Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Old“

Mir wurde von einem anderen Filmenthusiasten neulich von „Old“ erzählt und ich war total baff, dass Ankündigung und Trailer des neuen Shyamalan-Films bis dahin total an mir vorbei gegangen sind. Das hilft wohl aber der Neugier – kurze Zeit später saß ich im Kinosaal. Besprechung ist spoilerfrei, was wie immer bei Shyamalan auch dringend notwendig ist, hier aber gar nicht so schwer.

Das Ehepaar Guy (Gael García Bernal) und Prisca (Vicky Krieps) fahren mit ihren beiden Kindern Trent (Nolan River) und Maddox (Alexa Swinton) in ein nobles Urlaubsresort. Eines Tages nehmen sie das Angebot des Hotels an sie zu einem Strand zu fahren, der als Geheimtipp gilt. Tatsächlich sind dort nur wenige andere, u.a. die sehr auf Schönheit bedachte Chrystal (Abbey Lee) und ihr Doktor-Gatte Charles (Rufus Sewell), das Paar Patricia (Nikki Amuka-Bird) und Jarin (Ken Leung) und der Rapper Sedan (Aaron Pierre). Aber lange währt der Frieden im Paradies nicht. Zuerst wird eine Leiche angespült, dann bemerken Guy, Prisca und Crystal Veränderungen an ihren Kindern. Die scheinen plötzlich um einige Jahre gealtert und auch an sich selber bemerken sie Falten. Sie altern rasant.

Ich empfehle auf den Trailer ggf zu verzichten.


„Old – Official Trailer [HD]“, via Universal Pictures (Youtube)

Das Setting kann man auch in einem Satz beschreiben. Ich habe mal gelernt daran erkennt man die besten Geschichten: einfache Prämisse, große Auswirkungen. Natürlich stellen sich sofort zahlreiche Fragen. Liegt es sicher am Strand wie das Setting suggeriert? Wenn ja, warum können sie nicht einfach entkommen? Denn wenn sie einfach entkommen könnten, wäre der Film ja nach 20 Minuten vorbei. Wie gehen sie damit um? Welche Auswirkungen hat das? Sterben sie alle an dem Strand? Wie schnell altern sie wirklich? Altern sie alle gleich schnell? Und wie setzt der Film das Altern um? Schlechte Maske haben wir alle zur Genüge in Filmen gesehen. (Looking at you Harry Potter Filmreihe … .) Old basiert auf der Graphic Novel Sandburg des französisch-schweizerischen Künstlerduos Pierre Oscar Lévy und Frederik Peeters. Shyamalan adaptierte daraus das Drehbuch und das kreative Paket aus Vorlage und Adaption beantwortet alle diese Fragen. Vielleicht beantwortet es sogar ein paar zuviele.

Die Erklärungen wirken nicht immer so naht- und mühelos in die Handlung eingebettet und daher manchmal schmerzhaft gestelzt. Es wäre schon nett und auch nur natürlich gewesen, wenn es für manche Umstände mehrere Theorien unter den Protagonist*innen gegeben hätte. Zum Beispiel dafür, warum sie nicht entkommen können oder dafür, dass ihre Fingernägel und Haare nicht abnormal schnell wachsen. Manchmal ist das mysteriöse eben charmanter, anziehender oder in besonders einem Fall tragischer (Stichwort „nur mal kurz hingelegt“), wenn es einfach ein Mysterium bleibt. Vielleicht hat Shyamalan die Kritik der Vergangenheit sehr ernst genommen. Vielleicht hat auch schon die Vorlage alle diese Punkte adressiert. Andere Umstände erlauben einfach keine Spekulation oder müssen adressiert werden, wie der Fakt, dass die Kinder unwahrscheinlich Hunger bekommen – sie müssen ja schließlich in ihrem Wachstum an Biomasse zulegen im Gegensatz zu den Älteren. Bezüglich mancher Umstände ist der Film auch sehr optimistisch – zum Beispiel was Bakterien betrifft oder wie lange jemand unter Wasser die Luft anhalten kann. Aber die Leute die nach Logik in Unterhaltung und Kunst verlangen sind ja immer die Spielverderber, was? 😉 Trotzdem ist das die Sammlung meiner Hauptkritikpunkte.

Worin der Film aber glänzt ist die Dramaturgie und die Darstellung des Alterns. Dass Maske oft misslingt, wenn es um das Altern geht, kann ich fast wöchentlich in irgendwelchen Filmen und Serien beobachten. Teilweise scheitern daran sogar moderne Filme. Altern ist schwierig. Egal ob mit physischer oder digitaler Maske. Old umgeht das, indem Maske nur sehr spärlich eingesetzt wird und man die Darstellung des Alterungsprozesses sogar einfach umgeht. So werden die gealterten Charaktere mal nur kurz gezeigt oder im Falle der Kinder durch andere Schauspieler abgelöst. Dass in Szenen über einen gewissen Zeitraum hinweg keine Ganzkörper gezeigt werden, tut dem Spannungsaufbau gut und der schrecklichen Frage: wieviel Zeit haben sie verloren? Bis dahin sieht man die Angehörigen, die fassungslosen Gesichter – „Ist das mein Kind?“ Das wirkt. Denn Verlust wirkt für uns alle.

Die verlorene Zeit hat eine immense Dramaturgie. Was sich dort am Strand abspielt, könnte man sogar als „Life in a nutsell“ bezeichnen. Menschen zeigen wie sie sich in Krisen verhalten, Beziehungen entwickeln sich – auseinander oder zusammen, Krankheiten kommen oder gehen!? Kinder werden erwachsen und bemerken, dass sie sich verändern. „Zusammen alt werden“, „die Kinder aufwachsen sehen“, „sich die Kindheit bewahren“ – vor Allem das drückt sich in dem Titel der Vorlage Sandburg aus, auch in dem Film. Old scheint damit sagen zu wollen: das Leben ist kurz. Was willst du für dein Leben? Und ruft dazu auf bewusster zu leben und Entscheidungen zu hinterfragen. Besonders gut wird das an Guy und Prisca demonstriert, aber auch an Patricia, die in einer Szene bereut sich von ihrer Schwester entzweit zu haben. Ein Konflikt, den sie vielleicht nie lösen wird, wenn sie es nicht vom Strand weg schafft. Obwohl der Film gegen Ende noch einige andere starke Seitenhiebe in Richtung unserer Gesellschaft und Wissenschaft austeilt, ist das für mich der wohl stärkste Aspekt.

Old, USA, 2021, M. Night Shyamalan, 109 min, (7/10)

Sternchen-7

Die Meinungen zu Shyamalan und seinen Filmen gehen ja durchaus weit auseinander. Nach seinen „Downs“ mit u.a. Das Mädchen aus dem Wasser hat er viele Fans verloren. Ich bin und bleibe aber Fan. Zwar bin auch ich nicht mit allen Enden einverstanden und nicht alle Filme haben meine Höchtswertung, aber ich bewundere Shyamalan dafür, dass er seiner Linie treu bleibt und mit eingetretenen Pfaden bricht. Was das betrifft ist „Old“ vielleicht sogar sein konventionellster Film bisher. Wie steht ihr zu Shyamalans Filmen? Und wie hat euch „Old“ gefallen? Falls ihr spoilern müsst, bitte unbedingt kennzeichnen. Nebenbei sei bemerkt, dass der Film zur Urlaubszeit ganz prima platziert ist. 

Eine Antwort

  1. […] Old spannende Psychostudie basierend auf einem Comic […]

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