Serien-Besprechung: „The Midnight Club“ & „Guillermo del Toro’s Cabinet of Curiosities“

Das 13. Türchen im Blog-Adventskalender holt wohl nochmal etwas Halloween-Feeling zurück. 🙂 Ich bereue es nicht, hoffentlich ihr auch nicht. Warum und worüber geht’s in beiden Serien überhaupt? Das verraten die nachfolgenden, spoilerfreien Besprechungen.

The Midnight Club

Ilonka (Iman Benson) fühlt sich vom Schicksal betrogen. Sollte ihr Leben mit dem Schulabschluss nicht gerade erst richtig anfangen, ist es nun schon quasi beendet. Diagnose: Schilddrüsenkrebs, terminal. Sie findet eher zufällig das Brightcliffe. Ein Hospiz, das sich auf Teenager spezialisiert hat und beschließt sich dort um einen Platz zu bemühen. Einerseits will sie nicht, dass ihr Stiefvater ihr beim Sterben zusehen muss, andererseits gibt es Gerüchte um Brightcliffe, die sie neugierig machen. Was sie dort findet ist eine Gruppe von sieben anderen, todsterbenskranken Teenagern, die sie in ihren Midnight Club einladen und für sie wie eine Familie werden. Sie treffen sich jede Mitternacht um sich eine Schauergeschichte zu erzählen und derer zu gedenken, die sie verloren haben. Dabei ahnen sie nicht, dass ganz ähnlich schauriger Stoff bereits um sie herum passiert.


THE MIDNIGHT CLUB | Official Trailer | Netflix, Youtube

Der deutsche Titel Gänsehaut um Mitternacht kann finde ich mit dem Originaltitel nicht mithalten – The Midnight Club. Genauso wenig wie die schlussendliche Serie mit der Atmosphäre, die die Grundidee aufbaut. Vielleicht liegt es an der jüngeren Zielgruppe, die zumindest von der Literaturvorlage von Christopher Pikes Jugendbüchern herrührt. Dabei ist viel Intention in die von Mike Flanagan und Leah Fong produzierte Serie geflossen. Die Geschichten, die sich die Teenager erzählen, sind nicht (komplett) den Midnight-Club-Büchern entnommen, sondern auch anderen Büchern Pikes. Vielleicht gibt es hier im Flanaverse also auch ein kleines Pike-Verse!? Viele von denen fand ich nur mäßig schaurig. „Road to Nowhere“ ist sehr cool, ansonsten konnte ich mich für die wenigsten begeistern. So wie auch eher nicht für den Grusel, der in Brightcliffe stattfindet. Einerseits ist es smart, dass sich gleich mehrere, reale schaurige Vorkommnisse um die Gruppe aufbauen, andererseits sind die fad und nehmen sich in Summe gegenseitig ihre Bedeutung und die Screentime weg. Da ist die schwierige Vergangenheit des Brightcliffe selber, die Wunderheilungen einbezieht und zumindest Ilonka Hoffnung macht. Außerdem spukt auf dem Anwesen eine alte Frau und ein Schatten scheint die acht zu verfolgen – vielleicht der Tod selber!?

Durch die Omnipräsenz des Todes im Leben der Teenager ist es nicht abwegig, dass der eine besondere Stellung hier einnimmt. Alle warten auf ein Zeichen. Sie gehen sogar einen Pakt miteinander ein. Wer von ihnen zuerst geht, muss den anderen ein Zeichen schicken. Ihr mitternächtlicher Toast beginnt mit: „To those before. To those after. To us now. And to those beyond. Seen or unseen. Here but not here.“ Ein dezenter Hinweis auf die eigentliche Stärke der Serie. Mit viel Fingerspitzengefühl setzt sich Midnight Club mit den Einzelschicksalen der Teenager auseinander und findet gleichermaßen Worte für die Tragödie von ihnen allen: wenn gerade junge Menschen tödlich erkranken. Es gibt Aspekte des Lebens, denen sich Gesunde nie stellen müssen, die die Serie unverblümt aufzeigt. Beispielsweise das Bedauern über all die Dinge, die man verpasst. So wie Amesh (Sauriyan Sapkota) wütend und traurig ist soviele „Firsts“ vielleicht nie zu erleben. Vom Release der PlayStation bis hin zum ersten Mal. Tod ist immer traurig, aber was wenn er umso mehr trifft, weil er soviele Perspektiven verschließt und soviele Fragen offen lässt? Soviel ungestillten Hunger nach Leben ertränkt?

Auch andere Aspekte von Erkrankung werden beleuchtet. Der an Leukämie erkrankte Kevin (Igby Rigney) leidet mehr darunter, dass er guten Willen zeigen und seiner Freundin und Familie zuliebe so tun will, als ob alles „normal“ sei. Natsuki (Aya Furukawa) leidet zusätzlich an Depressionen und Spencer (Chris Sumpter) darunter, dass seine Familie ihn ablehnt, weil er homosexuell ist. In diesen Momenten ist die Serie stark, hat tolle Charaktere und gefühlvolle Storylines. Aber damit kann Midnight Club eben auch nicht so recht gewinnen, wenn man mit der Erwartung einer Horrorserie im Stile der anderen Flanagan-Stoffe an die Serie herangeht. Richtig nervig wird es, wenn Ilonka immer und immer wieder versucht sich mit Magie heilen zu wollen. Ein Konflikt, dem deutlich zu viel Zeit eingeräumt wird, der auf Kosten anderer fallen gelassener Motive geht. An eine zweite Staffel glaube ich nicht so richtig, obwohl das angedeutet wird und obwohl ich die Charaktere sehr ins Herz geschlossen habe. Ruth Codd als Anya rockt! (6/10)

Sternchen-6


The BIGGEST Differences Between Midnight Club Book & Show.., Gaming Spotlight, Youtube

