Serienlandschaft: Besprechungen in fünf Sätzen („Becoming Charlie“, „Outlander“ S5, „The Office“ S1-S4, „Jimmy Savile: A British Horror Story“)

Es ist ja so: zu manchen Serien gibt es vielleicht nicht soviel zu sagen oder zu analysieren wie bei anderen. Oder manchmal ist es eine schöne Übung sich kurz zu fassen. Es heißt also wieder „challenge accepted“. 😀 Ziel ist es die gesehenen Serienstaffeln in nicht mehr als fünf Sätzen zu besprechen. Schachtelsätze sind dabei verboten. Das ganze funktioniert spoilerfrei für die Staffel, die ich reviewe. Nicht spoilerfrei für vorangegangene Staffeln. In fünf Sätzen auch ich ja auch gar keine Zeit viel zu spoilern! Übrigens sind die heute besprochenen Serien alle relativ kurzweilig, weil sie entweder kurze Staffeln haben oder allgemein keine sehr langen Episodenlauflängen. Lediglich „Outlander“ fühlt sich wohl … hm, „länglich“, an.

„Becoming Charlie“

Das vom ZDF produzierte neoriginal ist eine sogenannte Instant-Serie, die im beschleunigten Produktionsprozess entstanden ist und sich anhand ihrer Hauptfigur Charlie (Lea Drinda) des Themas nicht-binäre Geschlechtsidentität annimmt und zeigt, welche Auswirkungen mangelnde Akzeptanz der Umwelt oder Verneinung des Selbst hat. Charlie wohnt in Offenbach, liebt Hip-Hop, schreibt selber Texte und hält sich mit Lieferjobs über Wasser. Charlies Mutter ist dabei keine besonders große Hilfe, da sie ständig alles Geld für nicht lebensnotwendigen Krempel rausschleudert und die Mahnungen lieber versteckt bis noch und noch Probleme über ihnen einstürzen. Und das gerade an dem sensiblen Punkt, an dem Charlie sich durch die Kumpels im Block, die Liebe zur Schulfreundin, die Reaktionen im Umfeld und die zarte Frage „Welches Pronomen benutzt du eigentlich?“ beginnt zu fragen „Wer bin ich? Als was sehe ich mich?“. Dass Geschlechtsidentität anders als biologisches Geschlecht kein „er“ oder „sie“ kennen muss ist ein Konzept, das viel zu wenig Einzug in Serien fand und in der kurzweiligen Serie sehr empathisch vermittelt wird. (9/10)

Sternchen-9

„Becoming Charlie“ Trailer auf Youtube | Serie in der ZDF-Mediathek


„Outlander | Season 5 Official Trailer | STARZ“, via STARZ (Youtube) – wow, SO dramatisch XD, die Energie des Trailers!

„Outlander“ Season 5

Nach der sehr spannenden und nicht minder schockierenden vierten Staffel war ich sehr gespannt wie es wohl für Claire (Caitríona Balfe) und Jamie (Sam Heughan) in der „Neuen Welt“ weitergeht, v.A. da es wohl nur eine Frage der Zeit ist bis Jamies geteilte Loyalität auf die Probe gestellt wird und er seinen Freund Murtagh (Duncan Lacroix) stellen oder beschützen muss. Zwar beginnt die Staffel wunderschön mit der Hochzeit Briannas (Sophie Skelton) und Rogers (Richard Rankin), aber man bangt nicht weniger um sie angesichts der Bedrohung durch Stephen Bonnet (Edward Speleers). Das alles baut sich allerdings nur mit einigermaßen viel Langeweile und schnarchigen Umwegen zur Vorbereitung kommender Konflikte im ersten Drittel der Staffel auf und kann Zuschauende höchstens mit Episoden wie 5×03 „Freier Wille“ bei Laune halten, die erschreckend „grim“ ist. Als es dann tatsächlich zum Eintritt Jamies und Rogers in die Schlacht von Alamance kommt, tritt das aber Ereignisse los, die lange Schatten nach sich ziehen werden und insbesondere für den Roger-Handlungsbogen wichtig sind. Zwar ist es schön zu sehen, dass die fünfte Staffel einige Themen zu Ende bringt (Stichwort Entführung), nie vergisst Claire einen bedeutungsvollen Handlungsbogen zu geben (sie veröffentlicht unter einem männlichen Arzt-Pseudonym), immerhin mindestens einen geliebten Charakter wiederbringt und einen Einblick in das damalige Leben (ich mochte die Färber-Szenen und die Vertreibung von Ungeziefer auf den Feldern), aber es ist schmerzhaft mit anzusehen, dass kaum eine Staffel ohne Torture Porn und die Darstellung von Vergewaltigung auskommt. (8/10)

