Nachdem SABUs neuster Streich ‚Mr Long‘ auf der Berlinale sein Debut feierte, ergab sich glücklicherweise auf der Nippon Connection 2017 die Gelegenheit den Film zu sehen. Zu Beginn richtete der Ko-Produzent Stephan Holl noch einige Worte an das Publikum und erklärte wie es dazu kam, dass ‚Mr Long‘ eine deutsche Ko-Produktion ist: man bat SABU an die Post-Produktion in Berlin zu machen. Wirkt wie eine ungewöhnliche Mischung, ist aber eins meiner Highlights der Nippon Connection. Ein gutes Argument mal wieder mehr von SABU zu schauen, dessen ‚Monday‘ einer meiner liebsten japanischen Filme ist. Review ist spoilerfrei.
Mr Long (Chen Chang) ist ein Auftragskiller. Schnell, effizient, unauffällig. Seine weapon of choice ist ein kurzes Messer. In Taiwan nimmt er den Aufrag entgegen einen japanischen Gangster zu töten, der in der Szene gerade aufsteigt. Scheinbar ist der sich seines Aufstiegskampfes aber bewusst und kann Long abwehren und schwer zurichten. Long kann schwer verwundet entkommen. Irgendwo in Japan findet ihn der kleine Jun (Run-yin Bai), bringt ihm Essen und Medizin und hängt sich an den wortkargen Fremden. Als der was für Jun und sich kocht, wird die ganze Nachbarschaft auf ihn aufmerksam. Long scheint Talent zu haben. Undzwar ungewöhnlich großes. Ehe er sich versieht, hat er plötzlich viele aufgedrehte Japaner am Hals und einen kleinen Nudelstand. Dabei wollte er eigentlich untertauchen, um nicht von den Gangstern gefunden zu werden.
Das klingt in der Kurz-Zusammenfassung jetzt nach einem fröhlichen Film á la Léon – Der Profi, ist aber sehr reduziert und zuweilen auch sehr ernst. Mr Longs Vergangenheit wird in wenigen Bildern angedeutet, die schonungslos erscheinen, aber nur eine Vorahnung dessen sind, was kommt, wenn er Juns Mutter (Yi Ti Yao) findet. Die ist drogenabhängig und er verpasst ihr einen kalten Entzug. Als sie währenddessen ihren Werdegang in Japan revue passieren lässt und auf ihren schlafenden Sohn schaut, entfaltet sich eine Milieustudie, die den Kinosaal verstummen lässt. Wie schnell die junge Frau immer tiefer in einen Strudel aus Drogen und Prostitution geraten ist, geht einem an die Nieren. Yi Ti Yao beweist Mut zur Hässlichkeit in der hässlichen Geschichte, die demonstriert wie Menschen, wie Frauen, zu einem ‚Ding‘ einem Gegenstand gemacht und benutzt werden. Und Yi Ti Yao zeigt uns die Schönheit dessen, wenn man entkommt und wieder glücklich sein darf. Und diese schonungslose Erzählung hat, obwohl man sie schon so oder so ähnlich wo anders gesehen hat, Mr Long fast in Vergessenheit geraten lassen. (Nicht aber, wem er begegnet.)
Die ernsthafte Nebenhandlung wird von der Situationskomik immer wieder aufgelockert, wenn Mr Long auf die fröhlichen, japanischen Nachbarn trifft. Chen Chang muss dafür gar nicht viel tun, nur ihre liebevoll-spleenigen Ideen mit unverständigen, leicht gereizten Blicken quittieren: zum brüllen komisch. Das ist SABUs wahre Kunst. Er braucht nicht viel um den Film zu machen. Die Kulissen sind low cost, aber es ist authentischer als es in irgendeinem anderen Film sein könnte. Und doch sind die Bilder, Blicke und Szenen ausgewählt ohne Zufall. Egal ob es die Eröffnungssequenz ist oder der Blick von Juns Mutter in den Himmel. Es mag alles reduziert sein, aber das macht sich nicht bemerkbar. Mr Long spricht kein Japanisch und versteht es auch nicht. Er redet im ganzen Film kaum. Aber es funktioniert. Sowohl das tragische, traurige, erschütternde, als auch die Spannung und die Komik. Der Film vereint es alles und transportiert trotz des gediegenen Tempos abseits von Hollywood-Spannungskurven soviel mehr zum Zuschauer. Großes Kino.
Mr Long (OT: ミスター・ロン, Mister Long), Japan/China/Taiwan/Deutschland, 2017, SABU, 129 min, (9/10)
„MR LONG (2017) by Sabu [Excerpt 2]“, via Richard Lormand (Vimeo)
https://vimeo.com/203042585
Welche Filme von SABU könnt ihr empfehlen? Kennt ihr ‚Mr Long‘ ggf schon? Es wurde darauf hingewiesen, dass er im Herbst in die Kinos kommt – dringende Empfehlung! Das ist leider schon meine letzte Review von der ‚Nippon Connection‘ und ich werde ein bisschen melancholisch 😉 es war sehr cool und ich hoffe, dass ich nächstes Jahr wieder dabei bin.
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