Guillermo del Toro’s Cabinet of Curiosities

Acht Episoden in einer Horroranthologieserie. Das bedeutet acht Geschichten gemäß feinster Gothic Horror Tradition. Und mittendrin der Meister der Makaberen – Guillermo del Toro. Was kann schief gehen? Dasselbe was bei allen Anthologien schief geht, man findet selten alles gut. Guillermo del Toro’s Cabinet of Curiosities (nicht zu verwechseln mit Aaron Mahnkes gleichnamigen Podcast), fasst 8 Geschichten zusammen, die teilweise Literaturvorlagen adaptieren, teilweise Originaldrehbücher sind. Jede Episode wird dabei eingeleitet von einem kurzen Auftritt del Toros, der uns in Jonathan Frakes/X-Faktor-Manier auf das einstimmt, was da gleich kommen mag.

Lot 36 basiert auf einer Kurzgeschichte del Toros um einen verlassenen Lagerraum, der einige Geheimnisse birgt. Graveyard Rats werden einem Grabräuber zum Verhängnis. The Autopsy wurde von David Prior inszeniert und basiert ebenfalls auf einer Kurzgeschichte, in der die titelgebende Autopsie nochmal dem Horror eine Schippe drauf legt. Ana Lily Amirpours The Outside basiert auf einem Webcomic von Emily Carroll, in dem eine junge Frau mit verheerenden Folgen einer Kosmetikmarke und Schönheitswahn zum Opfer fällt. Panos Cosmatos The Viewing ist … wie andere Stoffe von Panos Cosmatos, stylisch und alptraumhaft. Dreams in the Witch House und Pickman’s Model sind Adaptionen aus Lovecraft-Kurzgeschichten, die uns einerseits mit Hexen, andererseits mit morbiden Gemälden konfrontieren. Und in The Murmuring muss ein Ehepaar einen Verlust verarbeiten und mit einem Spukhaus fertig werden. Wilde Mischung – das ist es auch. Alle Regisseur:innen, Drehbücher, Darsteller:innen und Schauplätze vermitteln ein eigenes Flair. Die Qualität der Ausstattung ist gleich hoch.


Guillermo Del Toro’s Cabinet Of Curiosities (2022) Netflix Serie Offizieller Trailer German Deutsch, Trailer auf Deutsch, Youtube

Überraschenderweise haben mir die Episoden am wenigstens gefallen, deren Vorlagen ich kenne, d.h. die auf Lovecraft basierenden. Sie wurden jeweils mit einem emotionalen Nährboden angereichert, der den Vorlagen eventuell tatsächlich fehlen mag. Dort nehmen sie aber so überbordend viel Platz ein, dass es auf Kosten des kosmischen Horrors geht. Überaus gut hat mir stattdessen The Autopsy und The Murmuring gefallen. Lot 36 hätte etwas mehr Fokus auf das Ende statt auf den gemächlichen Anfang vertragen können, während The Outside sich am Ende verliert. Außerdem war ich überzeugt von The Viewing Albträume zu bekommen. Insgesamt ist Guillermo del Toro’s Cabinet of Curiosities ein spannendes Konzept, das sich gern in einer zweiten Staffel sehen würde, dessen Einleitungen durch del Toro aber gern etwas pointenreicher sein könnte. Die einzelnen Episoden sind in Summe solide und klar – im Einzelnen Geschmackssache. (7/10)

Sternchen-7


Guillermo del Toro and Mike Flanagan On What Scares Them Most | Netflix, Still Watching Netflix, Youtube

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Hm. Ich habe beide Serien um Halloween rum geschaut und hatte von beiden erwartet, dass sie mir besser gefallen würden. Weil … Flanaverse! Und Guillermo del Toro! Und Lovecraft! Wobei ich schon sagen muss, dass die späteren Werke del Toros für mich doch eher Hit & Miss sind. Letzten Endes waren beide solide. Kennt ihr die Serien? Und wie habt ihr sie wahrgenommen? 

3 Antworten

  1. „The Midnight Club“ hat so gut angefangen, aber das Ende war sehr, sehr, sehr unbefriedigend. Hab mich durch die letzte Folge durchgequält, in der Hoffnung, am Ende eine Reihe Plottwists zu bekommen. Ich kenne natürlich die Vorlage nicht, aber hier hat Mike Flanagan wirklich ausnahmsweise kein gutes Händchen bewiesen. Dabei fand ich die Charaktere wirklich toll, besonders Anya. Und die „stories within the story“ waren echt toll erzählt.

    „The Cabinet of Curiosities“ fand ich echt cool. Als Lovecraft-Fan mochte ich natürlich die Adaptionen seiner Geschichten. Ich hatte sonst immer den Eindruck, Lovecrafts Geschichten sind eher unverfilmbar. 🙂 Ansonsten auf Platz 1: „The Autopsy“ – am Schluss einfach nur Gänsehaut pur. Letzter Platz ist „The Viewing“, das war einfach nix für mich, ein Freund meinte, die Folge könnte man nur high genießen ^^“

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Dann findest du also die Abweichungen von der Vorlage von Lovecraft dienen der Sache? Weil ich hätte auch gesagt, dass ich Lovecraft-Fan bin oder zumindest seine Geschichten faszinierend finde, aber die Adaptionen finde ich hier leider nicht so gelungen. Dabei denke ich nicht mal, dass es eine 1:1-Adaption gibt oder braucht.

      Mit „The Midnight Club“ ging es mir ähnlich – ich fand nur leider auch schon die Stories within the stories nicht so spannend – teilweise..

  2. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Die Lovecraft Episoden in Cabinet of Curiosities fand ich auch mit am schlechtesten. Alles andere war nett. The Outside fand ich cool

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