Serienlandschaft: Anime-Besprechung „Chainsaw Man“ Season 1

Ein bisschen tat es schon weh meinen Rückblick auf das Serienjahr zu schreiben und darin „Chainsaw Man“ als eine der Serien des (vergangenen) Jahres zu erwähnen, aber keine Besprechung parat zu haben, die das greifbar macht. Aber leider ging nicht alles gleichzeitig, zumal die letzte Episode der ersten Staffel dann auch erst kurz vor Jahresende lief. „Chainsaw Man“ wurde schon seit Ankündigung des Animes heiß erwartet und es gab ein ordentliches Rauschen in der Manga/Anime-Bubble. So wie wahrscheinlich schon lange nicht mehr. Wenn nun schon klar ist, dass es eine meiner Serien des Jahres war, dann kann ich mir die Worte der Review sparen? Oder war der Standard einfach 2022 niedrig? 😉 Die Besprechung ist spoilerfrei.

Ein Hundeleben

Denji ist erst sechzehn, hat aber die Schulden seines verstorbenen Vaters bei der örtlichen Yakuza geerbt. Irgendwo muss das Geld her und so verdient er sich schon seit Jahren als Teufelsjäger. Denn in der Menschenwelt machen mehr und mehr Teufel die Gegend unsicher und dürsten nach Menschenblut. Denji ist zwar wehrhaft, aber profitiert auch von Pochita. Denn Pochita ist ein Kettensägenteufel und Denji wohlgesinnt, seitdem sie sich beide aus der Patsche geholfen haben. Dann aber will sich die Yakuza sowohl Denjis als auch Pochitas entledigen. Pochita beschließt Denji zu helfen, der schon quasi tot ist und ersetzt ihm das Herz. Von da an kann Denji als Mensch rumlaufen und sich wann immer er will in einen Kettensägenteufel verwandeln. Das findet auch die staatliche Behörde zur Beseitigung von Teufeln praktisch. Seine Vorgesetzte Makima macht klar: arbeite mit uns zusammen oder du wirst gejagt wie ein Teufel. Denji findet’s nicht übel. Dach über’m Kopf, Mahlzeiten, Makima ist nett, was will man(n) mehr? Ok. Nervige Kolleg:innen wie die durchgeknallte, nach Blut dürstende Dämonin Power und den nervigen Paragraphenreiter Aki hält man schon irgendwie aus. Aber hey. Dach, Mahlzeiten, Makima. Oder?


Chainsaw Man | OFFICIAL TRAILER 2, Crunchyroll Collection, Youtube

Naja, so ganz war es das noch nicht. Was sich vor Denji entfaltet sind auch schon mal Teufel mit überraschend persönlicher Agenda, die es zu beseitigen gilt. Denji ist eine außgergewöhnliche Mischung und damit der Schlüssel zu einer großen und schwierigen Aufgabe seiner Sondereinheit. Vor Allem aber unterscheidet er sich von anderen „klassischen“ Helden durch seine, sagen wir mal, bodenständigeren Ziele. Hier geht es nicht um Rache, um heroische Aufgaben und große Abenteuer. Denji kommt aus Armut, hatte keine Bildung und setzt seine Ziele niedrig. Eigentlich will er nur ein besseres Leben als den Bodensatz unter’m Existenzminimum. Dadurch ist sein Standard eben schmerzhaft niedrig und er ein Antiheld wie er bisher glaube ich in der Form selten auf der Mattscheibe erschien. Vielleicht sogar einer der ehrlichsten überhaupt. Am Ende des Tages tut er viele abschreckende, schmerzhafte und gefährliche Dinge für Essen und ein Bett. Nennen wir es – seinen Job.

Der Typ ist eine Kettensäge, was soll ich sagen

Es ist stark, dass (Manga und) Anime, das sogar offensichtlich adressieren. Sind deine Träume und Ziele besser als meine? Bist du deswegen mehr wert als ich, wird Denji irgendwann fragen. Und da macht er einen Punkt. Aber mit Denjis Lebensstandard, ähm, wachsen auch seine Ziele. Verschieben sich zu dem Wunsch nach Beziehungen und sexuellen Erfahrungen. Er wird später mal damit gelockt Brüste anfassen zu dürfen, wenn er einen Teufel niedermetzelt. Die Gefahr ist relativ groß, dass Chainsaw Man damit gierige Blicke anzieht und superwitzig rüberkommt, aber den tieferen Sinn von Denjis Story verkennt. Auch der Fanservice trägt eben zur Popularität Chainsaw Mans bei, machen wir uns nichts vor. Es ist letzten Endes an den Zuschauenden daraus was zu machen. Es bringt auch nichts die Feminismus-Keule zu schwingen, denn 1. es verläuft halt zum Teil trotzdem in den Mustern eines Shōnen-Anime und richtet sich damit mit einem gewissen Fanservice-Anteil an ein männliches Publikum. Auch wenn ich die Einteilung mehr und mehr schwachsinnig finde. Aber hier kommt der Haken: 2. die Frauen in Chainsaw Man sind trotz einer gewissen Fetischisierung ziemlich gut darin selber die Grenzen aufzulösen und zu erklären, dass bloßer Reiz reizlos sein kann. Hört, hört.


