Vielleicht übertreibe ich jetzt ein kleines bisschen. Aber für mein Fangirl-Herz war es eine der mit Abstand besten und überraschendsten Meldungen, dass 1. das Marvel-Cinematic-Universe mit einem Doctor-Strange-Filme erweitert wird und 2. er von Benedict Cumberbatch gespielt wird. Was die Doctor Strange Comics betrifft, bin ich nicht sehr bewandert. Es waren nur wenige Ausgaben, die ich mir angeschaut habe, die den Ursprung von Doctor Strange erklären, danach habe ich abgebrochen, weil ich den Stil amerikanischer Comics oftmals nicht mag und hier die Erzählung zu radikal gekürzt empfand. Aber ich kenne die animierte Serie und war dort ein großerer Fan des sorcerer supreme. Und als Cumberbitchbabe fand ich es großartig, dass er Teil des MCU wird. Und es geht nichts gegen ein bisschen gut gemachtes Popcornkino zwischendurch … Review ist spoilerfrei.
Marvels neuster Streich beginnt recht comic-getreu mit der Einführung des brillanten, aber ebenso arroganten und von sich selbst überzeugten Neurochirurgen Dr. Stephen Strange (Benedict Cumberbatch). Als er nach einem Autounfall schwere Verletzungen davonträgt, scheint seine Karriere beendet. Er versucht alles, um seine Hände vom Tremor zu befreien, aber nichts schlägt an und die Medizin bietet keine Lösungen mehr. Dann hört er von einem Patienten, der seine Querschnittslähmung überwunden hat – wie? Der entscheidende Hinweis führt ihn nach Kathmandu, wo er im Kamar-Taj lernen will sich mit der Kraft seines Geistes zu heilen. Die ominöse Älteste (Tilda Swinton) nimmt ihn auf und bringt ihm mehr als das bei – und es übersteigt alles woran Strange bisher geglaubt hat. Aber er muss schnell lernen, denn der ehemalige Schüler der Ältesten Kaecilius (Mads Mikkelsen), plant eine zerstörerische Macht heraufzubeschwören.
Cumberbatch hat sich mit Rollen wie der in Sherlock ganz klar seinen Auftritt als Doctor Strange verdient. Die psycho- bzw. soziopathischen Züge sprechen für sich selbst. Die Arroganz und das ausweglose Scheitern erinnern an Tony Stark und es drängt sich der Verdacht auf, dass der den eisernen Mann in kommenden Marvel-Filmen ersetzen wird, nachdem sich herauskristallisiert hat, dass es scheinbar keine weiteren Iron-Man-Filme geben wird und sich Tony Stark auch in den letzten MCU-Filmen etwas rar macht. In jedem Fall bereichern neue Helden mit neuen Geschichten das Franchise, das kaum noch neue Konflikte hinzuzufügen hat. Zwar funktionieren die MCU-Filme wie Avengers: Age of Ultron noch als Kassenschlager, aber die Geschichten folgen zu sehr einem bekannten Schema und sind schlichtweg zu ähnlich. Prinzipiell ist auch Doctor Strange eine Geschichte die stark Iron Man I ähnelt. Geläuterter Mann mit Begabung, der einen hohen gesellschaftlichen Rang hat, wird von einem Ereignis erschüttert und krempelt sein Leben um – schlussendlich verschreibt er sich einer höheren Aufgabe. Das ist Iron Man I.
Trotzdem überzeugt der Film, da er sich die Schauwerte aus Vorrietern wie Inception zusammenklaut, das Beste daraus nimmt und auf die Spitze treibt. Und das gelingt! Es unterhält und versucht gar nicht CGI zu verneinen, ist aber auf einem hohen qualitativen Level gemacht, sodass der Film in 10 Jahren noch funktionieren kann. Er fügt dem MCU Spiritualität hinzu und macht aufmerksam auf die Kraft die aus dem Inneren kommt. Kein schlechter Ansatz für einen Blockbuster. Was dem Film nicht gelingt ist eine für alle Charaktere schlüssige und ansprechende Geschichte zu schreiben. So verkommt Rachel McAdams Charakter der Christine zu einem Gelegenheits-Love-Interest, der nur existiert, um Strange Profil zu geben und sein Drama auszuarbeiten. Dem Sexy-Lamp-Dilemma entgeht sie knapp, da sie Strange immerhin mal das Leben rettet. Die Aufarbeitung der Geschichten von der Ältesten, Mordo und Kaecilius ist aber dürftig. Und da ich mindestens genauso sehr ein Mads-Mikkelsen-Fangirl wie ein Cumberbatch-Fangirl bin, stimmen mich die relativ einfach gestrickten Figuren nicht so glücklich.
Scott Derricksons Film ist handwerklich perfekt. Das Drehbuch, an dem er mitgewirkt hat, ist es vielleicht nicht. Gut – der Film ist witzig, mitreißend und gibt uns ein bisschen Lehre mit auf den Weg. Aber er arbeitet die Charaktere zu wenig aus. Auch die Kontroverse, warum aus dem Ältesten (Comic) eine Älteste wurde ist etwas nebulös. Swintons androgyne Erscheinung ist hier vielleicht mal ein willkommener Wechsel, denn ihre Erscheinung lässt ohne das Label „Älteste (weiblich)“ viele Optionen offen. Geschlecht, Herkunft – das kann relativ frei ausgelegt werden, wäre da nicht ihre Bezeichnung. Wie sehen das wohl Fans des Comics? Neben den gelungenen Effekten, stechen aber auch die Kulissen, Kostüme und das Make-Up positiv heraus. In einer kloster-ähnlichen Gilde in Kathmandu erwarte ich zwar andere Klamotten, aber für das comic-Setting sieht alles rund und äußerst wertig aus. Es ist eine Freude einen so gut ausgestatteten Fantasy-Superhelden-Film zu sehen. Gutes Popcornkino, warum nicht. Bitte mehr Doctor Strange im MCU. Und noch ein Hinweis: bis ganz zum Schluss sitzen bleiben. Ihr kennt das ja sicher schon.
Doctor Strange, USA, 2016, Scott Derrickson, 115 min, (8/10)
Wie hat euch der Film gefallen? Findet ihr auch, dass Doctor Strange neuen Wind ins MCU bringt? Und empfindet ihr die Figur auch als so ähnlich zu Tony Stark?
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