Serienlandschaft: Weihnachtsserien („ÜberWeihnachten“, „Dash & Lily“)

Weihnachtsfilme – schnell geschaut. 7 davon? Okay. 7 Weihnachts-RomComs. Ääääh, ja, vielleicht auch mal das. Aber bei Weihnachtsserien war ich doch eher zögerlich in der Vergangenheit. Ist da nicht mehr Bereitschaft gefordert? Wenn man so rechnet … . Und wenn ich dann übersättigt bin und keine Weihnachtsfilme mehr schauen will? Das meine lieben Leser*innen sind First World Problems. 😉 Ersteres geht tatsächlich rechnerisch gar nicht so unbedingt auf oder läuft auf dieselbe Gesamt-Spieldauer hinaus. So habe ich letztes („ÜberWeihnachten“) und dieses Jahr („Dash & Lily“) tatsächlich je mal eine Weihnachtsserie geschaut. Und? Übersättigt? (Spoiler: nein.) Der Rest der Besprechungen ist spoilerfrei. 😉

ÜberWeihnachten

Die Musikerkarriere läuft eher nicht, der Brotjob im Call-Center ödet ihn an, die Freundin hat ihn verlassen und er ist noch lange nicht darüber weg, das Konto ist leer – all dem entfliehen und zu Weihnachten nach Hause! Darauf freut sich Bastian (Luke Mockridge), wird aber herb enttäuscht. Denn kaum zuhause angekommen steht sein Bruder (Lucas Reiber) vor der Tür und Überraschung: ist mit Bastians Ex Fine (Cristina do Rego) zusammen. Auch der Segen bei den Eltern (Johanna Gastdorf, Rudolf Kowalski) scheint schief zu hängen und seine Mutter springt im Bemühen allen ein schönes Weihnachtsfest zu machen im Kreuz und ist nicht mehr sie selbst. Über Weihnachten zuhause zu sein hat somit einen fundamental anderen und bittereren Geschmack als in anderen Jahren. Happy-End? Bitte?


„ÜberWeihnachten | Offizieller Trailer | Netflix“, via Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz (Youtube)

Natürlich ist das längst nicht alles. Die lose Adaption von Christian Hubers Roman 7 Kilo in 3 Tagen hat auch jede Menge Platz für Comic Relief, wenn Bastis Kopfkino zuschlägt, in dem er auf seinen Bruder mit der Kettensäge losgeht oder die Bank in der Heimat überfällt. Aber auch seine Schar an Freunden (Eugen Bauder, Jonathan Kwesi Aikins, …), seine flotte Oma Hilde (Carmen-Maja Antoni) und eine gewisse Karina (Seyneb Saleh), die im Dorf eine Bäckerei übernommen hat, wissen die Stimmung aufzulockern. Wer das liest und hört, weiß schon, dass alles gut wird!? Vielleicht.

Jedenfalls muss es manchmal erst schlimmer werden, bevor es besser wird. Die Serie hat einen angenehmen Wechsel zwischen dramaturgischen Höhen und Tiefen und fasst gut das Dilemma vieler, die auf dem Land wohnen zusammen. Das Weggehen aus der Heimat, die begrenzten beruflichen Chancen auf dem Land, aber auch die Enge der Weltanschauungen und Sehnsucht nach der Sicherheit der Familie und Werten, die das Fest der Liebe verspricht. Damit ist die Serie rundum gelungen, aber hätte durchaus gern noch etwas mehr in diese Elemente investieren können. In anderen Worten: ist manchmal sogar noch etwas zu seicht. Dafür aber wiederum für die ganze Familie geeignet. (7/10)

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Dash & Lily

Der zynische Teenager Dash (Austin Abrams) findet in der Buchhandlung seines Vertrauens ein rotes Notizbuch, das herausfordernd fragt: „Do you dare …?“ Darin fordert eine mysteriöse Schreiberin ihn zu verschiedenen Mutproben und Rätseln heraus, denen er nicht widerstehen kann. Im Folgenden tauschen Dash und die Besitzerin des Notizbuchs, Lily (Midori Francis), selbiges aus ohne sich zu begegnen und fordern sich gegenseitig zu immer mehr solcher „Dares“ heraus. Beide geben dabei jeweils etwas von sich preis. Zum Beispiel, dass Lily ein großer Weihnachtsfan ist, aber dieses Jahr eher in den sauren Apfel beißen muss, weil ihre Familie über die Feiertage wegfährt und auch sonst niemand auch nur annähernd in Stimmung zu sein scheint oder zu beschäftigt ist. Dash hingegen ist ein Zyniker und findet schon lange nichts schönes mehr an Weihnachten. Zumindest bis die Schnitzeljagd rund um das Notizbuch angefangen hat.


