Kürzlich erlebte meine Twitter-Timeline eine fledermausförmige Flut. Es pfiff von allen Dächern wie großartig „The Batman“ ist und schnell war klar: ok, entweder waren kürzlich die Pressescreenings oder Sperrfristen wurden aufgehoben und die Presse darf nun endlich sagen wie sie „The Batman“ findet. Dann war der Kinostart und klar – dann dürfen sowieso endlich alle eine Meinung haben. Und als langjähriger Fan von Comics, Cartoons und Filmen konnte es kaum erwarten, auch wenn ich den neuen Batman noch viel zu verfrüht nach Nolan und Justice Leagues Interpretation finde. Die Besprechung ist spoilerfrei.
„I’m vengeance“
Sein „Projekt Gotham“ geht schon in das zweite Jahr. Bruce Wayne (Robert Pattinson) streift nachts als Mann im Fledermauskostüm durch die Straßen Gothams und versucht als Ein-Mann-Bürgerwehr für Ordnung zu sorgen. Was ist das Ziel? Gerechtigkeit oder Vergeltung? Kann es dasselbe sein? Wird er gefragt wie er heißt, antwortet er „I’m vengeance.“ (Ich bin Vergeltung.) Doch bald findet Vergeltung ein anderes Gesicht als ein Killer, der sich der Riddler nennt, an Halloween auf brutale Weise den Bürgermeister Gothams tötet. Er hinterlässt eine Botschaft – adressiert an „The Batman“.
Sehr zum Missfallen seiner Kolleg*innen weiht Lieutenant James Gordon (Jeffrey Wright) den Maskierten Rächer ein und bald schon wird klar, dass der Riddler sich in einer Reihe an Vergeltungsmorden übt und dabei den korrupten Unterbau Gothams auseinandernimmt. Batmans bzw Bruce Waynes Suche nach dem Riddler führt ihn durch Gothams Unterwelt, wo er u.a. mit dem Pinguin genannten Verbrechensmogul (kaum zu erkennen: Colin Farrell) und dem Mafioso Carmine Falcone (John Turturro) aneinandergerät. Mit denen hat auch Selina Kyle (Zoë Kravitz) abzurechnen – Katze und Fledermaus arbeiten zusammen. Wollen aber unterschiedliches. Selina will Blut sehen, Bruce aka Batman hat eine No-Kill-Regel.
„THE BATMAN – Main Trailer“, via Warner Bros. Pictures (Youtube)
But am I vengeance?
Schon am Anfang des Films fällt auf, dass sowohl der Riddler als auch offenbar der Joker Anhänger haben. Zumindest gibt es eine Bande relativ zu Beginn des Films, die sehr stark an das Ende von Joker mit Joaquin Phoenix erinnert. Warum haben die „Bösen“ Anhänger? Warum nicht Batman? Die Reaktionen vieler, die Batman begegnen machen klar: sie haben ihn noch nie gesehen. Er ist sowieso „erst“ in seinem zweiten Jahr als Batman unterwegs. Er benutzt den Begriff Batman offenbar auch überhaupt nicht. Tatsächlich nennt ihn niemand so außer der Riddler. Und soviel ist auch klar: Batman hält sich bewusst in den Schatten, mehr als seine früheren Filmversionen. Um den Mythos am Leben zu halten (fear is a tool) und zum Schutz seiner Identität. Sie haben Angst vor ihm, wissen aber weder wie er heißt, noch wie er aussieht. Entsprechend schnürt sich sichtlich die Schlinge um seinen Hals als er befürchten muss, dass der Riddler seine Identität kennt.
Aber was bedeutet es für eine Stadt wie Gotham, dass die „Bösen“ mehr und mehr Anhänger finden? Oder einfach nur lautere? Mehr Angst, mehr Schrecken. Offenbar sprechen sie die Sprache des Volkes. Insbesondere die Schere zwischen arm und reich und durch und durch korrupte Eliten spalten Gothams Bewohner*innen. Tatsächlich scheint auch The Batman nicht die Ausnahme zu sein, was Bruce Wayne hinter der Maske lernen muss. Vielleicht bedarf es nicht Vengeance? Vielleicht brauch es eine andere Botschaft? Ohne in Kitsch zu verfallen muss Batman erkennen: es braucht nicht nur eine Schattenfigur, es braucht einen Helden?
