Serienlandschaft: Kurzreviews – The Bletchley Circle Season 1 & Season 2

Für den Frauentag habe ich mir eine ganz bestimmte Review aufgehoben. Wie ja schon mal im Zuge meiner Artikelreihe Frauen der Informatik angerissen, scheint es so, als ob die Verdienste von Frauen im Bereich der Mathematik und Informatik in Vergessenheit geraten sind. Ab und zu stolpert man noch über das, was ich für Relikte hielt. Die Statistiken, dass nach wie vor weniger Frauen als Männer in technischen Berufen Fuß fassen. Hier und da hört man, dass die Berufe unattraktiv wirken, der Stereotyp des Nerds stößt ab oder es mangelt an weiblichen Vorbildern. Wenn man aber mal etwas tiefer gräbt, dann erfährt man schnell, dass beispielsweise die Dekodierarbeit in Kriegszeiten einst ein typischer Frauenberuf war. Genau damit befasst sich die britische Fernseh-Serie ‚The Bletchley Circle‘, um die es heute geht. Nachdem sie kurz nicht verfügbar war, freut es mich auch sehr, dass sie inzwischen wieder über Netflix abrufbar ist. Reviews sind spoilerfrei.

„The Bletchley Circle Titles – music by Nick Green“, via SMATalentLtd (Youtube)

‚The Bletchley Circle‘ Season 1

Es ist offenkundig, dass während die Männer ihr Vaterland im Krieg verteidigten, die Frauen zuhause blieben und dringend benötigte Rollen besetzten. Zum Beispiel die als Codeknacker und Human Computers in Bletchley Park wo die Funksprüche der Gegner entschlüsselt werden mussten. Sicherlich waren manche von ihnen vor Allem dazu abgestellt, die Funksprüche abzutippen. Von dem Programmieren wie man es heute kennt, war man noch einige Schritte entfernt. Aber unter ihnen waren Mathematikerinnen und Logikerinnen, die Human Computers genannt wurden, weil sie eben kalkulierten, was wir heute über Software lösen würden und dabei sensible Informationen in den Händen hielten, die über Leben und Tod entscheiden konnten. Klar, dass ihre Arbeit Verschlusssache ist und sie sich nach dem Krieg größtenteils in anderen Rollen wiederfinden ohne über ihre Errungenschaften sprechen zu dürfen. Der Zuschauer lernt dabei vier verschiedene Lebensläufe kennen – die unserer Heldinnen. Susan (Anna Maxwell Martin) ist inzwischen Mutter und Hausfrau, hat aber ein Talent wenn es um das herstellen von Zusammenhängen und analytische Verfahren geht. Millie (Rachael Stirling) ist eine alleinstehende Frau, die viel gereist und herumgekommen ist, spricht viele Sprachen und dort wo sie gerade lebt, hält sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Lucy (Sophie Rundle) hat ein fotografisches Gedächtnis, lebt aber als Hausfrau in einer unglücklichen Ehe mit ihrem gewalttätigen Mann. Jean (Julie Graham) war in Bletchley die ranghöchste unter ihnen und arbeitet inzwischen als Bibliothekarin. Als Susan einen Kriminalfall in den Nachrichten verfolgt und Zusammenhänge erkennt, die der Polizei scheinbar verborgen bleiben, beschließt sie die anderen zusammenzutrommeln und auf eigene Faust die Mordserie aufzuklären – sie sind der titelgebende Bletchley Circle.

Von Grundgerüst her ist es eine solide Krimiserie im historischen Gewand der 1950er Jahre. Der Kriminalfall haut einen nicht von den Socken, er ist geradlinig geskriptet und hebt sich von anderen in Film und Fernsehen dargestellten Krimis eher dadurch ab, dass die Frauen auf eigene Faust ermitteln und das zudem auch noch mathematisch-analytisch tun. Hier kommt die Zutat hinzu, die das ganze interessant macht. Einerseits die eingestreute Gesellschaftskritik, andererseits das Vorgehen der Vier. Ihnen wird kein Glauben geschenkt und ihre Fähigkeiten unterschätzt. Nebenbei spürt man, dass sie ihre Rollen als Hausfrau oder Gelegenheitsjobberin sie nicht erfüllen und sie anderes gewöhnt sind. Verantwortung übertragen bekommen zu haben und dass zu ihnen aufgesehen wird. Besonders deutlich wird das am Beispiel von Susan, die sowas wie das Herz und der Kopf der Truppe wird. Natürlich ist sie eine liebende Mutter, natürlich liebt sie auch ihren Mann. Aber Selbstverwirklichung und die Passion für die Materie fehlen. Apropos Materie: das ist der zweite Punkt. Unser ‚Bletchley Circle‘ zieht einige Algorithmen und Ansätze heran um dem Mörder auf die Spur zu kommen, die man durchaus kennt, wenn man sich mit Mathematik und Informatik beschäftigt hat. Und es ist auch sinnig, aber sie gehen nicht allzu tief in die Materie, weswegen es für alle anderen genauso gut ‚anschaubar‘ ist. Die nur aus drei Episoden bestehende Serie behandelt zusammenhängend einen Fall und guckt sich somit wie einen Fernsehfilm. Das mit dem Realismus bekommen sie besser hin als in anderen Serien. Ja, sie gehen zur Polizei (es hört ihnen nur niemand zu). Und ja, sie müssen um ihr Leben und das ihrer Familie fürchten – wie das eben so ist, wenn man auf eigene Faust versucht einen Mörder zu schnappen. Damit ist Bletchley Circle eine rundum gelungene Serie. Der Kriminalfall hätte gern etwas unkonventioneller oder spannender gestaltet sein können. Aber die gesellschaftlichen Aspekte und der Unterton der Serie in Bezug auf Frauen und ihre Rollen sind im genau richtigen Maß: nicht zu moral-apostelhaft, nicht zu lau. Gute Serie.

