Hach, Mangareihen … immer wieder landet was schönes neues im Ladenregal und immer wieder greife ich zu. Als ich neulich mit „Ousama Game“ eine kleine Pleite erlebt habe, wurde der Gedanke geboren „Man könnte ja auch einfach mal ein paar gute Reihen endlich zu Ende lesen.“ So zum Beispiel Pluto!
Inhalt
In der Zukunft koexistieren Androiden gleichberechtigt neben Menschen. Sie dürfen heiraten, haben Jobs, verdienen Geld, haben Wohnungen, adoptieren Kinder-Androiden und wenn sie Urlaub machen wollen, buchen sich mal ’ne Reise. Diese Gleichberechtigung stößt nicht nur auf Gegenliebe. So ermittelt Kommisar Gesicht im Düsseldorf der Zukunft bei grausigen Morden, denen Befürwörter der Roboterschutzgesetze zum Opfer fielen, aber auch einige der bekanntesten Roboter der Welt. Gesicht ist selber ein Androide und macht sich auf den Weg die Roboter zu warnen, u.a. den Jungen Atom. Die Suche weckt auch in Gesicht böse Erinnerungen. Was ist so mächtig, dass es den Kampf mit diesen Robotern aufnehmen kann?
Hintergrund
Beim Titel „Pluto“ wird der Mangakenner vielleicht noch nicht misstrauisch. Aber bei dem Beinamen „Der größte Roboter auf Erden“ vielleicht schon etwas mehr. Und wenn dann Dr. Tenma, Dr. Ochanomizu und Atom auftreten, wissen wir Mangafans, warum uns das so bekannt vorkommt. (Ähem, oder einfach weil Osamu Tezuka auch auf dem Cover verewigt wurde 😉 ) Naoki Urasawa schnappte sich nämlich die Figuren des Manga „Astro Boy“ (1952) vom Manga-Urvater Osamu Tezuka und kleidete sie sowohl optisch, als auch storytechnisch in ein neues Gewand. Der Manga „Astro Boy“ handelt vom Wissenschaftler Dr. Tenma, der seinen Sohn verliert und diesen als Androiden nachbauen will. Er nennt ihn Atom. Als er aber feststellt, dass Atom nicht wirklich sein Sohn ist 👿 verstößt er ihn und für den kleinen Roboter beginnt eine große Reise. In Pluto beginnt die Geschichte unter einer anderen Prämisse, hauptsächlich aus der Sicht von Komissar Gesicht und Atoms Geschichte ist bereits Vergangenheit. Nichtsdestotrotz spielt er eine große Rolle.
Hier ein paar Eindrücke zu „Original“ und „Neuinterpretation“, angefangen bei Atom:
Das Bild zeigt (v.l.n.r.) Dr. Ochanomizu, Dr. Tenma, Gesicht und Mont Blanc. Oben jeweils aus der Vorlage von Osamu Tezuka, unten die Interpretation von Naoki Urasawa.
Meinung
Urasawa macht etwas sehr schlaues. Er versetzt uns in eine Situation mit einer neuen Form der Diskriminierung: Roboter. Das Wissen kein Mensch zu sein und deswegen nicht als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft akzeptiert zu werden, ist bitter. Alle diktieren den Androiden auf, dass sie nicht geboren, sondern gebaut wurden und dass sie keine Gefühle haben. Eine große Metapher für Minderheiten aller Art und moralische Fragen über Akzeptanz und Wissenschaft. Die Beispiele an denen die Grausamkeit gegenüber Androiden gezeigt wird, erinnern oft an weiter zurückliegende, düstere Kapitel der Menschheitsgeschichte. Und das ist auf dieser anderen Leinwand, vor diesem anderen Hintergrund nochmal sehr erschütternd. Vielleicht weil man hofft, dass Menschen nie wieder die Fehler der Vergangenheit begehen?
Die Spurensuche nach dem Täter, die Flashbacks von Gesicht, die unterschiedlichen Charaktere und Motivationen: perfekt inszeniert. Der Manga hat mir sehr sehr viel Spaß gemacht und ist Unterhaltung auf hohem Niveau. Und als ob ich nicht schon genug positives gesagt hätte, muss ich nochmal hervorheben, dass sich Pluto meines Erachtens nach gut für ältere Leser und Manga-Einsteiger eignet. Der Zeichenstil ist sehr realistisch und entfernt sich etwas von dem Kindchenschema-esquen großen Funkelaugen-Kitsch. Hier gibt es Charaktergesichter und -nasen – bei Naoki Urasawa sieht kein Charakter aus wie der andere. Sie sehen aus wie Menschen die neben uns in der Straßenbahn sitzen. Die Hintergründe und Technik sind allererste Sahne. Jeder Strich sitzt. Auch das Thema richtet sich ebenfalls deutlich an ältere Leser – und hat einen besonderen Kick für diejenigen, die Astro Boy noch kennen. 😉 Als ein weiteres Plus werden mir wohl die ab und zu plötzlich auftauchenden und gut platzierten farbigen Panels in Erinnerung bleiben.
Die haben allerdings scheinbar auch ihren Preis. Pluto ist in 8 Bänden abgeschlossen, der Preis pro Band beginnt bei 12,90€. Der hochwertigen Optik verzeihe ich das gerade so. Außerdem ist es ein Manga, den man nicht in 20 Minuten durchliest, sondern länger etwas davon hat. Was mir schwerer fällt zu verzeihen: wie wäre es, wenn man sich in der deutschen Übersetzung mal entschieden hätte, ob der Androide Epsilon nun als „Sie“ oder „Er“ betrachtet wird? Und noch eine Anmerkung an Naoki Urasawa (der das wahrscheinlich nie lesen wird …): wie wäre es mal mit ein paar mehr starken Frauencharakteren? 😉
Fazit:
Ein Meisterwerk!
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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