Manchmal ist es so naheliegend, dass man gar nicht drauf kommt. Mein Freund interessiert sich für Filme, aber nicht so sehr wie ich. Eines Tages ging mir auf, dass Wes Anderson eigentlich total sein Ding sein müsste. Da kam es mir in meiner Beweisführung, um nicht zu sagen meinem Experiment, schon sehr gelegen, dass „Asteroid City“ gerade ins Kino kam. Aber hier ist spoilerfreie Zone, deswegen verrate ich (vielleicht) nicht, ob ihm der Film gefallen hat. 😉 Genauso* wie ich mich um eine spoilerfreie Review bemühe.
Asteroid City, 1955: von überall her reisen Familien an, um mit ihren Kindern deren wissenschaftliche Projekte und dafür gewonnene Auszeichnungen zu feiern. Eine:r von ihnen wird ein dickes Stipendium ergattern. Die kleine Wüstensiedlung Asteroid City wurde als Ort für die Verleihung ausgewählt, weil dort einst ein Meteorit einschlug und einen bemerkenswerten Krater hinterließ, der immer noch „Stargazer“ und Weltraumfans anzieht. Als dann aber etwas (mehr oder weniger) unvorhersehbares passiert, wird eine Ausgangssperre über Asteroid City verhängt und sie müssen eine Weile dort fristen. Unter ihnen befindet sich der Kriegsfotograf Augie Steenbeck (Jason Schwartzman), sein Sohn Woodrow (Jake Ryan), die berühmte Schauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson), die Wissenschaftlerin Dr. Hickenlooper (Tilda Swinton), die Lehrerin June Douglas (Maya Hawke) und ihre Schulklasse.
Asteroid City – Official Trailer – In Select Theaters June 16, Everywhere June 23, Focus Features, Youtube
Sie alle sitzen in Asteroid City fest, mit sich und ihren Gedanken. Wenn sie dort rumhängen als wäre plötzlich die Zeit und damit ihr Leben stehen geblieben, obwohl der Himmel blau ist und die Sonne fast immer scheint, dann ist das pure Melancholie. Da ist die Clique der smarten Jugendlichen, die feststellt, dass sie nie jemand so verstanden hat wie sie sich untereinander verstehen. Oder Auggie, der um seine kürzlich verstorbene Frau trauert. Sie alle haben etwas nach Asteroid City mitgebracht – und finden dort etwas unerwartetes. Wes Anderson typisch ist die Umgebung von abstrusen Hinweisen umgeben, die das Leben als die Ansammlung von Kuriositäten kleidet, die es nun eben ist. Da gibt es den von Matt Dillon gespielten Mechaniker, in dessen Nähe eher alles kaputt geht. Irgendwo im Hintergrund geht vom letzten Atomwaffentest noch ein Atompilz hoch. Das abstruseste darunter ist aber wohl, dass wir am Anfang erklärt bekommen, dass Asteroid City nicht real ist. Alles sei nur ein Theaterstück, erklärt uns der Moderator (Bryan Cranston). Wir sehen gar zwischendurch in Schwarzweiß immer wieder Ausschnitte der Produktion, des Castings, der Proben.
Und das ist tatsächlich auch der Aspekt an Asteroid City, der am genialsten und am störendsten ist. Er ist die perfekte Erklärung für alles, was in Asteroid City keinen Sinn macht (Atomwaffentests beispielsweise). Eigentlich der Traum all der Rationalisten, die immer alles bis ins letzte erklären müssen. Dadurch, dass die „Asteroid City“-Sequenzen aber so real inszeniert sind und nie wie eine Bühne wirken, ist es zeitgleich dissonant, geboren um zu verwirren. Tatsächlich muss auch ich sagen, dass ich diesen Teil des Films nicht gebraucht hätte und dass er es nur für eine Szene wert. Vielleicht reicht das aber schon, denn sie verbindet die Realität (die Produktion) und die Fiktion (Asteroid City). Sie zeigt, dass in der Fiktion Trost liegt.
Was wir außerdem bekommen sind natürlich die klasse Leistungen der Darsteller, die herrlich verschroben, verletzlich und grantig sind. Der besondere visuelle Stil der stets stark gesättigt und trocken wirkenden Wüstenstadt erklärt von der ersten Sekunde an: das ist ein Wes Anderson Film, kein Zweifel. Genauso hilft die Künstlichkeit und Einfachheit eines Lebens, in dem ein Milkshake im Diner 40 Cent gekostet hat. Zur Stimmung trägt auch der seltsame Trost von greifbaren Idolen bei, ein Feuerwerk am Vorabend und Mädchen, die nicht Prinzessinnen sein wollen, sondern lieber Vampire und Hexen. Wie immer in Wes Anderson Filmen lohnt es sich zu schauen, was sich im Hintergrund abspielt, wenn er uns suggeriert, dass wir eigentlich wo anders hinschauen sollen. So wie all die Leute, die in Asteroid City strandeten, dort viel fanden, aber auch schnell wieder wegwollten. Asteroid City ist für sie ein Ort des Verarbeitens. Nur kann man an solchen Orten eben nicht lange bleiben, wenn man einmal verstanden hat wie man mit dem Leben weitermacht.
Asteroid City, USA, 2023, Wes Anderson, 106 min, (7/10)
*Ja, natürlich verrate ich es: meinem Freund hat der Film wahrscheinlich sogar noch besser gefallen als mir – er war schwer begeistert. Jetzt werden wir wohl öfter Wes Anderson Filme gucken. Und wie stehe ich dazu? Joar, kann man machen. Zwar würde ich mich nicht als größter Fan von Andersons Filmen beschreiben, aber ich finde sie erfrischend anders. Häufig gucke ich sie vorrangig wegen des Looks, wohingegen ich die Handlung manchmal etwas langatmig oder verkopft oder zu aufgebläht mit Details finde. Irgendwer hat Wes Anderson mal als den großen Visualisten Hollywoods beschrieben – und ich finde das fasst sein Genie ganz gut zusammen. Wie hat euch der Film gefallen? Und wie steht ihr zu Wes Anderson Filmen?
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