„Woof!“ | Chainsaw Man, Crunchyroll Collection, Youtube

Auch von diesen offensichtlichen Aspekten abgesehen weiß Chainsaw Man alleine schon mit der irren Mischung zu überzeugen. Eigentlich ein Wunder, dass sich noch nicht die USA eingeklinkt und den Chainsaw Man irgendwie einverleibt hat oder dass der Stoff nicht ein drogengeschwängerter Auswuchs irrer 80er Jahre Drogenexzesse war. Wobei … . Manga und Anime atmen in der Tat etwas die Aura von Tetsuo vs. „Goldener-Weg-Anime“. Worauf man sich gefasst machen muss ist eine relativ geradlinige Spannungskurve, die sich von Story Arc zu Story Arc bewegt und damit sehr geschickt mehr und mehr Regeln der Welt Denjis erklärt. Woher die Teufel überhaupt kommen und woraus sie ihre Macht beziehen ist ein schlaues Konzept. Nach und nach gleicht Vorlage wie auch Adaption einem Ratespiel. Mit jedem neuen Charakter fragt man sich: und was sind deren Fähigkeiten? Und was mussten sie dafür bezahlen? Denn Teufel gehen gern im Austausch für Fähigkeiten (durchaus teure) Pakte mit Menschen ein. Was wärst du bereit zu geben? Für ein Bett und geregelte Mahlzeiten? Und bei dem Maß an Aufopferung – wie ist das eigentlich mit der Work-Life-Balance? 😉

POWER!!elf!11!!!

Man hört es schon heraus – das ist kein Anime, der uns was von hehren Zielen erzählt wie es der klassische Shōnen-Titel gern mal tut. Auch unter den Charakteren haben wir nicht ganz das Set aus Goldener-Weg-Anime. Denji ist ein sehr subversiver Held wegen seines Mangels an Anstands, Manieren, Empathie. Er ist einfach ein Kind ohne Kindheit, ein Stück weit verroht, aber irgendwo schlägt da ein gutes Herz in ihm. Manchmal denkt man dieses Herz ist Pochita, manchmal, dass es doch Denji ist. Aki ist der leidende Held, der an sich selber Raub betreibt bis zu einem sehr sehr ungesunden Level. Power ist unzuverlässig, man möchte auf keinen Fall mit ihr zusammenwohnen, aber es ist sehr lustig sich das von außen anzugucken. Sehr! Sie sind alle ziemliche kaputte Typen. Und das macht unheimlich Spaß, weil es eben nicht versucht ach so heroisch zu sein. Das ist die wirkliche Superpower von Chainsaw Man und das Geheimnis, warum Manga und Anime so durch die Decke gehen. Okay, für manche liegt’s vielleicht auch am Fanservice und den ultrabrutalen Kämpfen. Denn, was erwartet man schon, wenn aus Denjis Kopf und Armen Kettensägenblätter schießen? Blut, Blut, viel Blut.


Denji vs Bat Devil Fight Scene 4K | Chainsaw Man 4K, AniBrain, Youtube

Die haben sich außerdem nicht lumpen lassen einen der heiß erwartetesten Anime der letzten Jahre(!) auch angemessen zu animieren, zu vertonen und mit entsprechendem Soundtrack zu unterlegen. Nicht nur das – jede Episode hat einen eigenständigen Ending-Track und dazu passendes Outro. Quasi 13 Musikvideos für eine Staffel, not bad. Studio MAPPA hat ganze Arbeit geleistet mit der Animation, die in allen Aspekten glänzt. Kensuke Ushios Soundtrack weiß sowohl den „heavy metal“-Charme mit ordentlich Gerassel einzufangen, aber eben auch die ruhigen Momente. Sowieso kann der Anime die Melancholie des Mangas vielleicht besser einzufangen als der Manga. Die schwingen lange nach. Auch gut: eine kontroverse Ekelszene wurde zensiert. Zensur ist ja immer ein heißes Thema, weil Menschen etwas vorenthalten wird und sich zwangsläufig die Frage stellt, was der Zweck dessen sein soll und wer die Macht hat das anzuordnen und was das nächste ist, was zensiert werden soll. Hier ist es besser so. Es ist einfach zu eklig. Worin der Anime leider gegenüber dem Manga nicht die Nase vorn hat ist Denjis Fokus auf Sex. Ganz so creepy und wahllos wirkte er im Manga nicht, behaupte ich und hier liegt tatsächlich mein einziger Punktabzug. Ein Glück, dass der Anime die Melancholie und Charaktermomente wie auch die abgefahrenen Kampfszenen lang genug dehnt und angemessen feiert, sodass ich nicht zu lange darüber nachdenken muss, ob ich Denji vielleicht doch nicht leiden kann. Die Animationsqualität ist allererste Sahne, ich liebe die Animation der Augen! Wohl zu Recht der Anime des Jahres 2022. (9/10)

Sternchen-9


『チェンソーマン』第12話ノンクレジットエンディング / CHAINSAW MAN #12 Ending│Eve「ファイトソング」, MAPPA CHANNEL, Youtube

Mit einem Auge weine ich aber auch etwas, dass Studio MAPPA soviele klasse Serien umsetzt, weil da auch irgendwas hinten runterfällt. Oder warum gab es dann nach Dorohedoro „nur noch“ eine OVA? Hmmm? Ein Jammer. Übrigens traf mich hier eine Schwierigkeit, die ich nicht ganz so oft habe, weil ich selten Manga lese und Anime schaue. Musste ich schon aufpassen, dass ich hier nicht anfange den Manga mit zu besprechen oder irgendwas vorweg zu nehmen. Am Ende der ersten Staffel wird schon ein wenig angeteasert was kommt und ich freue mich sehr auf den nächsten Arc. Kennt ihr „Chainsaw Man“? Wie hat es euch gefallen? Stand heute kann man „Chainsaw Man“ via „Crunchyroll“ streamen.

Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).

2 Antworten

  1. […] ironisch angehauchten Text über AI art“. Noch gibt es eher nüchtern den Inhalt wieder. Chainsaw Man kannte es beispielsweise. Mein Programmierproblem hat es gelöst, aber mit einer sehr allgemeinen […]

  2. […] schließe mit cat content. Was auch sonst? catwheezie scheint auch neulich Chainsaw Man geschaut zu haben. […]

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