(8/10)

Sternchen-8

„The Bletchley Circle (Deutscher Trailer) | HD | KSM“, via KSMFILM (Youtube)

‚The Bletchley Circle‘ Season 2

Die zweite Staffel der britischen Krimiserie setzt einen drauf. Genauer gesagt eine Folge. In insgesamt vier Episoden werden diesmal zwei Kriminalfälle erzählt. Allerdings bringen die auch Veränderungen mit sich, die man so nicht oft ‚mitten drin‘ in Serien erlebt. Während Susan den ‚Bletchley Circle‘ verlässt, kommt eine neue ehemalige Kollegin dazu. Alice Merren (Hattie Morahan) ist aber auch zentrales Objekt des ersten Falles, den die Frau lösen müssen, sie steht nämlich unter Mordverdacht. Die Formel der Serien ist gleich geblieben: der Bletchley Circle löst mit analytischen Methoden seine Fälle, aber der Fokus auf real existierende Ansätze und Algorithmen ist kleiner geworden, dafür die Fälle aber etwas komplizierter, die historischen Verstrickungen interessanter. Die Fälle haben demnach an Tiefe gewonnen, das Thema Mathematik wurde etwas eingedampft. Allzu sehr schadet es der Serie nicht, nur ihrer Philosophie ein wenig. Die Rolle der Frauen in der Gesellschaft der 1950er Jahre ist nach wie vor ein starkes Motiv. So wird beispielsweise an Alice demonstriert, dass die Menschen in der damaligen Zeit noch nicht mit sovielen Informationen zugeschüttet wurden. Der Name einer Frau, die des Mordes bezichtigt wurde, merkte man sich leider und wollte sie nicht um sich haben. Heute ist man entweder anonymer, weil der Fall untergeht und zu klein ist oder es wird eine Hexenjagd veranstaltet, weil einen das Gesicht x-Mal bei Facebook anlacht und jeder eine Meinung dazu hat. Davon abgesehen entwickeln sich auch alle Charaktere weiter. Viele Punkte, die für die Serie sprechen und die bei anderen Serien untergehen. Trotzdem wurde Bletchley Circle leider nach der zweiten Staffel abgesetzt. Vielleicht hebte sie sich doch zu wenig von anderen Kriminalserien ab. Vielleicht war das Interesse an den Human Computers, die jetzt Kriminalfälle lösen nicht groß genug. Vielleicht war der Wechsel im Cast doch zu out of character? In jedem Fall schade, dass man den Punkt reduziert hat, der die Serie von anderen Kriminalserien abhebt: die Mathematik im historischen Gewand.

(7/10)

Sternchen-7

Kennt ihr die Serie? Und wenn ja wie gefällt sie euch? Ich war ja schwer geschockt als sie zwischendurch mal einige Zeit aus Netflix verschwunden war. Welche Serien sind euch dort mal abhanden gekommen? Übriges muss ich so kurz und gegen Ende nochmal erwähnen, dass die Serie ziemlich klar den Bechdel-Test besteht und uns vier starke Persönlichkeiten mit sehr dankenswerten Rollen von Frauen in Film- und Fernsehen präsentiert. Welche Serien, die sich um Frauen zentrieren kommt euch dabei noch in den Sinn? Welche Serien mit starken Frauenfiguren kennt ihr? Und an die weiblichen Leserinnen … ich wünsche euch einen schönen Frauentag! So von Frau zu Frau. 🙂

Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).

2 Antworten

  1. Oh die Serie mochte ich auch gerne. Bin ich kurz nach dem Film „Imitation Game“ gestolpert und war sofort am Haken. Vielschichtige Protagonistinnen, ein spannendes Thema über das ich nach wie vor zu wenig weiß und London in den 50ern, was will man mehr. Habe mich auch gefreut, Rachel Stirling mal wieder zu sehen. Schöne Serie, im Übrigen Weihnachten an die Frau Schwiegermama verschenkt, die sie ebenfalls sehr mochte.

  2. […] kann sie. Anna Maxwell Martin, bekannt aus The Bletchley Circle und And then they were none, darf hier in einer leider zu kleinen Rolle die berühmte Autorin mimen […]

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