„Dash & Lily | Do You Dare? Teaser | Netflix“, via Netflix (Youtube)

Natürlich wächst in beiden irgendwann der Wunsch sich zu treffen. Denn umso mehr sie von einander preisgeben und den anderen an den Gedanken und Gefühlen teilhaben lassen, desto mehr entwickelt sich zwischen ihnen eine Bindung und das Gefühl, dass da draußen jemand ist, der sie versteht. Dash ist so zynisch geworden wegen der Trennung seiner Eltern und von seiner Ex-Freundin. Lily hingegen ist eine Frohnatur, die regelmäßig verdrängt, wie sehr es sie verletzt, wenn Menschen sie als „seltsam“ bezeichnen, nur weil sie andere Präferenzen hat. Tatsächlich fand ich in beiden irgendwie „kindred spirits“. Lily macht sich nichts aus clubbing und besonders angepasst zu sein. Dash liebt Bücher und zieht einen Leseabend manchmal halbherzigen Treffen mit Freunden von Cousins von Bekannten vor. (Ups, jetzt habe ich mich verraten … ähem.)

Beide mögen sich in einigen Punkten gut ergänzen, in anderen sehr konträr sein. Nicht nur was ihre Meinung über Weihnachten betrifft. So fangen sie an sich mit ihren Mutproben herauszufordern und nehmen viel aus den Erlebnissen mit. Ihre Schnitzeljagt ist sehr spannend zu beobachten. Was beide vor einem Treffen zurückschrecken lässt ist aber die Frage, ob die Vorstellung der anderen Person ein zu hohes Podest ist. Der Cast ist eine Wucht, so divers und ein Plädoyer für Vielfältigkeit – auch was die Charaktere betrifft. Die Geschichte wurde mit sehr viel Empathie für ihre Figuren adaptiert. Richtig, adaptiert. Dash & Lily basiert auf einer Buchreihe von Rachel Cohn und David Levithan (der ist auch irgendwie überall!). Die ganze Serie inhaliert dabei Weihnachtsstimmung in allen Facetten und macht echt Laune. Der Soundtrack in der Serie selber ist übrigens durchaus mehr Indie als im Trailer und läuft bei mir seitdem rauf und runter. Gegen Ende ist die Serie ein bisschen sehr stark heile Welt und hätte dieses (zudem repetitive) Kitschfeuerwerk bei dem guten Anfang und Mittelteil nicht gebraucht, aber hey .. davon müsst ihr euch nicht stören lassen. (8/10)

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Nicht so weihnachtlich ist nun natürlich die Frage, was man von Luke Mockridge halten soll und ob man angesichts diverser Missbrauchsvorwürfe nun die Finger von der Serie lassen soll. Wie auch immer man zu Luke Mockridge steht, gibt es ja auch den Gedanken Kunst und Künstler zu trennen. Wie denkt ihr darüber? Und zurück zu schöneren Themen: habt ihr die besprochenen Weihnachtsserien geschaut? Und wie haben sie euch gefallen? „Dash & Lily“ fand ich wie man sicherlich herauslesen kann sehr sympathisch und hätte mir eine zweite Staffel durchaus gewünscht. Aber ja: ihr seht richtig. Da steht nirgends „Season 1“ oder „Staffel 1“ neben den Titeln, einfach weil für beide nie eine zweite Staffel angekündigt wurde. Im Falle von „Dash & Lily“ gab es sogar die klare Ansage, dass keine kommen wird. Sehr schade. Beide Serien können via Netflix gestreamt werden. Welche Weihnachtsserien könnt ihr empfehlen?

Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).

5 Antworten

  1. Bei ÜberWeihnachten würde ich eher nicht mit einer zweiten Staffel rechnen…

    Habe sie mir aber im vergangenen Jahr kurz vor dem Fest angeschaut und war auch ganz angenehm überrascht. Ist zwar jetzt wirklich kein Serienjuwel, aber angenehm unpeinlich. Und dieses Gefühl, wenn man an Weihnachten aus der Großstadt wieder zurück in die Heimat kommt, haben sie tatsächlich sehr gut getroffen.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja, ich rechne auch nicht damit und bräuchte die auch eigentlich eher nicht.
      Das stimmt allerdings mit dem Gefühl wieder in die Heimat zu kommen.

  2. Die Serie Dash & Lily schreit nach mir!

    Und die Frage, inwiefern man Kunst und Künstler*in trennen darf/soll/nicht soll ist eine schwere Frage. Ich habe immer wieder angefagen, darüber nachzudenken und bin nicht besonders weit gekommen. Und ich glaube, dass ich da auch eher inkonsequent agiere. Manches konsumiere ich trotz dem Bewusstsein, was der Mensch gemacht hat. Bei anderen Künstlern bin ich da strenger.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ich könnte mir vorstellen, dass sie dir gefällt 🙂 vage Vermutung! Hast du „Dash & Lily“ vielleicht sogar gesehen? Bei Weihnachtsserien bin ich immer sehr hin- und hergerissen. Guckt sich das auch im Rest des Jahres? Für mich eher nicht.

      Ja, was das Trennen von Kunst und Künstler*innen angeht, ist das bei mir ähnlich. Ich kann auch bei manchen besser trennen als bei anderen, die dann irgendwie verschissen haben. Ging mir gerade wieder so bei einem Mel Gibson Film und Woody Allen … Gibson konnte ich objektiv schauen und die Taten trotzdem kacke finden. Woody Allen musste leider wieder ungesehen zurück ins Regal.

  3. […] November 2021 09.12. * angelesen: „Blue Period“ Bd. 1 & „My Broken Mariko“ 10.12. * Serienlandschaft: Weihnachtsserien („ÜberWeihnachten“, „Dash & Lily“) 11.12. * Filmbesprechungen zu „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ & […]

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