und fragil sein. Männer sind nicht empathisch – Fuku-chan ist das Gegenbeispiel. Geschlechter sind genauso wenig binär wie menschliche Merkmale und Charakter. Der Film hat darüber hinaus einen herrlichen absurden Humor, der über die „slow burnende“ Handlung hinwegträgt und gut amüsiert, auch wenn man nicht Tränen lacht. Außer weil es so tragisch ist und weh tut, dass es schon wieder schön ist. Eine meiner Lieblingsszenen: der Curry-Fanatiker, der Fuku-chan und Chiho mit einem Säbel verfolgt, weil sie zu ihrem Curry Wasser bestellen wollten. Ich kann nie wieder Curry essen ohne daran zu denken. 🙂
Herr Fuku-chan von nebenan (OT: 福福荘の福ちゃん „Fukufukusō no Fuku-chan“), Japan, 2015, Yosuke Fujita, 110 min, (7/10)
Zu den bisherigen Artikeln
Ankündigung/Filmliste
Besprechungen zu „Happiness“, „Bescheidene Helden“ & „Terra Formars“
Header Image Photo Credits: Andre Benz
Drei abgehakt – ansonsten sieht die Bilanz etwas schwierig aus. Weil temporär Filme nicht verfügbar waren, dachte ich schon, dass der „Japanuary“ für mich gelaufen ist. Zumindest, was die angedachte, feste Filmliste betrifft. Glücklicherweise hat es doch noch irgendwie geklappt. Zwei sind offen! Ihr könnt euch vorstellen wie ich die nächsten Abende verbringe. 🙂 Dann immerhin mit zwei meiner Japanuary-Filme auf die ich mich mit Abstand am meisten gefreut habe. Wie lief der Japanuary für euch? Und davon abgesehen: kennt ihr die hier besprochenen Filme? Wie habt ihr sie wahrgenommen?
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