Sternchen-8

„Jimmy Savile: A British Horror Story“

Die Netflix Doku über den DJ und Moderator James „Jimmy“ Savile scheitert leider an einer glaubhaften Aufarbeitung der Ereignisse. Hauptgrund ist möglicherweise, dass eine der nur zwei 90-Minuten-Episoden darin einzig investiert das „böse Ende“ drohend und bedeutungsschwanger anzuteasern aber nie beim Namen zu nennen, während versucht wird zu erklären wie er davon kam. Wer Savile (so wie ich) nicht kannte, wird nur schwer glauben, dass er mit >400 Fällen des Kindesmissbrauches davonkam – öffentliches Image hin oder her. Die Geschichte ist schier unglaublich, die Doku macht es nicht weniger glaubhaft und legt bei Weitem nicht genug Fokus auf das Vertuschen der frühen Anklagen, der bedeutenden Rolle des Internets bei der Offenlegung, dass die Opfer nicht alleine waren und sich dort austauschen konnten bis das ganze Ausmaß deutlicher wurde. Durch die unzureichende Aufarbeitung bleibt es schwer nachvollziehbar, dass Savile so erfolgreich anfänglich das öffentliche Bild eines quirky, aus der Reihe tanzenden Wohltäters aufrecht erhalten konnte und später noch wohlwollend aufgenommen wurde als sein Image eher das des „Creepy Uncle“ wurde, sodass es auch gar nicht komisch war, wenn er Witze darüber machte „nochmal davon gekommen zu sein“. (5/10)

Sternchen-5


„Jimmy Savile: A British Horror Story | Official Trailer | Netflix“, via Netflix (Youtube)

„The Office“ S1 (US)

Mockumentary-Stil sei Dank werfen wir als Zuschauer*innen in The Office (US) einen Blick in den Arbeitsalltag der Angestellten des Papiergroßhandels Dunder Mifflin Inc. in Pennsylvania. The cringe is real, wenn Chef Michael Scott (Steve Carell) so ziemliches alles diskriminiert, was nicht bei drei die Bürofläche verlassen hat. ^^‘ Mitten drin auch John Krasinski als Jim, der in Pam (Jenna Fischer) verliebt ist und Dwight Schrute (Rainn Wilson) als seinen Frenemy zählt. Zwischen Büro-Streichen, ausgefahrenen Ellenbogen und den üblichen Beleidigungen und dummdreisten Einfällen Michael Scotts erkennt man wunderbar wie man es nicht macht als Chef oder einfach als Mensch. Zwar ist mir auch hier das Fremdschämen manchmal zu heftig, aber The Office (US) ist deutlich besser konsumierbar, weil zackiger und temporeicher als das deutsche Remake (des Remakes) Stromberg. (8/10)

Sternchen-8


„The Best Moments from the Pilot Episode – The Office“, via The Office (Youtube)

„The Office“ S2 (US)

Nach der angenehm kurzen ersten Staffel, kommt das US-Remake des britischen Originals The Office mit einer deutlich längeren, stolze 22 Episoden-starken zweiten Staffel zurück, die Michael Scott (Steve Carell) genug Raum für weitere, soziale Entgleisungen gibt. Aber die Staffel und Charaktere entwickeln sich auch weiter, indem Jim (John Krasinski) und Pam (Jenna Fischer) nun vielleicht doch mal durchblicken lassen, ob sie mehr sind als Freunde. 😉 Das ist aber nicht die einzige Beinahe-Office-Romance, wobei andere verblüffen und mehr oder weniger geheim sind. Das funktioniert natürlich ausgezeichnet jetzt, wo wir die Serie lange genug geschaut haben, um in das persönliche Glück (oder Unglück) der Charaktere emotional investiert zu sein. Bin das nur ich oder gibt sich die Staffel deutlich mehr Mühe Michael Scott auch mal als eine Person mit guten Intentionen, aber zu wenig Geschick und Feingefühl darzustellen? (8/10)

Sternchen-8

„The Office“ S3 (US)

Die dritte Staffel beginnt für Jim/Pam-Fans erstmal bedrückend, da Jim (John Krasinski) sein Vorhaben in die Tat umgesetzt und um eine Versetzung gebeten hat. Die Einblicke in das Büroleben in Dunder Mufflin sind ab hier zweigeteilt und zeigen neben dem üblichen Chaos in Michael Scotts Scranton Büro auch Jims Erlebnisse in der Stamford Zweigstelle. Die sind dank Jims nicht auf den Mund gefallenen Kollegin Karen Filippelli (Rashida Jones) und dem mit einer sehr kurzen Zündschnur ausgestatteten Andy Bernard (Ed Helms) nicht weniger lustig als das was in Scranton passiert, nur weniger zum Fremdschämen. 🙂 Derweil eskaliert hin und wieder die Situation rund um Michael Scott und die On-Off-Beziehung mit seiner Chefin Jan Levinson (Melora Hardin). Als die Frage im Raum steht, ob die Scranton und Stamfort Zweigstellen dicht gemacht werden, kommt nochmal etwas Spannung auf, ob sich Pam und Jims Wege doch wieder kreuzen. (8/10)

Sternchen-8

Das Video enthält Spoiler für Season 3


„BEST PRANKS Season 3 – The Office US“, via The Office (Youtube)

„The Office“ S4 (US)

