Die erste Staffel von „Schitt’s Creek“ fand ich gar nicht mal so witzig. Die Stereotype der ehemals verwöhnten und reichen Familie, die plötzlich in einem stinknormalen Umfeld mit weniger als Nichts klarkommen muss, hat natürlich ein schönes „fish out of water“-Feeling, aber manche Gags waren etwas verbraucht. Damals konnte ich mir noch nicht vorstellen wie die Serie später gegen ihr Ende in Staffel 6 mit sovielen Preisen überhäuft werden konnte, aber ich war auch neugierig genug, ob die Rosens die Kurve kriegen. In der zweiten Staffel sah ich das schon eher. Familie Rose arrangiert sich mit „Schitt’s Creek“: sowohl mit der Umgebung als auch ihren Menschen. Und mit der Akzeptanz und neuen Blickwinkeln kommt auch mehr gegenseitige Empathie. Hält die dritte Staffel den angenehmen Trend? Besprechung ist weitestgehend spoilerfrei.
In der dritten Staffel kommt Johnny (Eugene Levy) nicht umhin zu bemerken, dass seine Bemühungen um ein neues „Business“ nicht so richtig in die Gänge kommen. Selbst die halbseidenen Geschäfte rings um Bobs (John Hemphill) Werkstatt laufen besser. Als Stevie (Emily Hampshire) unerwartet das Motel von ihrer Tante erbt und nur rote Zahlen in den Büchern sieht, bietet er an sie zu unterstützen. David (Daniel Levy) fragt sich, was er mit seinem Leben anfangen soll, nachdem sein letzter Arbeitgeber dicht gemacht und ihm eine Abfindung gezahlt hat. Als in Schitt’s Creek eine Ladenfläche frei wird, spielt er mit dem Gedanken selber ein Geschäft zu eröffnen. Alexis (Annie Murphy) wird von Ted (Dustin Milligan) ermutigt einen College-Abschluss zu machen, während sie allerdings erstmal allen gestehen muss, dass sie die Highschool nicht beendet hat (obwohl das bisher jeder dachte 🙂 ). Moira (Catherine O’Hara) bekommt mehrmals die Gelegenheit ihre Schauspielfähigkeit anzuwenden – manchmal in eher fragwürdigen Situationen.
„Schitt’s Creek Funny Moments: Season 3 (HD)“, via Millie Fletcher (Youtube) – enthält Spoiler im letzten Drittel
Aaaah herrlich. Die Serie trifft den Ton und zumindest meinen Geschmack deutlich besser als in der ersten Staffel. Statt sich über die „einfachen“ Leute in Schitt’s Creek zu empören und unterschwellig über sie lustig zu machen, gehen mehr Gags auf Kosten der Roses, die inzwischen deutlich bodenständiger sind. Und inzwischen Charaktere, die gewachsen sind, sich entwickelt haben und denen man das Beste wünscht. Es ist einfacher mit ihnen mitzufiebern, nun da sie sich etwas von der nicht immer direkt entschlüsselbaren Satire entfernen. Recht bemerkenswert empfand ich, dass sich Johnny im Motel-Business versucht und dabei manchmal herrlich naiv ist. Die Klassenunterschiede und der „social rank culture clash“ wird außerdem recht schön persifliert, wenn Moira und Johnny beispielsweise ein Auto kaufen wollen und sich dafür extra auf „arm“ stylen müssen – autsch! Oder wenn Moira David gesteht, dass sie sich dafür bei seinen Klamotten bedient hat. ^^ Etwas unterschwelliger kommt der Ton durch, wenn Stevie realisiert, dass sie dasselbe Leben wie ihre Tante lebt und sich fragt, ob sie auch einmal „einsam und hoch verschuldet“ stirbt. Hier spürt man wieder auf sehr schöne Weise die Freundschaft zwischen David und Stevie geprägt von den witzigen Wortduellen, andererseits aber auch füreinander da zu sein. Für mich immer wieder eine der besten Freundschaften der TV-Landschaft.
Der Anfang der Staffel ist aber seltsam unzusammenhängend, so als ob man die übrigen Handlungsfäden aus Staffel 2 auf Krampf zu einem Abschluss bringen müsse. Die sind so langweilig, dass ich erstmal ein paar Wochen pausiert habe. Als aber oben aufgezählte Themen ins Rollen kommen, wird die Staffel witzig und interessant. Familie Rose ist seit dem Ende der zweiten Staffel deutlich sympathischer als in Staffel 1, wegen ihrer Bemühungen Fuß zu fassen und ihre Allüren zu überkommen, aber auch wegen des deutlich stärkeren familiären Zusammenhalts. Ich denke da beispielsweise an die Episoden in denen David mehrmals seine Mutter vor fragwürdigen Entscheidungen bewahrt oder auch als Alexis Interesse an Davids Leben zeigt, wo Alexis vorher eher an, naja, Alexis interessiert war. Mit ihr tat ich mich anfangs besonders schwer, aber sie macht große Sprünge.
Ich weiß nicht, ob ich es klug finde, dass das Thema berufliche Weiterentwicklung, Eigenständigkeit und Beziehungen für beide Geschwister gleichzeitig zum Thema gemacht wurde. Das wirkt vielleicht nicht so kreativ, aber ich gebe zu: Sowohl Alexis Realisierungen über ihre Gefühle als auch Davids Aussichten auf eine Beziehung haben mich ab der Hälfte der Staffel enorm gekriegt. Seitdem war die Serie für mich binge-würdig. David macht dort Bekanntschaft von Patrick Brewer (Noah Reid), der bei seinem Geschäft als Partner einsteigt. Es ist echt gut geschrieben und gespielt – man weiß lange nicht, ob Patrick was von David will oder ob er wirklich einfach nur in seinen Laden investieren will. Alleine das hat mich total am Haken. Wie es ausgeht verrate ich natürlich nicht, aber soviel sei gesagt – Patrick kann David gut kontra geben, was alleine schon viel Spaß macht.
Spaß – mir hat die Serie ab der dritten Staffel wirklich richtig Spaß gemacht. Besonders gut wird Schitt’s Creek in den abstrusen Momenten, beispielsweise in der Episode, wenn ein lebensgroßes Familienportrait auftaucht und sie dafür einen „geeigneten“ Platz suchen. Herrlich schräg. Noch besser gelingen der Serie aber seit der zweiten Staffel die Staffelfinales. Das von Season 2 war schon auffallend rund und hat das erste Mal den wachsenden Familienzusammenhalt auf die Mattscheibe transportiert. Staffel 3 kann das mindestens genauso gut. Gefällt mir sehr. Und inzwischen kann ich mir schon vorstellen, wo die vielen Preise herkommen. Der Spagat zwischen Comedy, Persiflage und niedrigschwelliger Sozialkritik gelingt sogar sehr gut sowie die allyship für die queere Community. (8/10)
Tatsächlich hat sich „Schitts Creek“ jetzt eine mehr als 5 Sätze lange Besprechung verdient, weil ich die Serie inzwischen wirklich sehr mag. Alleine weg Alexis/Ted und David/Patrick und den vielen Fragezeichen ringsrum muss ich wohl tatsächlich sogar sofort weiterschauen. Wer hätt’s gedacht … ich anfangs jedenfalls nicht. Schaut ihr die Serie und wie hat euch die dritte Staffel gefallen?
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