„Renewal is a lie“
Das ist einer der Vorwürfe des Riddlers, womit er u.a. das Renewal-Projekt adressiert, dass einst Wayne Senior als Bürgermeister in die Wege leitete. Für Zuschauer*innen und langjährige Fans eine interessante Tagline, die ziemlich meta ist. Ist Renewal für Batman-Filme noch möglich? Offenbar ja. Zu keinem Zeitpunkt fühlt sich dieser Batman (entgegen zumindest meiner Befürchtung) wie eine Kopie von Nolans Batman an. Dafür liegt der Fokus ganz klar auf Kriminalistik und channelt damit Erinnerungen an „Detective Comics“, wo auch der Ursprung des Fledermausmanns liegt (Detective Comics #27). The Batman schafft den Spagat zwischen mysteriösen und scheinbar übermächtigen Bösewichten genauso wie der sehr realen Bedrohung durch mafiöse Verbrechernetzwerke und Schein-Instanzen innerhalb Polizei und Justiz.
Das mag nicht neu sein, aber gelang bisher tatsächlich nur Nolan das so auf den Silverscreen zu projezieren. Und das meistens nicht mal so gut abgemischt wie hier. Was sich bisher die wenigsten getraut haben ist auch Bruce Waynes Familie in dieses Netz der Korruption zu weben. Sind die Waynes unschuldig? Oder gehören sie auch zu korrupten Eliten? Was ist die Wahrheit von Bruce Wayne? Er wird das erste Mal so deutlich damit konfrontiert, dass er anders als andere Waisen in einem hohen Gebäude aufwachsen durfte und auf andere hinabsah. Egal, ob gewollt oder ungewollt. Man sieht förmlich wie der Klassen-Bias wie Schuppen von Bruces Augen fällt. Er dachte immer er gehört dazu und ihr Schmerz wäre derselbe. Dabei ist er vielleicht Teil des Problems? Viele der damit aufgeworfenen Fragen sind lohnenswert. Viele Aspekte dieser Adaption sind lohnenswert. Alfreds (Andy Serkis) Geheimdiensttage werden aufgegriffen. Catwoman bekommt endlich einen nicht peinlichen Look und darf die sehr zeitgemäße Frage nach weißen, männlichen Eliten stellen und wie es kommt, dass die immer nur in ihre eigene Tasche wirtschaften und das „einfache Volk“ auch mal verschwinden lassen. Hell yes!
„The Batman | Michael Giacchino | WaterTower“, via WaterTower Music (Youtube)
Das einzige wo das „Renewal“ gleichzeitig großartig, aber auch schwach ist, spiegelt sich in den vermeintlich überschwenglichen Kritiken wieder. „So würde ein Batman von David Fincher aussehen!“ pfiff es von den Dächern früher Reviews. Ich meine es nicht böse, aber das ist ein „Nicht-Lob“ – auch wenn es als Lob gemeint ist. 😉 Vielleicht ist es eins, wenn Matt Reeves und die Crew große Fincher-Fans sind. 😉 Davon mal abgesehen entsteht der Eindruck nicht zwingend wegen der Bildsprache und des Ton. Das ist noch zu wenig gritty und der eingestreute Humor spricht meines Erachtens auch dagegen. Auch nicht wegen Batmans bzw Bruce an sich. Der ist dafür viel zu Emo und zu wenig subversiv. Ist es nicht viel mehr der Riddler? Denn der scheint stark dem Zodiac Killer nachempfunden zu sein. Der tatsächliche Fall des Zodiac Killers wurde 2007 von David Fincher verfilmt und sorgt hier dafür, dass man ein immenses Déjà-vu bekommt. Das ist tatsächlich nicht so kreativ. Aber Paul Dano rockt die Rolle trotzdem. Und wenn dann klassische Batman-Title-Themen durch den Soundtrack von Michael Giacchino rollen und die Silhouette Batman vor dem Hintergrund der Feuersbrunst auf den festgenalten Bösewicht zuläuft, dann macht das schon verdammt viel Spaß.
The Batman, USA, 2022, Matt Reeves, 177 min, (9/10)
Ganz am Rande erwähnt … irgendwann wird es bestimmt schwer noch Titel für das Franchise zu finden. Zumindest, wenn man ohne griffige Titel aus den Comics auskommen will und kurze, prägnante sucht. „Batman“ und „The Batman“ sind dann jetzt erstmal vergeben. Aber ich bin mir sicher, da sich Geschichte wiederholt, dass wir dann bald mit „Batman (2035)“ rechnen dürfen. Natürlich erst, nachdem Robert Pattinson keinen Bock mehr auf die Filmreihe hier hat. Denn soviel steht fest: da kommt noch was. Und mit dem Casting des nächsten Bösewichts bin ich sehr zufrieden. Wie hat euch „The Batman“ gefallen? Wie war eure Stimmung bei Ankündigung? Yay or Nay?
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