Es ist schon faszinierend wie ich der Serie konsequent dieselbe Punktzahl gebe und ja, mich auch in der vierten Staffel wieder gut unterhalten fühle. Nach drei Staffeln ist The Office endlich bereit ein paar lang vorangetriebene Handlungsbögen rund um Michael/Jan, Dwight/Angela und Jim/Pam zu einem Ende zu verhelfen. So mehr oder weniger, denn das ist auch Kick-Off für neue, die mehr oder weniger überzeugen. Für ganz spannend halte ich alles was Ryan (B. J. Novak) in seiner neuen Position tut und wie das die Beziehungen innerhalb der Firma verändert. Am Ende der Staffel bleibt ein einerseits gekonnt inszeniertes Finale mit leicht fadem Beigeschmack, wenn man realisiert wie alte mit neuen Konflikten ausgetauscht werden und vielleicht wieder genauso viel Zeit und Raum einnehmen. (8/10)

Sternchen-8

Empfindet ihr das auch so nach der viertel Staffel von The Office? Also dass ihr jetzt alles schon gesehen habt, was die Serie zu bieten hat? Seitdem habe ich tatsächlich nicht weitergeschaut und habe plötzlich das Interesse verloren. Aber nicht komplett, nur für’s erste. Gibt es eigentlich irgendjemanden, der:die das nicht auch vorrangig wegen Jim und Pam schaut? 🙂 Übrigens: die Serie „Becoming Charlie“ ist auch eine Empfehlung hier im Blog anlässlich des Pride Monats Juni und eine deutsche Serie, die die queere Community adressiert. Absoluter Anspieltipp! Nicht nur, weil die Serie so kurzweilig und flott ist, sondern auch weil sie in der ZDF Mediathek streambar ist. Was habt ihr zuletzt gesehen, dass sich auch in fünf Sätzen erklären lässt? Oder weniger …?

Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).

4 Antworten

  1. Vielen Dank für den Tip mit „Becoming Charlie“. Erstens interessiert mich das Thema, zweitens habe ich schon öfters diese Serien mit kurzen Folgen in der Mediathek geguckt und drittens komme ich aus Offenbach, da finde ich es spannend zu sehen, wo sie die Serie gedreht haben.

    Zum Rest kann ich nicht viel sagen, da ich davon nur Outlander kenne, aber am Anfang der dritten Staffel ausgestiegen bin.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Hui, super, sehr gern, Ulrike. Das freut mich, dass das so gut passt mit Offenbach und kurzen Serien. Ich mag das ja auch sehr. Alles zwischen 3 und unter 10 Episoden wird zunehmend meine Wohlfühlserienlänge. Kannst mich ja gern mal wissen lassen wie dir „Becoming Charlie“ gefallen hat und ob man Offenbach wiedererkennt?

  2. Also, ich war von der fünften Outlander-Staffel fast noch mehr enttäuscht als vom Buch. (ab Buch 3 ging die Reihe eh abwärts und ich ärgere mich immer noch, dass ich trotzdem nicht aufhören kann, die Bücher zu lesen!). Die ganze Dramatik mit Roger wurde in dieser einen gewissen Folge durch den Stummfilm-Look für mich versaut. Was sollte das?!
    Sie haben aus dem bisschen Plot, den das Buch hergab, zwar das beste herausgeholt, aber ich kann’s langsam auch nicht mehr ertragen, dass so ziemlich jede der Figuren mindestens einmal vergewaltigt wird im Verlauf der Reihe. Es reicht jetzt wirklich.
    Ich gucke/lese eigentlich nur noch, weil ich an Claire und Jamie hänge und nicht loslassen kann.
    Hast du schon in Staffel 6 reingeschaut? Die ist ziemlich düster geworden.

    Beste Grüße (nochmal),
    Ute

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja so Bücher gibts, ne … ich hab da auch so ein, zwei, die eigentlich schädliche Muster anwenden oder hoffnungslos aus der Zeit gefallen sind in manchen Belangen oder die mich sogar alle zwei Bände aufregen (Stephen Kings „Der dunkle Turm“ Reihe), aber irgendwie liest man ja doch weiter. Weil man erleben will wie sich alles zusammenfügt, ob es noch Hoffnung gibt und was mit den Charakteren passiert … .
      Die Stummfilm-Folge fand ich eigentlich sehr gelungen, weil es eine Zeit lang offen lässt, was genau passiert ist und ja einen Bezug zu seiner Kondition nach dem Ereignis nimmt. Oder Zuschauende darauf einstimmt. Pun intended ^^ Aber es war auch etwas .. „gewollt“.

      Das Thema Vergewaltigung reicht auch langsam … es mag ja sein, dass damals nicht gespaßt wurde. Aber warum immer dieselben Schocker auspacken? Es gibt schließlich auch noch genug anderes, was einem hätte passieren können. Krankheit, Armut, Sklaverei, Verschleppung … gut, letztere beide hatten sie ansatzweise. Aber ich werde wohl auch weiterschauen, sobald die Staffel im Fernsehen läuft oder im kostenfreien Stream verfügbar ist. Um extra Geld für den Staffelpass draufzulegen, hat die Serie gerade keinen so guten Stand bei mir. ^^

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